Berlin. Gut, dass sich die Schwaben auch in Berlin angesiedelt haben. Rund 30.000 sind es. Besser noch, dass sie ihre Heimatküche mitbrachten. Am besten, dass die wunderbar bodenständig, deftig und köstlich ist. Ein kulinarisches Dasein ohne Käsespätzle, Maultaschen, Zwiebelrostbraten, Linsen und Spätzle mit Saitenwürsten wäre alles andere als schön. Eine „der“ Institutionen für die schwäbische Küche ist die Schöneberger „feinbäckerei“ in den Räumen einer ehemaligen Backstube. Davon zeugen bis heute Originalfliesen sowie Familienfotos, die der Urenkel des damaligen Bäckermeisters der Restauration überlassen hat. Die „feinbäckerei“ ist älter als das wiedervereinigte Berlin, schon im damaligen West-Berlin zog sie Schwaben wie Berliner an. Seit sechs Jahren gibt es eine Art Dependance, das „Heuberger“, ebenfalls in Schöneberg auf der Roten Insel, in etwa zehn Minuten Laufentfernung. „Es sollte jedoch kein zweiter, rein schwäbischer Laden werden“, sagt Anja Heuberger, deren Mann Christoph Braun vor 15 Jahren die „feinbäckerei“ übernommen hat. „Er war Stammgast, wechselte dann sozusagen die Tresenseite. Ich habe dort im Service neben dem Studium gejobbt“, plaudert sie aus dem Nähkästchen. Und verrät auch noch, dass ihr heutiger Mann damals ein „netter Chef“ gewesen sei.
Allerdings wollte man den Grundprinzipien einer „ehrlichen, guten deutschen“ Küche und einer „familiären Atmosphäre“ treu bleiben. Im „Heuberger“ wird auf eine ebenfalls regionale, aber übergreifende Küche gesetzt, die sich als „süddeutsch“ beschreiben lässt: Spätzle und Maultaschen wie im Schwabenländle, Nürnberger Würste und Schweinebraten mit Bayrisch Kraut und Semmelknödel wie in Bayern. Dazu gibt es eine Schnitzelparade mit Wiener Schnitzel, Schnitzel „Wiener Art“, Meerrettich- und Bayrischem Schnitzel – Schnitzel sind deutschlandweit zuhause. Mit Flammkuchen wird auch noch nach Frankreich, ins Elsass geschaut. Damit hat das Wirtshaus mit großem Biergarten den kulinarischen Nerv getroffen. Die Gaststätte ist fast jeden Abend rappelvoll, seit November finden auch zahlreiche Weihnachtsfeiern dort statt. Statt Wochenkarten gibt es diesen Monat neben der Standardkarte „Adventskarten“.
Anja Heuberger hat Berliner und fränkische Wurzeln und ist eigentlich Grafikdesignerin, entwickelt aber für das Heuberger viele Rezepte, was „meistens auch gut klappt“. „Die Köche akzeptieren das“, konnte sie im Laufe der Zeit beruhigt feststellen. „Ich habe schon als Kind gerne Restaurant gespielt, eine Speisekarte geschrieben und gekocht“, erzählt sie. „Familie und Freunde müssten das auch essen, sonst habe ich damit gedroht, die Freundschaft zu kündigen“, setzt sie mit einem Schmunzeln nach. Ihr Vater hatte ihr später auch beruflich zur Eröffnung eines Restaurants geraten, sie aber wollte erst einmal die künstlerische Richtung einschlagen.
Für ein Weihnachtsessen à la „Heuberger“ hat sie einen Rotkohlstrudel mit Schafskäse kreiert, der die Länge eines ganzen Backblechs hat und zu dem sie einen Roséwein empfehlen würde. Dazu gibt es einen Feldsalat. Der Rotkohl fügt sich schon ob seiner intensiven lila Farbe in die Adventszeit ein. Der beliebte Kohl, der auch als Rot- und Blaukraut bezeichnet wird, und ein typisches Wintergemüse ist, hat seit dem Martinstag wieder Hochsaison. Kein Gänsebraten ohne Rotkohl – im „Heuberger“ steht Gans, wahlweise als Brust oder Keule mit Klößen, hausgemachtem Rot- oder Grünkohl bis zum Januar auf, der Karte. Das Rotkraut wird dabei mit Grenadine verfeinert.
„Bei uns zu Hause gab es an Weihnachten immer ganz klassisch Gans oder Karpfen blau und ich erinnere mich, dass meine Tante Ida immer mit dem Bollerwagen vorbei kam“, sagt Anja Heuberger, die an den beiden Weihnachtsfeiertagen, an denen das Wirtshaus geöffnet hat, mitarbeitet. Kochen liege in der Familie, verrät sie noch. Ihr zehnjähriger Sohn sei ein kleiner Feinschmecker, der nicht auf Pommes frites steht, sondern Lammhaxe oder Oktopus vom Grill favorisiert. Vom Weihnachtsmann habe er sich in diesem Jahr einen Entsafter gewünscht, so Heuberger. Er koche auch gerne mit, Flammkuchen belege er inzwischen selber.
Die Aufgabenverteilung an Heiligabend ist bereits geregelt: Die Familie kauft ein, Anja Heuberger kocht, gerne auch mit ihrem Vater zusammen. „Letztes Jahr gab es Ochsenbäckchen“, erinnert sie sich. Was dieses Jahr als Festschmaus serviert wird, steht noch in den Sternen.
Strudel, eine Erfindung aus den Zeiten der österreichisch-ungarischen Monarchie ist heutzutage international verbreitet. Süß wie herzhaft, die Liste von Strudelrezepten ist lang. Der „Heuberger“-Strudel integriert noch die Berlin-türkische Küche: „Man muss den Strudelteig nicht selber machen, sondern arbeitet mit Yufka-Teig, den man im türkischen Supermarkt bekommt“, sagt Köchin Katrin Mucke. Ein für eine leichte Süße sorgendes Geschmacksdetail sind Backpflaumen. Weiß wie Schnee wirkt der Schafskäse, den man aus dem griechischen Bauernsalat kennt und der sein deutsches Pendant in einem Hirtenkäse, einen Salzlakenkäse aus Kuhmilch, findet.
Als Berlinerin setzt Köchin Katrin Mucke an Heiligabend auf das wahrscheinlich klassischste Gericht: Wiener Würstchen mit Kartoffelsalat. „Ich bereite den Kartoffelsalat nach dem Rezept meines Opas mit Joghurt, Schnittlauch, Apfel und Ei zu.“ Weihnachten selbst gibt es Gans.
Die gebürtige Hohenschönhauserin, die auch schon in der „feinbäckerei“ arbeitete und mit Eröffnung des „Heuberger“ gewechselt ist, ist ein großer Fan der Adventszeit. Sie kann dann einer besonderen Leidenschaft nachgehen. „Ich backe sehr gerne Plätzchen und esse sie auch gerne. Nur das Glasieren macht mir keinen Spaß“, sagt Mucke. Damit habe sie auch noch ein kulinarisches Weihnachtsgeschenk. Das Team des „Heubergers“ kann sich jedes Jahr darauf freuen.
Über eine Dessertidee zum Rotkohlstrudel müssen sie und Anja Heuberger nicht lange nachdenken. „Ein Kaiserschmarrn oder ein Tiramisu, allerdings nicht klassisch italienisch mit Espresso, sondern mit Himbeeren, die auch in hiesigen Gärten wachsen, und mit weißer Schokolade“, so der Tipp für eine süße Weihnacht.
„Heuberger“, Gotenstraße 1, 10829 Berlin, Mo.-So. 12-24 Uhr, 24. und 31.12. geschlossen, 25. und 26.12. geöffnet. Tel. 78957337, E-Mail: reservierung@wirtshaus-heuberger.de.
Die Rezeptur für das Menü im „Heuberger“:
Diese Rezepte sind für vier Personen gerechnet.
Rotkohlstrudel mit Schafskäse zu Feldsalat mit angebratenen Birnen und Nüssen
Ein halber Rotkohl (ca. 750 g), eine Zwiebel, 2 EL Öl, 400 ml Grenadinesaft, 90 g Backpflaumen (klein geschnitten), 150 g Feldsalat, eine Birne, 100 g Walnüsse, 4 EL Balsamico-Essig, 250 g Yufka- oder Filoteig, 200 g Schafs- oder Hirtenkäse, 130 g Butter (oder 1 Eigelb und etwas Sahne), Honig, ein halber gestrichener TL gemahlene Gewürznelken, ein halber gestrichener TL gemahlener Kümmel,
1 TL Speisestärke, Pfeffer und Salz.
Rotkohlstrudel:
Den Rotkohl zuerst putzen, in Viertel schneiden und den Strunk entfernen. Die Viertel in feine Streifen schneiden oder hobeln. Die Zwiebel und den Knoblauch abziehen und fein würfeln.
Öl in einer großen Pfanne erhitzen und darin den Knoblauch und die Zwiebeln glasig dünsten. Anschließend den Rotkohl hinzufügen und etwa fünf Minuten lang braten. Mit Saft ablöschen. Einen halben Teelöffel Salz, Nelken, Kümmel und Backpflaumen hinzugeben. Das Ganze zirka 15 Minuten köcheln lassen, bis der Saft auf etwa die Hälfte eingekocht ist.
Die Stärke mit einem Esslöffel Wasser verrühren, um damit den Rotkohl zu binden. Aufkochen und etwa eine Minute köcheln lassen. Die Pfanne vom Herd nehmen und etwa 45 Minuten abkühlen lassen.
Den Yufka- oder Filoteig auslegen. Die Rotkohlmischung in die Mitte geben und gleichmäßig auf dem Teig verstreichen. Dabei einen kleinen Rand außen frei lassen. Anschließend den Schafs- oder Hirtenkäse grob zerbröseln, ebenfalls in der Mitte des Teigs verteilen. Danach den Teig von der schmaleren Seite her aufrollen. Abschließend die Enden verschließen.
Ein Backblech mit Backpapier belegen und die Rolle darauf legen. Dann die Oberfläche mehrmals mit einer Gabel einstechen. Bei 140 Grad (Umluft) knapp 20 Minuten lang Backen. Den Strudel kurz herausnehmen und mit Butter oder einem Ei-Sahne-Mix bepinseln und danach bei 180 Grad noch einmal zwei bis drei Minuten bei Oberhitze backen, damit der Strudel oben eine schöne Farbe bekommt.
Feldsalat mit Birnen und Nüssen:
Zuerst den Feldsalat waschen, zupfen und trocken schleudern. Dann den Salat auf vier Tellern dekorativ verteilen. Die Birne schälen, entkernen und in mundgerechte Stücke teilen. Anschließend die Butter in einer Pfanne zum Schmelzen bringen. Die Birne mit den Walnüssen darin anbraten. Birne und Nüsse auf dem Feldsalat verteilen.
Den Balsamico in der Pfanne erst zum Schäumen bringen und so viel Honig dazugeben, bis eine cremige Konsistenz entsteht. Dann die Salatsauce auf die Teller verteilen. Zum Rotkohlstrudel servieren.
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