Nachdem die Gebrüder Samwer (Jamba, Zalando) wohl jeden Onlinehandel-Trend ausprobiert und ausgereizt haben, setzen sie jetzt auf einen neuen Markt: dem Geldverleih im Internet. Am Sonntag ist Lendico als jüngster Rocket-Internet-Ableger an den Start gegangen, ein Marktplatz für Kredite von Privatpersonen an Privatpersonen. Vorerst nur in Deutschland soll die Plattform im Rocket-Stil schnellstmöglich in weitere Länder expandieren.
Das in den letzten sechs Monaten entwickelte Lendico gilt als neues Hauptprojekt der Berliner Internetinvestoren. Es ist zudem das erste große Start-up seit Jahren, das die Samwers in Deutschland starten. Zuletzt hatte sich Rocket Internet darauf konzentriert, Schwellen- und Entwicklungsländern mit Zalando- oder Amazon-Klonen zu erobern.
Mit Lendico kopiert Rocket das Erfolgsgeschäft des US-Anbieters Lending Club. Die Amerikaner haben nach eigenen Angaben allein im November ein Kreditvolumen von rund 223 Millionen Dollar über ihre Plattform vermittelt. Im Mai war der Suchmaschinengigant Google bei Lending Club eingestiegen. Zusammen mit weiteren Investoren investierte Google rund 125 Millionen Dollar in das Unternehmen. Das 2007 gegründete Lending Club wird seitdem auf mehr als 1,5 Milliarden Dollar bewertet. Ein Börsengang wird für das Jahr 2014 erwartet. In Deutschland haben Auxmoney und Smawa das Geschäftsmodell bereits kopiert.
Kreditnehmer bewerben sich
Die Unternehmen bieten Kreditnehmern die Möglichkeit, kleinere Darlehen von Privatanlegern zu erhalten. Dabei bewerben sich die Kreditnehmer auf dem Marktplatz um das Darlehen. Die Marktplatzbetreiber bewerten die Kreditwürdigkeit und legen die Verzinsung fest. Interessierte Anleger können in Teilbeträgen in den Kreditnehmer investieren. Kommt die Gesamtsumme zusammen, wird der Kredit über eine kooperierende Bank ausgezahlt. Zurückgezahlt werden die Kredite in monatlichen Raten.
Die Zusammenarbeit mit einer Bank ist in Deutschland vorgeschrieben. Mit welchem Geldinstitut Samwers Lendico zusammenarbeitet, teilte das Unternehmen auf Anfrage nicht mit.
Die Marktplatzbetreiber locken Kreditnehmer mit niedrigeren Zinsen als Banken, die bei Dispokrediten schon mal zehn bis zwölf Prozent Zinsen verlangen. Zugleich können hier auch Verbraucher Darlehen erhalten, die von normalen Banken keine oder nur schwer Kredite bekommen wie etwa Freiberufler.
„Eine neue Anlageklasse“
„Lendico wurde von Beginn an als die digitale Alternative zu Banken entwickelt“, sagte Lendico-Gründer und -Geschäftsführer Dominik Steinkühler. „Unser Marktplatz ist ein neuer Weg zum Kredit und eine neue Anlageklasse.“
Anleger werden gerade in den Niedrigzins-Zeiten mit hohen Renditen gelockt. Die Marktplätze selbst verdienen an Servicegebühren von Kreditnehmern und -gebern.
Lendico bietet nach eigenen Angaben Konsum- und Investitionskredite zwischen 1000 Euro und 25.000 Euro ab 2,99 Prozent Zinsen. „Aufgrund von Kostenvorteilen kann Lendico günstige Zinsen anbieten oder kleinere Kreditsummen vermitteln, die sich für Banken oft nicht lohnen“, sagte Steinkühler.
Die Bewerbung um eine Kredit sei kostenlos, Kreditnehmer zahlten bei Auszahlung des Darlehens eine Servicegebühr zwischen 0,5 und 4,5 Prozent der Summe.
Den Anlegern, die ab 25 Euro in ein Kreditprojekt investieren können, verspricht Lendico wiederum Renditen von bis zu zehn Prozent. Sie zahlen quasi als Gebühr an Lendico einen Teil der Zinsen.
In Echtzeit Kreditangebote bewerten
Bei der Bewertung der Kreditanträge setzt das Unternehmen auf einen Algorithmus, der in Echtzeit Kreditangebote bewerten kann. Dabei arbeitet Lendico mit der Schufa und der Deutschen Post zusammen. Ob auch der Kreditscoring-Dienstleister Kreditech, an dem die Samwers über ihren Privatfonds Global Founders Capital Anteile halten, beteiligt ist, blieb am Sonntag offen.
Das Ausfalls-Risiko tragen die Investoren, im schlimmsten Fall könnte es ein Totalverlust sein. Die Marktplätze werben allerdings damit, dass das Ausfallrisiko mit weniger als drei Prozent kaum höher ist als bei Banken.
Rocket Internet startet Lendico mit einer 50-köpfigen Besatzung. An der Spitze stehen neben Steinkühler Clemens Paschke, Philipp Petrescu und Christoph Samwer. Letzterer ist ein Cousin der Rocket-Gründer. Die in Luxemburg ansässige Lendico Holding plant eine schnelle globale Expansion und will in den kommenden Monaten in mehreren neuen Ländern starten. Zahlreiche Landesgesellschaften sind bereits angemeldet, darunter in Frankreich, Italien und Spanien, aber auch in Polen, Russland und der Türkei.
Rocket Internet machte am Sonntag keine Angaben dazu, wie viel in den Lendico-Start investiert wurde. Ob Rocket allein oder mit Partner Lendico anstößt, blieb ebenfalls offen.
Klar ist, dass Rocket Internet eine gefüllte Kriegskasse hat. Allein im ersten Halbjahr haben die Samwers eine halbe Milliarde Euro bei Investoren für bestehende und neue Start-ups eingesammelt. Alexander, Marc und Oliver Samwer haben während der vergangenen 15 Jahre mehr als 25 internationale Unternehmen aufgebaut und am Markt platziert.