Venture Capital

„Damit Erfindungen zu Produkten werden, braucht es Macher“

| Lesedauer: 8 Minuten

Foto: Reto Klar

AWD-Gründer Carsten Maschmeyer will weg vom Drückerkolonnen-Image. Also sammelt er Start-ups, auch in Berlin. Zudem plant Maschmeyer seine Investmentgesellschaft Alstin weiteren Investoren zu öffnen.

Carsten Maschmeyer ist als Gründer der Vermögensberatung AWD reich geworden. Über seine Investmentgesellschaft Alstin investiert Maschmeyer nach dem AWD-Verkauf in Start-ups. In Berlin ist der Multimillionär unter anderem an dem Chauffeurdienst-Vermittler Blacklane und dem Versender von Nahrungsergänzungsmitteln Nu3 beteiligt. Im Gespräch Jan Dams und Thomas Exner, erklärt Maschmeyer, worauf es ihm bei Start-ups ankommt.

Berliner Morgenpost: Herr Maschmeyer, wie haben Sie bisher den Tag verbracht?

Carsten Maschmeyer: Ich habe, als ich aufgewacht bin, ein paar interessante Ideen gehabt. Das ist meine kostbarste Zeit am Tag. Ich mache nicht einmal das Handy an. Erst bin ich mit meinen Gedanken allein. Danach habe ich mit meiner Liebe telefoniert, die heute etwas länger geschlafen hat als ich. Und dann habe ich mich um eine meiner Start-up-Firmen gekümmert.

Könnten Sie als einer der 100 reichsten Deutschen nicht ein entspannteres Leben haben, als Journalisten zu treffen und Firmengründer zu coachen?

Ich empfinde mein Leben nicht als angespannt. Ich verwirkliche mich. Das macht mir eine Riesenfreude. Ich habe keine „Ich muss“-Termine, sondern nur „Ich will“-Termine.

Na ja, so ganz ohne Verpflichtungen sind Ihre Investments ja nicht.

Deshalb setze ich Prioritäten. Unternehmer sein heißt etwas unternehmen. Meine Frau arbeitet auch, obwohl sie es nicht müsste. Sie hat auf bestimmte Rollen einfach Lust. So geht es mir als Berater und Investor auch.

Mal ehrlich: Mit dem AWD haben Sie eine Firma gegründet, die am Ende riesig war. Jetzt investieren Sie Ihr Geld in winzige Unternehmen. Warum backen Sie so kleine Brötchen?

Das sehen Sie falsch. Es sind auch Firmen dabei, die über 100 Millionen Euro schwer sind. Tatsächlich investiere ich in Potenziale. Meine erste Firma, die ich in den MDax geführt habe und die für 1,9 Milliarden Franken verkauft wurde, war am Anfang noch kleiner als die Start-ups, in die ich heute investiere.

Beim AWD waren Sie allein der Chef. Das sind Sie bei Ihren Beteiligungen nicht. Fällt Ihnen das nicht schwer?

Der AWD war nur so erfolgreich, weil wir als Team an einem Strang gezogen haben. Alleinherrscher sind out. Dazu bin ich schon von meinem Wesen ungeeignet. Jetzt stehe ich nicht mehr auf der Brücke eines Flugzeugträgers, sondern fahre auf 50 oder 60 Schnellbooten mit.

Schnellboote? Von außen sieht das, was Sie unter dem Namen Maschmeyer Group versammelt haben, wie ein buntes Sammelsurium aus.

Sehen Sie, es ist alles geordnet! (Zeigt auf eine Grafik) Es gibt drei Vehikel mit unterschiedlichen Investitionsschwerpunkten und für verschiedene Phasen, in denen sich die Firmen befinden. Die MIC investiert in Technologieunternehmen in der Frühphase. Da die MIC an der Börse gelistet ist, kann jeder Aktien an ihr erwerben. Dann haben wir die Paladin Asset Management, die mit einem langfristigen Ansatz in unterbewertete börsennotierte Unternehmen investiert. Das findet über einen von der Bafin regulierten Fonds statt, der auch außenstehenden Anlegern offen steht. Persönlich kümmere ich mich um die Alstin (Alternative Strategic Investment), die Wachstumsbeteiligungen in den Bereichen Internet und Medizintechnik eingeht. Auch Alstin wird sich demnächst für Dritte öffnen.

Nach der Vermögensverwaltung für Arme betreiben Sie nun eine Vermögensverwaltung für Superreiche?

Es war noch nie so schwer, Geld anzulegen und Vermögen zu bewahren wie heute. Wir haben eine Inflation bei Geldanlagen, insbesondere bei Immobilien oder Gold, und auch die Aktienkurse sind heiß gelaufen. Hinzu kommen historisch niedrige Zinsen. Deswegen gibt es einen Bedarf an alternativen Anlagen mit Potenzial für hohe Renditen. Ich glaube: Nur in Unternehmen, die wachsen, kann auch Geld wachsen.

Warum sollten ausgerechnet Sie die Perlen am Beteiligungsmarkt finden?

Die bisherigen Erfolge sprechen eine klare Sprache. Wer sich wie ich seit 35 Jahren mit dem Anlageverhalten der Menschen beschäftigt, der entwickelt ein gutes Näschen. Die wichtigste Erkenntnis dabei ist, dass es keine guten Unternehmen gibt, sondern nur gute Leute. Erfindungen entstehen in Köpfen. Damit sie zu Produkten werden, braucht es echte Macher. Für diese Persönlichkeiten habe ich einen Blick entwickelt. Erst kommen die Menschen, dann die Strategie, später die technische Bewertung.

Echte Erfolge können Sie aber nicht vorweisen.

Viele unserer Unternehmen sind auf dem richtigen Weg und zeigen enorme Wertsteigerungen: Cytotools ist von 20 Euro pro Aktie auf jetzt fast 30 Euro gestiegen, MagForce ist von 2,40 auf 5,20 Euro geklettert, und die Mifa hat sich von vier auf knapp sieben Euro entwickelt.

Ohne Ihr Näschen zu beleidigen: Sind die gestiegenen Aktienkurse nicht dem Umstand geschuldet, dass Sie mit dem Kauf großer Aktienpakete den Preis getrieben haben?

Wenn ich ein paar Millionen in ein Internet-Unternehmen in China investiere (88tc88), dann wird das überall gemeldet. Sehen Sie hier: Kursexplosion nach Maschmeyer-Einstieg. Man schreibt von einem „Maschmeyer-Effekt“.

Für Sie ist die Führungsmannschaft im Unternehmen besonders wichtig. Was für Typen müssen da ran?

Mir geht es um die Charaktere und den richtigen Mix. Ideal ist es, wenn in einem Dreiergespann beispielsweise einer der verrückte Kreative ist. Einer sollte operative Managementerfahrung mitbringen und einer muss strategisch denken können. Die sollten sich kongenial ergänzen. Auch will ich das Gefühl haben, die würden rund um die Uhr für ihr Geschäftsmodell leben, selbst wenn sie kein Geld bekämen.

Halten Sie Ihre berüchtigten AWD-Motivationsreden heute bei Ihren Beteiligungen?

Ich kann Menschen immer noch gut motivieren, aber anders als vor 20 Jahren. Es ist auch eine andere Zeit.

Sie sind ein Menschenfänger. Das hat Ihren Erfolg ausgemacht. Und jetzt sagen Sie uns, dass Sie diese Fähigkeit nicht mehr nutzen?

Meine große Stärke ist die Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen, ihnen Wertschätzung entgegenzubringen. Manchmal leide ich deshalb auch. Man kann nicht einfühlsam sein und selbst eine Elefantenhaut haben.

Warum wollen Sie sich mit Paladin und Alstin breiter öffnen? Schlechtestenfalls haben Sie wie beim AWD nur unzufriedene Anleger, die meckern, wenn die Rendite nicht reicht.

99 Prozent der AWD-Kunden waren zufrieden, und bei Paladin und Alstin streben wir 100 Prozent Zufriedenheit an. Wir wurden von vielen immer wieder gefragt, ob sie mitinvestieren können. Bisher waren das Gesellschaften für meine eigene Vermögensverwaltung. Wer nun als Dritter mitmacht, also Family Offices oder Großanleger, weiß, dass ich mit einer höheren Summe selbst dabei bin.

Sie haben gesagt, dass Sie nicht arbeiten, sondern sich selbst verwirklichen. Was treibt Sie an? Geld?

Da ich meine Berufung zum Beruf machen konnte, empfinde ich das nicht als Arbeit. Antrieb ist in erster Linie der Erfolg. Wenn sich der einstellt, geht das meist mit finanzieller Belohnung einher. Wer ein besserer Schauspieler ist, internationale Filme dreht, bekommt mehr Geld. Geld ist eine Folge von Erfolg, nicht umgekehrt.

Was wäre, wenn Ihr ganzes Geld auf einmal weg wäre?

Dann finge ich wieder von vorn an. Ganz klein. Ich würde wieder versuchen, schneller und besser zu sein als andere. Wenn Sie mich morgen enteignen, dann mache ich vielleicht eine Waschstraße in Kanada auf. Ich werde netter, günstiger und kreativer sein als die Konkurrenz. Und ich werde schnell merken, welchen zusätzlichen Service die Kunden wollen. Bald werde ich eine zweite Waschstraße aufmachen und die Mitarbeiter beteiligen.

Welches Jobangebot könnte Sie noch reizen?

Musiker könnte ich nicht und Schauspieler auch nicht. Obwohl das eine witzige Branche ist. Manager eines großen Fußballklubs. Das fände ich spannend.

Einen Fußballklub könnten Sie sich doch kaufen.

Etwas zu kaufen ist etwas ganz anderes als etwas zu managen und erfolgreich weiterzuentwickeln. Ich hätte bei einem Fußballklub am Machen Spaß. Jemand müsste kommen und fragen, ob ich Lust hätte. Das wird aber ein unerfüllter Traum bleiben.