Die Online-Parfümerie MyParfum musste im März Insolvenz melden. Nach harter Sanierung wagen die Brüder Matti und Yannis Niebelschütz nun den Neustart, der zugleich ein Abschied ist.
Wer sich in diesen Tagen mit Matti Niebelschütz unterhält, dem fällt vor allem das Wort „anders“ auf: „Wir machen jetzt alles anders“, sagt Niebelschütz immer wieder, wenn er über den Neustart seiner Online-Parfümerie MyParfum spricht. Und „anders als früher“ träumten er und sein Bruder Yannis nicht mehr den Start-up-Traum vom „Milliarden-Unternehmen“, sagt er: „Firma gründen, in zwei, drei Jahren skalieren, und dann für paar hundert Millionen verkaufen.“
Jetzt ginge es darum, „ein Familienunternehmen aufzubauen, das ich auch in 50 Jahren noch führen möchte. Und wenn der Umsatz sich nicht sprunghaft steigert, sondern von Jahr zu Jahr nur langsam wächst, dann ist das in Ordnung. Ja, das ist etwas ganz anderes als früher“.
Anders ist vor allem die Bescheidenheit. Im vergangenen Jahr hatte Niebelschütz noch das Parfum neu erfinden wollen. Binnen fünf Jahren. Der Menschheit versprach Niebelschütz noch im Dezember, ihr die duftende Einzigartigkeit zurückzugeben. Darunter ging es nicht. Technologieführer sei man schon, die weltweite Marktführerschaft schien nahe. Zumindest in den Pressemitteilungen.
Mit SevenVentures, dem Wagnisfinanzierer der TV-Gruppe ProSiebenSat.1, hatte Niebelschütz zudem einen Investor an Bord, der die für junge E-Commerce-Unternehmen so wichtigen Werbezeiten mitbrachte. Kundenzahlen in Millionen-Höhe war greifbar.
Nur eines von zehn Start-ups überlebt
Und dann reichte es, dass im letzten Weihnachtsgeschäft viel weniger Kunden als erwartet ihr eigenes Parfum selbst mischen wollten, dass der geplante Umsatz nicht kam – und MyParfum in die Zahlungsunfähigkeit rutschte.
„Die vier Jahre von der Gründung im ehemaligen Kinderzimmer bis hin zum Umzug ins 1000-Quadratmeter-Büro waren wie ein Märchen“, sagt Matti Niebelschütz heute. „Dann kam der Zusammenbruch.“
Insolvenz. Aus.
Nur eines von zehn Start-ups wird erfolgreich, haben Studien ergeben. Drei von vier Start-ups erleben nicht mal den Marktstart. Weil die Idee doch nicht so gut war, die Gründer der Mut verlässt, der Markt sich verändert, die Gründer Fehler machen.
MyParfum wurde Opfer der eigenen Erwartungen
Bei MyParfum war es der schnelle Wachstumskurs, den Niebelschütz dem Unternehmen nach dem erfolgreich verlaufenden Geschäftsjahr 2011 verordnet hatten. Binnen weniger Monate vervierfachte sich 2012 die Zahl der Mitarbeiter von 15 auf 60. Zugleich ist das Herstellen individualisierter Düfte aufwendig, Proben müssen gemischt und verschickt werden. Bis zum fertigen Produkt ist ein langer und teurer Weg, der sich dann auszahlt, wenn der Kunde den Duft wieder und wieder bestellt.
Die Kosten stiegen gewaltig, die trotz zahlreicher TV-Spots bis zuletzt erreichte Kundenzahl von 80.000 nahm sich dagegen im Vergleich zur Gesamtweltbevölkerungszahl dann aber doch bescheiden aus. Wie viele davon Dauerkunden wurden, ist nicht bekannt.
Noch im Dezember versuchte Niebelschütz, die Notbremse zu ziehen. Die ersten 13 Mitarbeiter mussten gehen, weitere 30 sollten folgen. Doch der Schrumpfkurs kam zu spät. Am 1. März musste Niebelschütz den Gang zum Insolvenzrichter antreten. „Da war das ein Gefühl, das jetzt alles vorbei ist, wirklich alles“, sagt Matti Niebelschütz.
Neuer Anlauf ohne Wagnisfinanzierer
Zusammen mit dem Insolvenzverwalter machte er sich daran, den Betrieb am laufen zu halten, die „Dinge zu ordnen“, wie er sagt, „dann wollte ich nur noch weg, eine Reise um Welt vielleicht, jedenfalls weg“.
Im Mai dann das Angebot, MyParfum zu übernehmen. „Und tatsächlich war auch die Lust wieder da, aus unserer Idee, die ja im kleinen funktioniert hatte, etwas zu machen.“ Matti Niebelschütz und sein Bruder Yannis, der das Unternehmen 2011 verlassen hatte, kaufen zum 1. Juni das Unternehmen aus der Insolvenz. Mit eigenen Mitteln – und ohne weiteren Investor.
„Wir haben uns gesagt, wir wagen den Neustart, lassen uns aber nicht mehr unter Druck setzen“, sagt Matti Niebelschütz: „Wenn ich eines gelernt habe, ist es, dass ich wieder wie ganz am Anfang mit unserem Produkt arbeiten will – und nicht nur noch an irgendwelchen Reportings für die Mitgesellschafter schreiben.“
Der offizielle Neustart ist für den 1. Juli geplant, zehn Mitarbeiter werden die Niebelschütz-Brüder beschäftigen.
Wenngleich Details des Neustarts noch offen sind, ein erstes sichtbares Zeichen des Anders-Seins gibt es: Chef Matti Niebelschütz trägt nicht mehr den in der Silicon-Valley-verliebten Gründerszene gebräuchlichen Titel Chief Executive Officer (CEO). „Ich bin Geschäftsführer.“