Berlin. Immer wieder bleiben vor dem Schaufenster des „Mimi“ Passanten stehen und blicken in das außergewöhnliche Innere. Im Fenster stehen wunderschöne kreisrunde Holzverpackungen, weiter hinten wölben sich Eichendauben großer Weinfässer, Balken tragen eine Handvoll 225-Liter-Barriquefässer in einer zweiten Ebene. Aber Wein gibt es hier nicht. Stattdessen Shoyu, wie Sojasoße in Japan heißt, Miso-Pasten und weitere spezielle fermentierte Produkte mit exotisch-fremden Namen wie Natto oder Tempeh.
In der japanischen Hauptstadt Tokyo wurde Markus Shimizu vor 40 Jahren geboren, der Vater war Ingenieur und hatte sich in eine Deutsche aus Trier verliebt. Die ersten acht Jahre seines Lebens verbrachte der asketisch wirkende, schlanke Mann in Japan, dann zog die Familie nach Den Haag um.
Als Teenager unter Allergien gelitten
Bereits im Teenageralter beschäftigte sich Markus Shimizu mit Fermentierungsprozessen von Mikroorganismen. „Ich litt als Jugendlicher unter Allergien. Als ich erfuhr, dass fermentierte Lebensmittel wie Miso viele allergische Reaktionen verringern oder sogar beseitigen können, begann ich autodidaktisch, mit Fermentierungsprozessen mit Hilfe von Mikroorganismen zu experimentieren“, erläutert Shimizu. Eine besondere Rolle kommt bei den weitverbreiteten fermentierten Nahrungsmitteln Japans dem Schimmelpilz Aspergillus oryzae zu. Der firmiert in Deutschland auch unter dem Namen Gießkannenschimmelpilz, in Japan unter dem Namen Koji. Mit seiner Hilfe fermentiert Soja beispielsweise zu Miso und Sojasoße.
Markus Shimizu experimentierte früh mit anderen Nahrungsmitteln wie Einkorn, Emmer, Buchweizen und erzielte geschmacklich überzeugende Pasten. Gleichzeitig begann er in Den Haag nach der Schule ein Kunststudium. Bald verband er künstlerische Aktivitäten mit Ernährungsthemen. So arbeitete er bei einem Imker im Amazonasgebiet, einem Wasserprojekt in Indien und Biogasanlagen in Japan; also bei Projekten, die über Kunst die Menschen zu respektvollem Umgang mit den Ressourcen der Natur zu animieren versuchten.
Kunst und Fermentierung
Im Herbst 2000 kam er über ein Erasmus-Stipendium an die Kunsthochschule Weißensee. Neben der Kunst experimentierte er weiter mit Fermentierung von Soja und Miso. Seine Mitstudierenden bestärkten ihn, in diesem Bereich weiterzuarbeiten, denn sie waren von den exotischen Geschmacksnuancen begeistert. Da der Kunstmarkt in Berlin „ein sehr, sehr schwieriges Feld ist“, und zudem Familiennachwuchs kam, überlegte er, wie sein Hobby zum Lebensunterhalt beitragen könnte. Vergangenes Jahr war es dann so weit und er mietete das Ladengeschäft an, in dem vorher ein kleiner Kuchenladen sein Glück versucht hatte. Mit Freunden und Bekannten baute Shimizu die etwa 90 Quadratmeter großen Räume um. Da die Bodenstatik nicht bekannt war, wurden vier Träger eingemauert, auf denen Holzbalken noch einmal sechs Fässer in zwei Metern Höhe halten. In denen setzt er Miso-Pasten und Sojasoßen an. Herzstück der Produktion ist die Küche.
Wenn Markus Shimizu zwischen riesigen Dämpfern und großen, himmelblauen Plastikeimern für die Grundprodukte zu Werke geht, kommt so etwas wie Zen ins Spiel. Still und konzentriert arbeitet Shimizu, mit reduzierten, fast zeremonienhaften Bewegungen geht er zu Werke. Wiegt italienischen Rundkorn-Bioreis. Genau acht Kilogramm müssen es sein. Dann wird der Reis bis zu zwanzig Mal gewaschen. „Das habe ich bei Sushi-Meister Sasaya im gleichnamigen Japan-Restaurant in Prenzlauer Berg gelernt“, erläutert Shimizu.
Für große Mengen steht ein 300-Liter-Dämpfer parat
Wenn der Reis fertig gewaschen und eine Stunde gewässert ist, kommt er in ein spezielles Leinentuch, dass in den 70-Liter-Dämpfer gehängt wird. Für größere Mengen steht ein 300-Liter-Dämpfer parat. Der gedämpfte Reis dient anschließend für verschiedene Miso-Produkte als Grundstoff. Als nächster Schritt wird er mit dem Koji-Schimmelpilz geimpft. Beim Reis wird dann die schimmelweiße Masse getrocknet und mit den Händen zerrieben. Anschließend rührt Markus Shimizu fermentierte Sojabohnen und Meersalz unter und füllt die Masse in die großen Barriques. Bis zu einem Jahr reift das Miso, das gilt auch für die aromatischen weißen, hellen und dunklen Sojasoßen. Als Flüssigkeit nutzt Shimizu Brandenburgisches Eiszeitwasser.
„Die Hauptarbeit bei dem Fermentierungsprozess übernehmen Mikroorganismen“, sagt Shimizu. So ganz kann das nicht stimmen, denn Shimizu arbeitet etwa 70 Stunden die Woche. Dabei ist das Geschäft nur drei Tage geöffnet. „Die Grundproduktion muss erst einmal komplett durch sein, dann wird es hoffentlich etwas ruhiger“, hofft er.
Seiner Kreativität sind bei den fermentierten Mixtouren wenig Grenzen gesetzt. So hat er eine fruchtige Rote-Bete-Miso aus den tiefroten Wurzelknollen, pilz-geimpftem Buchweizen und Meersalz hergestellt. „Die verkaufe ich sogar an Spitzenrestaurants wie Schwein oder Nobelhart & Schmutzig“, sagt Shimizu. Dort wird die exotisch-würzige Paste zu Lachs oder auf Salat serviert. 6,90 Euro kostet das 200-Gramm-Glas, die Sojasoßen gibt es in zwei Größen, 11,90 Euro kosten 250 ml. Ein stolzer Preis. Natürlich kann man alles bei „Mimi“ probieren. Zudem bietet Shimizu Soja- und Miso-Workshops an.
Mimi Ferments, Stephanstraße 24, Moabit, Tel. 0172-1409212, Di.–Do. 10–18 Uhr, www.mimiferments.com
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