Mampe war eine Institution. Der Kräuterlikör wurde bei der Lufthansa serviert und das Logo schmückte die Hertha-Trikos. Dann verschwand die Traditionsmarke. Einige Berliner haben sie wiederbelebt.

Karin Erb probiert gerne Unbekanntes. Außerdem hatte sie wenig Geld und suchte das billigste Getränk auf der Karte, als sie vor elf Jahren mit einem Freund in einer Neuköllner Kneipe saß. So kam Karin Erb zu ihrer ersten Mampe – und fand den herb-süßen Kräuterlikör, der damals längst das Image eines Urberliner Kultgetränks verloren hatte und in Lizenz von Berentzen destilliert wurde, „einfach super“.

Wenn die gebürtige Westfälin in den Wochen danach durch Berlin lief, fielen ihr an einigen Kneipen Mampe-Werbeschilder auf, vergilbt und offenbar nur noch da, weil man ihre Existenz vergessen hatte. Fragte sie nach, hieß es: „Was wollen Sie, Mampe? Der letzte Gast, der das getrunken hat, ist längst tot.“ Erbs Interesse wuchs. Sie begann zu recherchieren, ohne zu wissen, wohin sie die Suche führen würde. Noch heute wirkt die Medienpädagogin fast überrascht von den Ausmaßen ihres „Freizeitprojektes“, wie sie da steht in ihrem frisch bezogenen Mampemuseum an der Neuköllner Hertzbergstraße, das am 28. Mai eröffnet. Zeitzeugen aus den Jahren vor 1983, als Mampe an der Neuköllner Grenzallee hergestellt wurde, werden dabei sein, und Tom Inden-Lohmar. Der Werbefachmann hat mit Partner Frank Zächel das Label 2010 erworben. Seit 2012 produziert die Mampe Spirituosen GmbH in Sachsen-Anhalt. Sie unterstützen das private Museum.

Ein Kräuterschnaps gegen die Cholera

Was sie alle eint, ist die Leidenschaft für eine Legende, die genau das nicht mehr sein soll. Und er existiert bereits, der Nukleus einer neuen Szene: „Mampe gibt es nur in einzelnen Kneipen, aber sie hat schon eine Art Kultstatus“, sagt Erb. Bei Mampepartys in einer Karaoke-Bar in Friedrichshain werden originelle Likörkreationen serviert. Der Kegelclub Mampefreunde SO 36 trifft sich jede Woche.

In Erbs Museum hängt, zwischen Fotos und Devotionalien von Mampe-Gläsern über Werbeplakate und Originalflaschen bis hin zu Rezeptbüchern, goldgerahmt und in Öl der Preußische Sanitätsrat Carl Mampe. 1831 hatte dieser in Pommern einen Kräuterschnaps gegen die Cholera gemixt. Mehr als 130 Kräuter enthielt die Rezeptur, die das Rote Kreuz im ersten Weltkrieg Soldaten einflößte. Aus den medizinischen „Bitteren Tropfen“ entwickelten Mampes allerdings verfeindete Stiefbrüder Carl und Ferdinand Johann in zwei konkurrierenden Spirituosenfabriken eine viel schmackhaftere „Mampe Halb und Halb“, gemischt mit Bitterorange. Wer genau die Initialzündung hatte, sei trotz endloser Streitereien nie geklärt worden, sagt Karin Erb. Wirtschaftlichen Erfolg hatten beide Brüder. Vor allem der fruchtige Likörschnaps, den Bruder Carl Mampe ab 1894 in einer der bald modernsten Weinbrennereien Europas in Berlin produzierte, wurde in kürzester Zeit zu einer Weltmarke. 1904 wurde er auf der Weltausstellung in den USA prämiert, Exporte gingen bis zu Kaiser Haile Selassi nach Äthiopien.

„Mampe’s gute Stube“ am Berliner Kudamm

In mehreren deutschen Städten eröffneten „Mampe’s gute Stuben“, in der wohl berühmtesten am Kudamm schrieb Joseph Roth an seinem „Radetzky-Marsch“. Zu Mampes Spirituosen-Sortiment gehörten in den 30er-Jahren mehr als 70 Sorten. Mampe wurde auf Zeppelin-Flügen kredenzt, Jahrzehnte später gab es einen Lufthansa-Cocktail. Kennzeichen der Berliner Marke war ein weißer Elefant. Im Berliner Zoo hießen zwei Dickhäuter Carl und Mampe. Das Logo schmückte Ende der 70er-Jahre die Hertha-Trikots.

Trotzdem ging es bergab. „Mampe konnte sein Altherren-Image nicht abschütteln. Es hätte Produkte für jüngere Kunden gebraucht“, sagt Karin Erb. Dass 1983 nicht einmal die Lieferanten bezahlt werden konnten, hat ihr der Sohn von Eugen Jurthe, ehemals Ausbilder in der Weinbrennerei, erzählt. Wenige Tage ist es her, dass dieser im Museum erschien und ihr Fotoalben aus dem privaten Nachlass Jurthes vermachte. Die Zeitzeugengespräche begeistern Erb, auch weil sie spürt: „Es war eine Faszination, für diese Firma zu arbeiten, die jeder kannte, und wo es eine großen Zusammenhalt gab.“ Irgendwann meldete sich ein Steglitzer Paar, das Zeit seines Lebens die weißen Plastikelefanten gesammelt hatte, welche traditionell am Mampe-Flaschenhals baumelten. Auf dem Foto im Museum sitzt der Mann mit buschigem Backenbart neben seiner Frau in gediegenem Mobiliar, ein Mampe-Gläschen auf dem Tisch, daneben mehr als 1400 Mampe-Elefanten. Nun gehören sie dem Museum.

Auch jüngere Berliner trinken wieder Mampe

Den zwischenzeitlich eliminierten Elefanten haben Inden-Lohmar und Zächel als Logo wiederbelebt. Sogar ihre Kreuzberger Werbeagentur heißt nun Dschumbo – in Reminiszenz an das zweite geschäftliche Standbein und dessen „hohe Sympathiewerte bei den Mitarbeitern“, so Inden-Lohmar.

Dass jüngere Berliner wieder Mampe trinken, ist ein Erfolg. „Aber unsere Zielgruppe sind auch die älteren“, sagt der Geschäftsführer, der die Destillation am liebsten nach Neukölln zurückholen würde.

Mampemuseum , Hertzbergstraße 1, 12055 Berlin, Öffnungszeiten wie die Ahoj Souvenirmanufaktur nebenan: Do. bis Sbd. 14 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung (dann auch mit Führung). E-Mails an info@mampemuseum.de