Die Charité hat über Jahre Forschungsgelder nicht ausgegeben, sondern auf Sonderkonten geparkt. So sollen 40 Millionen Euro zusammengekommen sein. Viel Geld für die notorisch klamme Berliner Klinik.
Die Berliner Universitätsklinik Charité hat über Jahre Geld aus Forschungsprojekten nicht ausgegeben und auf Sonderkonten zurückgehalten. Inzwischen sollen rund 40 Millionen Euro zusammengekommen sein. Die Charité bestätigte dies auf Anfrage der Berliner Morgenpost und sprach von einem „zweistelligen Millionenbetrag“, die genaue Summe werde noch ermittelt.
Für die notorisch in Geldschwierigkeiten steckende Charité ist das ein großer Betrag. In den vergangenen Jahren, auch 2013, gelang dem Vorstand unter Karl Max Einhäupl gerade mal ein ausgeglichener Haushalt mit einer schwarzen Null. Aufgeflogen ist das diskrete Finanzpolster, weil Wirtschaftsprüfer bei ihren Kontrollen für den Jahresabschluss 2013 die Praxis beanstandet und auf eine Veränderung gedrungen hatten. In den Vorjahren war nicht aufgefallen, dass die Fakultät der Universitätsklinik das Geld gebunkert hatte. „Die hatten über Jahre eine parallele Buchführung ohne echte Kontrolle“, hieß es aus Kreisen des Aufsichtsrats, dem das Vorgehen des Charité-Vorstandes bis jetzt nicht bekannt war. Die für Mittwoch angekündigte Pressekonferenz zum Jahresabschluss 2013 wurde kurzfristig abgesagt.
Das Geld stammt aus den Pauschalen, die Drittmittelgeber wie die Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG) der Charité für die Verwaltungskosten von Forschungsprojekten bezahlen. Seit 2007 gibt es von der DFG für Verwaltung der Wissenschaftler 20 Prozent zu den eigentlichen Projektkosten hinzu. Das Volumen dieser Mittel an der Charité ist beträchtlich. Die Universitätsklinik rühmt sich, mehr Geld aus Industrie, Stiftungen oder öffentlichen Wissenschaftsförderorganisationen einzuwerben als jedes andere Universitätsklinikum in Deutschland. 2012 flossen aus diesen Quellen 154 Millionen Euro an die Charité, allein 35 Millionen von Bundesministerien und 42 Millionen von der DFG. Die Drittmittel ergänzen die knapp 190 Millionen Euro, die das Land Berlin der Charité für Forschung und Lehre jährlich überweist.
Charité spielt Vorgang herunter
Der Einspruch der Wirtschaftsprüfer schreckte den Aufsichtsrat unter Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) auf. „Ich und auch der Finanzausschuss der Charité haben den Vorstand deshalb beauftragt, Vorschläge zur Veränderung des Verfahrens zu erarbeiten. Das muss jetzt erfolgen“, sagte Scheeres. Die Charité selbst bemühte sich, den Vorgang herunterzuspielen. Es handele sich um eine über viele Jahre praktizierte Handhabung der Drittmittel, die in Hochschulen und Unikliniken nicht unüblich sei, sagte Sprecher Uwe Dolderer. Das Geld sei nicht verloren, sondern solle für „Forschung und Forschungsinfrastruktur“ eingesetzt werden.
Die Entdeckung der Charité-Praktiken im Umgang mit ihren Pauschalen fällt in eine brisante Phase politischer Diskussionen. Der Bundesrechnungshof bemängelt, dass keine aussagefähigen Daten darüber vorlägen, wie diese finanziellen Pauschalen bemessen werden oder wie hoch die indirekten Projektausgaben seien. Das Bundesforschungsministerium müsse belegen, dass „allein die DFG-Forschungsprojekte die Infrastrukturkosten der Hochschulen erhöhen“, heißt es im Jahresbericht 2013. Haushaltspolitiker reagieren alarmiert auf die Information, es gebe im deutschen Hochschulsystem Geld aus den Kassen des Bundes, das nicht für den vorgesehenen Zweck ausgegeben wurde und nun nach Gutdünken der Hochschulen verwendet wird. „Ich werde dafür sorgen, dass das Ganze im Haushaltsausschuss des Bundestages geprüft wird“, sagte der Spandauer Bundestagsabgeordnete Swen Schulz (SPD).