Berlins Uni-Klinikum

Warum die Charité finanziell am Limit ist

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Foto: Paul Zinken / dpa

Durch drastische Einsparungen hat das Universitätsklinikum die roten Zahlen verlassen. Doch die Grenze der Belastbarkeit scheint erreicht.

Die Führungsspitze der Berliner Charité beklagt einen enormen Finanzdruck und rechnet für dieses Jahr nicht mehr mit einem Gewinn. „Wir streben einen Abschluss plus/minus null an, und das ist schon ein ehrgeiziges Ziel“, sagte Finanzvorstand Matthias Scheller am Sonnabend. Die Grenze der Belastbarkeit sei für Europas größtes Universitätsklinikum erreicht – und an einigen Stellen bereits überschritten.

Bettenhochhaus-Sanierung kostet Millionen

Gründe für die vorsichtige Kalkulation seien hohe Kosten für große Baumaßnahmen wie die Sanierung des Bettenhochhauses und ein weiterer vorgeschriebener Abbau von 80 Betten. Somit verdiene, wie berichtet, die Klinik weniger Geld. Hauptgrund aber seien erheblich niedrigere Erstattungssätze für medizinische Leistungen im finanzschwachen Berlin – im Vergleich zu anderen Bundesländern. „Würde die Charité in Mainz stehen, hätten wir 44 Millionen Euro pro Jahr mehr“, sagte Charité-Chef Karl Max Einhäupl. Die Charité war wegen großer Defizite in den Jahren 2008 (minus 56,6 Millionen Euro), 2009 (minus 19,2 Millionen Euro) und 2010 (minus 17,8 Millionen Euro) ins Visier des Finanzsenators geraten. In einem harten Sparkurs besetzte die Klinik seit 2008 unter anderem mehr als 1000 Vollzeitstellen nicht neu. Betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen.

Darüber hinaus wurden Abteilungen im Zuschnitt verändert und Einkäufe optimiert. Im Ergebnis machte die Charité wieder sichtbare Gewinne (2011: 8,2 Millionen Euro). Allerdings arbeitet sie in der Personalausstattung nun am Limit. Große unvorhersehbare Ausgaben könne sie kaum noch stemmen, sagte Einhäupl.

Finanzielle Situation sorgt für Unsicherheit

Die finanzielle Situation des Klinikums mache ihm manchmal Angst, bekannte Finanzexperte Scheller. „Denn ich sehe keinen Weg, das aufzulösen.“ Eine Kehrtwende sei nur durch ein Umdenken in der Bundespolitik möglich – mit der Entscheidung, Kliniken künftig besser zu finanzieren. Die Charité werbe bereits 154 Millionen Euro an Sponsorengeldern aus Wissenschaft und Industrie selbst ein, um rund 2300 Stellen in Lehre und Forschung finanzieren zu können, sagte Einhäupl. Insgesamt beschäftigt die Uni-Klinik rund 13.000 Mitarbeiter.

330 Millionen Euro stehen ihr zurzeit für Baumaßnahmen zur Verfügung, darunter 86 Millionen Euro für die jüngst eröffnete Vorklinik am Standort Mitte, 185 Millionen Euro für die Sanierung des Bettenhochhauses und 60 Millionen Euro für kleinere Sanierungs- und Verbesserungsmaßnahmen wie zum Beispiel eine Notstromversorgung. „Das Geld reicht nur, wenn uns nichts Wesentliches kaputtgeht“, sagte Einhäupl. Insgesamt geht die Klinik von einem Sanierungsstau in Höhe von mehr als 600 Millionen Euro aus.

Charité-Chef Einhäupl sagt Kliniksterben voraus

Einhäupl beklagt seit Langem die schleichende Erosion gerade hoch spezialisierter Universitätskliniken unter dem Kostendruck des Gesundheitssystems. Der Professor sagt für die kommenden Jahre ein Kliniksterben in Deutschland voraus, wenn am Finanzierungssystem nichts geändert werde. So exzellent die Charité in der Forschung und Spitzenmedizin auch ist, so groß sind die Klagen von Patienten und Mitarbeitern über Engpässe in Pflege und normaler Krankenbetreuung des Traditionshauses in Mitte.

Einhäupl wirbt schon lange darum, der Senat möge der Charité jährlich Geld für Investitionen geben, um zu verhindern, dass sich die Probleme wie im Fall des völlig heruntergekommenen Bettenhochhauses zu einem riesigen Investitionsstau ballen. Andere Universitätskliniken in Deutschland würden von ihren jeweiligen Landesregierungen so behandelt, sagt Einhäupl.

Krankenhausküche muss wegen Dreck im Essen geschlossen werden

Die Vernachlässigung der Charité ging so weit, dass das Gesundheitsamt die Krankenhausküche an der Luisenstraße schließen musste, nachdem Dreck aus den vielen Ritzen ins Essen gefallen war. Hier streitet der Vorstand Seite an Seite mit den Arbeitnehmern. Es könne nicht sein, dass der Senat erwarte, die Charité solle das Geld für diese Investitionen selbst erwirtschaften, kritisiert der Personalrat des Klinikums. Rückenwind für seine Forderung nach auskömmlicher Finanzierung erhält Charité-Chef Einhäupl von der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) und der Landesvertretung des Ersatzkassenverbandes (vdek). Im Doppelhaushalt 2014/15 müssten die nötigen Investitionen berücksichtigt werden, forderten jetzt die beiden Gesellschaften. Bislang gebe das Land jährlich effektiv nur 60 Millionen Euro, denn die restlichen 34 von insgesamt rund 94 Millionen Euro würden zur Zahlung von Altinvestitionen eingesetzt.

Vom Entgegenkommen des Landes wird es abhängen, ob Einhäupl seinen bis August 2013 laufenden Vertrag verlängert. Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD), die Aufsichtsratschefin der Universitätsklinik, will Einhäupl als Charité-Chef halten. Die Gespräche über die Verlängerung haben aber offiziell noch nicht begonnen.

( dpa/-ker )