Berlin. Nach dem schweren Radunfall am Montag auf der Bundesallee in Wilmersdorf ist die Fahrradfahrerin am Donnerstagabend im Krankenhaus gestorben. Das teilten die Staatsanwaltschaft und die Polizei Berlin mit. Die Polizei hatte bereits am Donnerstag mitgeteilt, die 44-Jährige sei gestorben, korrigierte sich aber später, sie sei als hirntot erklärt worden.
Die Radfahrerin war an der Bundesallee Richtung Kurfürstendamm von einem Betonmischer überrollt und eingeklemmt worden. Dabei trug sie so schwere Verletzungen davon, dass nun der Hirntod festgestellt wurde. Davon erholen sich nach bisherigen Erkenntnissen Betroffene nicht - unabhängig davon, welche Maßnahmen Mediziner ergreifen.
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) bekundete am Freitag ihre Trauer. „In diesem Moment sind unsere Gedanken bei der Verstorbenen, bei ihrer Familie, ihren Freundinnen und Freunden. Alles andere tritt in diesem Augenblick zurück“, teilte sie bei Twitter mit. „Es bleibt die Aufgabe der Polizei und der Gerichte, die Umstände ihres Todes rasch und sorgfältig aufzuklären.“
Nach Messerattacke auf Lkw-Fahrer: Verdächtiger festgenommen
Zudem gab es im Fall der Messerattacke auf den Lkw-Fahrer eine Festnahme. Als der nach dem Unfall ausstieg, um nach der Frau zu sehen, wurde er von einem Mann attackiert und niedergestochen, wobei der 64-Jährige schwere Verletzungen erlitt.
Am Mittwochabend gegen 20.30 Uhr fanden Polizeibeamte des Abschnitts 26 den mutmaßlichen Täter auf der Bundesallee. Laut aktuellem Sachstand handelt es sich bei dem Angreifer um einen 48-Jährigen. Es soll sich bei ihm um einen Obdachlosen handeln. Die Besatzung eines Einsatzwagen nahm ihn fest.
Der 48-Jährige wurde inzwischen in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht, wie die Staatsanwaltschaft der dpa auf Nachfrage mitteilte. Laut Polizei gibt es Hinweise auf eine psychische Erkrankung bei dem 48-Jährigen aus dem Obdachlosen-Milieu.
Autokamera filmt Tat zufällig – Opfer erlitt schwere Verletzung
Für die Ermittlung des mutmaßlichen Täters hatten Polizeibeamte die Aufnahmen eines zufällig vorbeifahrenden Teslas herangezogen. Die Autokamera filmte demnach die Tat und half damit bei der Identifizierung des Verdächtigen.
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Für Diskussionen und heftige Kritik hatte in dem Zusammenhang eine Aktion der Klimaaktivisten der "Letzten Generation" geführt. Zwei von ihnen hatten die A100 blockiert. Dadurch blieb ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr zum Anheben schwerer Lasten im Stau stecken. Die Helfer befreiten die Radfahrerin dann auf anderem Weg.
Die Feuerwehr geht davon aus, dass sich die Rettung der Frau um mehrere Minuten verzögert hat, weil das Spezialfahrzeug im Stau stand. Allerdings räumte ein Feuerwehrsprecher ein, auch die Bildung einer Rettungsgasse sei am vergangenen angesichts der Größe des Fahrzeugs problematisch gewesen.
Die Polizei ermittelt gegen zwei 63 und 59 Jahre alte Klimaaktivisten wegen unterlassener Hilfeleistung beziehungsweise der Behinderung hilfeleistender Personen. Es müsse - auch mit Sachverständigen - der kausale Zusammenhang zu den Blockaden geprüft werden, heißt es von der Polizei.
Inzwischen gibt es aber Zweifel, ob die Aktion der "Letzten Generation" wirklich Einfluss auf die Rettung der 44-Jährigen gehabt habe. Wie die "Süddeutsche Zeitung" am Freitag berichtete, war das nicht der Fall. Dabei bezieht sich der Bericht auf einen internen Vermerk der Berliner Feuerwehr. Darin soll es heißen: Das Unfallopfer, das "bei Eintreffen unter dem mittleren Reifen des Lasters mit einem Bein eingeklemmt" war, sei an Ort und Stelle von einer Notärztin versorgt worden. Diese sei nicht durch den Stau gehindert worden. Während das Spezialfahrzeug der Feuerwehr, der den Betonmischer hätte anheben können, noch im Stau steckte, habe die Notärztin entschieden, darauf zu verzichten.
"Ein Anheben wurde kurz erwogen, hätte aber wohl länger gedauert wie auch die medizinische Situation verschlechtert", zitiert der Bericht die behandelnde Notärztin aus dem Vermerk. Deshalb habe man entschieden, dass sich der Betonmischer aus eigener Motorkraft bewegen soll. „Selbst wenn mit Rüstwagen oder Kran andere technische Möglichkeiten zur Verfügung gestanden war dies die richtige Vorgehensweise."
"Letzte Generation": Politiker kritisieren Aktionen
Dessen ungeachtet haben sich zahlreiche Politiker von der "Letzten Generation" distanziert und ihre Aktionen verurteilt.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte unterdessen ein entschiedenes Vorgehen: „Wenn Straftaten begangen werden und andere Menschen gefährdet werden, ist jede Grenze legitimen Protests überschritten“, sagte Faeser am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „All das hat mit einer demokratischen Auseinandersetzung überhaupt nichts zu tun. Die Straftäter müssen schnell und konsequent verfolgt werden.“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält die umstrittenen Aktionen für nicht zielführend im Kampf gegen den Klimawandel. „Die Frage ist, ob das, was wir auch sehen in diesen Tagen, dass kostbare Gemälde mit Lebensmitteln beworfen werden oder Menschen sich auf der Straße festkleben, dem Klimaziel wirklich weiterhilft“, sagte Steinmeier bei einem Besuch in Kyoto. „Ich befürchte, dass es die breite gesellschaftliche Unterstützung für mehr und entschiedeneren Klimaschutz eher in Frage stellt beziehungsweise uns die Chance raubt, diese Unterstützung noch größer werden zu lassen.“ Auch interessant: Habeck kritisiert „Protestformen, die Menschen gefährden“
"Nun steht die Mitverantwortung der Klima-Randalierer für ein Menschenleben zur Debatte", sagte Berlins Landeschef der Deutschen Polizei-Gewerkschaft, Bodo Pfalzgraf. "So sieht Radikalisierung aus."
GdP fordert, Verbot der "Letzten Generation" zu prüfen
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte, juristisch ein Verbot der Klima-Protestgruppe „Letzte Generation“ zu prüfen. Angesichts des Unfalls der Radfahrerin in Berlin müsse schnell geklärt werden, wie lange sich der Rechtsstaat noch nötigen lassen wolle, sagte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke. „Der Protest der Aktivisten läuft zusehends aus dem Ruder. Wir finden, es reicht.“
Aktivisten der „Letzten Generation“ hatten sich nach dem Unfall der Radfahrerin bestürzt gezeigt. Sie hoffe inständig, dass sich ihr Gesundheitszustand durch die Verspätung des Spezialwagens nicht verschlimmert habe, hieß es. Zunächst sah es aber danach aus, dass die Gruppe bei ihrer Linie bleiben würde. Auf die Frage, ob die Grenze zum Aufhören erreicht wäre, wenn ein Mensch infolge von Aktionen ums Leben komme, hatte Gruppenmitglied Lars Werner der Nachrichtenagentur dpa geantwortet: „Wir werden unseren Protest erst ruhen lassen, wenn die Regierung ihrer verfassungsmäßigen Pflicht nachkommt, unsere Lebensgrundlagen und uns zu schützen, oder wenn wir darin scheitern, unseren Mitmenschen gegenüber weiterhin friedlich zu begegnen und diszipliniert gewaltlos zu bleiben.“
Am Donnerstag, nach Bekanntwerden des Hirntods der Radfahrerin, twitterten die Aktivisten: "Dass die Radfahrerin, die am Montag in Berlin bei einem Unfall von einem Betonmischer verletzt wurde, nun für hirntot erklärt wurde, trifft uns tief. Wir wünschen den Angehörigen viel Kraft."
44 Minuten später setzten sie ihren Twitter-Thread fort: "Wir unterbrechen den Alltag, weil wir uns in einem Notfall befinden. Der Kurs der Regierung ist todbringend, selbstzerstörerisch und führt uns ins Klimachaos. Friedlicher Widerstand gibt uns die größte Chance, die nötigen Veränderungen in der geringen Zeit noch zu erreichen."
Aktivist Henning Jeschke sagte dem "Spiegel": "Wir hören viele Informationen bis hin zu Unwahrheiten, die von großen Medien verbreitet werden. Wir sollten uns an sichere Fakten halten, wie auch in der Klimakatastrophe." Und weiter: "Wir fordern die Medien auf, die Realität als solche darzustellen, ohne aufzuwiegeln.«
Jeschke hält an den Aktionen trotz des Todes der Frau fest: "Solange unsere höchsten politischen Organe unsere gemeinsame Verfassung mit Ansage brechen, da sie unsere Lebensgrundlagen zerstören, solange werden wir friedlichen Widerstand leisten."
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