Seit drei Jahren bildet das Unternehmen City Clean in Berlin Kaufleute aus. Derzeit beschäftigt die Firma fünf Auszubildende; eine von ihnen hat zuvor einen guten mittleren Schulabschluss absolviert. Ferner lernen hier ein Studienabbrecher, ein Umschüler und zwei Abiturienten.
Die beiden Azubis, die jährlich neu eingestellt werden, haben es richtig gut: Sie durchlaufen alle Fachabteilungen: von der trubeligen Akquise bis zur ruhigeren Buchhaltung. Sie arbeiten im Lager und schnuppern in das Controlling. Am Ende der Ausbildung winkt eine Festanstellung im Betrieb.
Vor allem werden die jungen Leute auch in fachfremden Disziplinen geschult, etwa darin, wie man sich selbst oder die Produkte präsentiert. „Oft wissen die jungen Leute noch gar nicht, wo ihre Neigungen, Stärken und Schwächen liegen – und wo sie genau hinwollen“, sagt Alice Sbrzesny-Arndt, Ausbildungsleiterin im Betrieb. „Doch eines sollten sie wissen: dass sie irgendwo hinwollen.“
50 Anwärter auf zwei Plätze
Und das scheint häufig ein Problem zu sein. So landen pro Auszubildendenstelle zwar rund 50 Bewerbungen auf Alice Sbrzesny-Arndts Schreibtisch. „Das klingt erst einmal viel“, sagt die Ausbildungsleiterin, am Ende sei es dennoch ein Kraftakt gewesen die beiden Plätze zu besetzen.“
Oft mangelt es bei den Bewerbern an einfachen Grundkenntnissen in Mathe, Deutsch, Allgemeinbildung – oder an der Motivation, pünktlich zum Vorstellungsgespräch zu erscheinen. In diesem Jahr ist ihnen eine der beiden Auszubildenden abgesprungen, so dass wieder kurzfristig ein Ausbildungsplatz frei geworden ist.
Nach der Aus- und Weiterbildungsumfrage der IHK haben im vergangenen Jahr 34 Prozent der Ausbildungsbetriebe nicht für alle angebotenen Ausbildungsplätze Personal finden können.
Betriebe suchen Azubis
Auch in diesem Jahr tun sich viele Unternehmen schwer, ihre Stellen zu besetzen: Derzeit stehen in Berlin – Stand August – 6538 unversorgte Bewerber 4182 freien Ausbildungsplätzen gegenüber.
Das sind 17 Prozent mehr offene Stellen gegenüber dem Vorjahr, aber nur zwei Prozent mehr Bewerber als im Jahr 2013. In einigen Bereichen ist die Nachfrage nach Stellen höher als das Angebot: Wer auf eine einfache Tätigkeiten in der Gastronomie aus ist, auf einen Ausbildungsplatz in der Metallerzeugung und Metallverarbeitung oder wer bei Textil- und Lederberufen unterkommen möchte, der sollte sich besser umorientieren.
Das gleiche gilt auch für Ausbildungen in der Kunststoffherstellung, für Gartenbauberufe und die Floristik. Das Ausbildungsjahr hat zwar schon begonnen, doch springen immer wieder Anwärter ab. Angehende Kaufleute, die bisher leer ausgingen, dürften daher keine Schwierigkeiten haben, auch kurzfristig noch einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Immer noch werden Kaufleute gesucht, etwa für Bürokommunikation, für Groß- und Außenhandel sowie für den Einzelhandel.
Köche werden gesucht
Auch die Dienstleistungsbranche bietet noch viele Möglichkeiten in nahezu allen Bereichen. Besonders gefragt sind – nicht zuletzt wegen des Tourismusbooms in der Hauptstadt – Köche und Hotelfachleute, vor allem im oberen Management.
Neben dem Gastgewerbe erlebt auch die Informationstechnologie einen Aufwind. Daher fehlen noch Auszubildende bei den Fachinformatikern und Fachkräfte für Verkehr und Logistik. Auch Stellen für Elektroingenieure sowie Mechatroniker und Automatisierungstechniker sind noch zu haben.
In der Energietechnik, in der Elektrotechnik sowie im Rechnungswesen und im Controlling besteht ebenfalls noch Bedarf, sowie bei Fachkräften für Schutzsicherheit. „Selbst in Berufen, die sehr beliebt sind, wie Veranstaltungstechniker und Mediengestalter sind derzeit immer noch Ausbildungsplätze zu besetzen“, sagt Sandra Trommsdorf von der IHK.
Flexibel bleiben
„Viele Berufsausbildungsstellen bleiben unbesetzt, weil der Berufswunsch nicht immer deckungsgleich mit dem aktuellen Angebot an Ausbildungsplätzen in einem bestimmten Berufsfeld ist“, sagt Dennis Hoffmann, Sprecher der Bundesanstalt für Arbeit in Berlin. „Die Chancen auf einen Ausbildungsplatz erhöhen sich somit für all diejenigen, die flexibel sind und auch Berufsbilder links und rechts vom Wunschberuf suchen.“
Das Beliebtheitsranking der Agentur für Arbeit zeigt, dass etwa 13 Prozent aller weiblichen Schulabgänger an einer Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten interessiert sind – mehr als Bedarf da ist. Bei den Jungen rangierten kaufmännische Berufe weit oben auf ihrer Top-10-Wunschliste.
„Viele Betriebe nehmen sehr gerne Abiturienten“, sagt Sandra Trommsdorf. Bei denen ist das Studium allerdings immer noch die erste Wahl. „Dass eine duale Ausbildung sehr gute Karrierechancen mit sich bringt, haben die meisten nicht auf dem Schirm“, sagt die IHK-Mitarbeiterin. „Viele denken erst dann an eine duale Ausbildung, wenn es mit dem Studienplatz nicht klappt.“
Dabei sei die Akademisierung für den Arbeitsplatz fatal. Eine Prognose für 2014 geht davon aus, dass in Berlin 64.000 beruflich qualifizierte Kräfte fehlen, gegenüber rund 12.200 Akademikern. Die Gründe für die vielen frei gebliebenen Stellen sind vielfältig. „Viele junge Menschen wissen noch gar nicht so genau, welchen Beruf sie ergreifen möchten“, sagt die Beraterin. Zudem gibt es Berufe, die bei den Absolventen gar nicht bekannt sind.
Unbekannte Jobs
Auch die Berater der Arbeitsagenturen sind nicht immer auf dem Laufenden. Erst kürzlich hatte ein Unternehmen noch einen Auszubildenden zur Fachkraft Rohr-, Kanal- und Industrieservice gesucht. Nur die wenigsten wissen, dass diese Leute nicht nur in der Abwasserwirtschaft arbeiten und für die Reinigung von Kanalsystemen zuständig sind, sondern auch bei Industriereinigungsbetrieben und in der Abfallwirtschaft beschäftigt sind.
„Auch der Beruf des Feinoptikers ist nicht einfach zu kommunizieren“, sagt Trommsdorf und weist sogleich darauf hin, dass das Unternehmen Berliner Glas ebenfalls über Bewerbermangel klagt. „Die Jugendlichen interessieren sich immer für dieselben zehn Berufe, die sie kennen.“ Dabei wird in Berlin in mehr als 300 verschiedenen Berufen ausgebildet.