Jeder vierte Mittelständler in Berlin will laut einer Umfrage in den kommenden Monaten neue Mitarbeiter einstellen. Die Unternehmen tragen damit dem Aufschwung Rechnung.

Berlins kleine und mittlere Unternehmen blicken voll trotz Euro-Krise zuversichtlich in die zweite Jahreshälfte. Das geht aus einer gemeinsamen Umfrage der Auskunftei Creditreform und der Investitionsbank Berlin (IBB) hervor. Umsätze und Arbeitskräftebedarf sind gestiegen. Trotzdem planen nur rund ein Viertel der Unternehmen Neueinstellungen. Der Aufschwung in Berlin verlaufe „äußerst robust“, sagte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke). „Wir haben die Trendwende im Strukturwandel geschafft.“

Das Bruttoinlandsprodukt des Landes Berlin werde dieses Jahr deutlich zulegen, um 3,0 gegenüber 2,7 Prozent im Vorjahr, fügte Wolf hinzu. Die gute Konjunktur der Berliner Wirtschaft werde auch zum Abbau der nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit in der Hauptstadt beitragen. „Ich hoffe, dass die Arbeitslosenquote in der nächsten Legislaturperiode auf unter zehn Prozent sinkt“, sagte der Senator. Das sei allerdings ein ambitioniertes Ziel. Gleichzeitig verwies Wolf darauf, dass auf das ungebrochene Stellenwachstum in der Stadt.

So seien im Jahresvergleich 30.000 Jobs hinzugekommen. Die Arbeitslosenquote sinke deswegen nicht signifikant, weil zahlreiche Menschen aus dem Umland nach Berlin zum Arbeiten pendeln. Wolf bezifferte ihre Zahl auf rund 100.000. Zudem würden Unternehmen, die sich hier ansiedelten, oft Mitarbeiter mit in die Stadt bringen. „Wichtig ist, das Berlin, anders als die Ostländer, nicht schrumpft“, sagte Wolf. Im Juni 2011 waren in Berlin nach Angaben der Arbeitsagentur rund 230.000 Arbeitslose gemeldet. Das entspricht einer Quote von 13,3 Prozent.

Mehr als zwei Drittel der Berliner Unternehmen (67,7 Prozent) wollen der Untersuchung zufolge in diesem Jahr die Zahl der Beschäftigten beibehalten. Jeder vierte Betrieb (25,1 Prozent) plant die Zahl der Mitarbeiter zu erhöhen. Sechs Prozent der mehr als 1000 Befragten will Stellen abbauen. Damit liegen Berlins Unternehmen auf Bundesniveau. In einer deutschlandweiten Umfrage hatte Creditreform erhoben, dass 25,1 Prozent der Betriebe ihre Belegschaft aufstocken wollen, 68,5 Prozent wollen das Niveau halten und 4,7 planen Stellenabbau.

Im Frühjahr dieses Jahres waren in 28,5 Prozent der Firmen mehr Mitarbeiter beschäftigt als ein Jahr zuvor. Fast jedes zehnte Unternehmen (9,7 Prozent) hat Stellen abgebaut. Die Mehrheit der Betriebe (60,6 Prozent) hat die Zahl der Beschäftigten auf Vorjahresniveau gehalten. Die Hälfte der Unternehmen rechnet nach der Umfrage in den kommenden Monaten mit wachsenden Umsätzen. Nur 8,8 Prozent gehen von niedrigeren Umsätzen aus. Im Vorjahr hatten noch 13,7 Prozent mit einem Umsatzrückgang gerechnet.

Berliner "Wirtschaftsboom"

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres hatte jedes zweite Unternehmen höhere Umsätze als im Vorjahr erwirtschaftet. Umsatzrückgänge mussten 14,4 Prozent der Betriebe hinnehmen. Der Handel profitierte „überdurchschnittlich stark“ vom „Wirtschaftsboom“ in Berlin. So haben 54,6 Prozent der Handelsfirmen ihren Umsatz im Vergleich zum vergangenen Jahr ausgeweitet.

Wolf bewertete den Bericht insgesamt als positiv. Die Aussichten der Berliner Wirtschaft für die zweite Jahreshälfte seien gut, wenn nicht weltwirtschaftliche Verwerfungen den Aufschwung untergraben würden. Die aktuelle Euro-Krise sei eine sehr ernsthafte Situation, ergänzte der Senator. Sie würde sich zurzeit aber nicht negativ auf die Realwirtschaft auswirken.

Besonderes Augenmerk richtet die Studie auf die finanzielle Situation der Unternehmen. Berlins Wirtschaft wird von kleinen und jungen Unternehmen geprägt. Vor allem letztere haben mitunter Probleme, sich ausreichend zu finanzieren. In der Umfrage gaben knapp 32 Prozent der Firmen, die jünger als zwei Jahre waren, an, die Ablehnung eines Kreditantrags zu fürchten. „Hausbanken sind infolge der Finanzkrise rigider und verlangen mehr Sicherheiten“, sagte IBB-Chef Ulrich Kissing. Seine Förderbank will daher neue Angebote für diese Unternehmen machen. So ist unter anderem daran gedacht, einen Fonds mit Mitteln der EU aufzulegen, um Gründern mit hohem Kapitalbedarf unter die Arme zu greifen.

Harald Wolf betonte die Erholung der Berliner Industrie, die sich in der Studie ebenfalls spiegelt. Im Vergleich zu Hamburg und Bremen haben Berlins Fertigungsbetriebe in den vergangenen Jahren aufgeholt. Bei der Bruttowertschöpfung liegt Berlin nur noch drei Prozent hinter Bremen und 12 Prozent hinter Hamburg. Anfang der 90er-Jahre betrug der Rückstand noch 32 Prozent (Bremen) beziehungsweise 53 Prozent (Hamburg). Weitere Impulse für die Industrie der Hauptstadt erhofft sich Wolf durch die Nachnutzung des Flughafens Tegel, wenn dieser 2012 schließt. Auf dem Gelände sollen sich Unternehmen und Forschungseinrichtungen ansiedeln. In dem Zusammenhang sagte Wolf, man solle die Pläne der TU Berlin, nach Tegel umzuziehen, „ernsthaft untersuchen“. Betonte aber auch: „Berlin allein ist nicht in der Lage, dies finanziell zu stemmen.“