Der Rechtsvertreter der Deutschen Bank ist ungehalten. „Dann führen Sie doch den Prozess“, sagt er, an den Anwalt des Klägers gerichtet. Veräppeln könne er sich auch selbst. Die Deutsche Bank sei durchaus bereit, etwas mehr als die allen Anlegern gebotenen 60 Prozent des Einsatzes zu erstatten, aber die verlangten 100 Prozent plus Zinsen hätten mit einem Vergleich nichts zu tun, sie seien ein reines „Showangebot“. Damit war die gütliche Einigung, die der Richter angeregt hatte, nach knapp einer Stunde Verhandlung in Raum 114 des Frankfurter Landgerichts vom Tisch und die bundesweite Klagewelle im Streit über den gescheiterten Riesenradfonds gestartet.
In Frankfurt/Main klagt ein Ehepaar aus Norddeutschland. Im Herbst 2006 hatte ein Kundenberater der Deutschen Bank ein ganz besonderes Angebot für sie: einen geschlossenen Fonds, mit dem sich Sparer an Riesenrädern in Berlin, Peking und Orlando beteiligen konnten. Eine „Eigenkapitalrendite von mindestens zehn Prozent vor Steuern pro Jahr“ sollten die Touristenattraktionen bringen, die auf Durchmesser von bis zu 175 Metern kommen sollten, versprach die Fondsinitiatorin, die ABN-Amro-Tochter DBM Fondsinvest.
Das Ehepaar investierte jeweils 15.000 Euro in das Produkt. Doch von der versprochenen Rendite haben die beiden genauso wenig wie die anderen rund 9000 Fondszeichner je etwas gesehen, kein einziges der Räder wurde jemals gebaut. Jetzt wollen sie die 30.000 Euro plus Zinsen zurück – von der Deutschen Bank und DBM Fondsinvest. Sie gehören zu knapp 1000 Anlegern, die das Abfindungsangebot von 60 Prozent nicht angenommen haben.
Es geht, wie in vielen solchen Fällen, um mögliche Fehler im Wertpapierprospekt und die Frage, ob der Bankberater über alle Risiken aufgeklärt hatte. „Im Prospekt sehe ich ein Problem, wenn tatsächlich nicht deutlich wurde, dass die Finanzierung der Riesenräder zum Zeitpunkt der Fondszeichnung noch unter einem Prüfungsaspekt stand“, sagte Richter Götz Böttner während der Güteverhandlung. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob die Finanzierung des Rads in Peking bereits stand. Die Klägerseite sagte Nein, was aus dem Prospekt aber nicht hervorgegangen sei.
Die Beklagtenseite zog sich dagegen auf den Standpunkt zurück, dass es sehr wohl Zusagen gegeben habe. Dass diese später von einer Bank nicht eingehalten worden seien, sei ein anderes Thema.
Daran ist die Fertigstellung letztlich gescheitert. Nur bis zum Betonfundament ist der Bau in Peking gekommen. An den anderen beiden Orten kam es nicht einmal dazu. In Berlin reichte das Geld lediglich dazu, das Grundstück des ehemaligen Wirtschaftshofes des Zoologischen Gartens für 25 Millionen Euro zu erwerben.
Ein zweiter Punkt, bei dem der Richter eher zu den beiden Anlegeranwälten und dem Ehemann tendierte, war die Frage, ob die Provisionen, die auch die Deutsche Bank als Vertriebspartner erhielt, korrekt ausgewiesen wurden. „Es gibt zumindest Zweifel, ob dies der neuesten Rechtsprechung entspricht“, sagte der Richter. Er gab aber zu, dass Oberlandesgerichte in ähnlichen Fällen sehr unterschiedlich entschieden hätten. Für seine Äußerung, dass sicherlich alle auf eine Klarstellung des Bundesgerichtshofes warteten, erntete er keinen Widerspruch.
Bei seinem Versuch, noch zu einer gütlichen Einigung zu kommen, gab Richter Böttner auch den vier Vertretern der Bankenseite einen Punkt. „Zumindest die Ansprüche der Klägerin stehen auf tönernen Füßen“, sagte er. Denn bislang sei nicht klar, inwieweit sie den Prospekt tatsächlich gelesen habe. Der Bankberater hatte wohl nur mit dem Ehemann gesprochen. Weil seine Frau, eine Bankkauffrau, nicht anwesend war, musste die Frage vertagt werden. Mit der Angabe des Anlegeranwalts, die Ehefrau habe zumindest alle Risikohinweise gelesen und auch ihren Mann, der seit Jahren die Gespräche mit der Bank führte, nach seinen Bedenken gefragt, wollte sich der Richter nicht zufriedengeben.
Jetzt geht das Verfahren seinen Lauf. Der strittige Kreditvertrag soll erst einmal vom Englischen ins Deutsche übersetzt werden. Die Anlegeranwälte müssen klarstellen, was die Klägerin tatsächlich von dem Prospekt alles gelesen hat. Und alle Parteien müssen dazu wiederum Stellung nehmen. Wohl im April wird es zur nächsten Sitzung kommen.
Bis dahin werden wohl auch andere Anleger vor Gericht mit Vertretern des Fondsproduzenten und der Bank, die ihnen das Produkt verkauft hat, zusammentreffen und ihre Argumente vortragen. Schließlich kommt es immer auf den Einzelfall an. Das Klägerehepaar in Frankfurt behauptete nicht, dass es vollkommen unerfahren mit komplexen Finanzprodukten wie einem geschlossen Fonds war. „Nur von Riesenradfonds gab es eben nicht so viele“, sagte der 42-jährige Ehemann. Kunde der Deutschen Bank ist er nicht mehr. Er hat sein Konto nun bei einer kleinen Privatbank.