Weltrekord

Elektroauto fährt mit Batterien aus Berlin

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M. Dalan, N. Doll und H. Evert
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Streckenrekord mit Elektroauto

Neue Batterietechnologie ermöglicht Fahrten von 600 Kilometern, ohne zwischendurch aufzuladen.

Video: Reuters
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Mit einer Fahrt von München nach Berlin hat ein Elektroauto einen Langstrecken-Weltrekord für Elektrofahrzeuge aufgestellt. Damit könnte eine kleine Firma aus der Hauptstadt die Konzerne abgehängt haben.

In Berlin mag man Superlative, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ist da keine Ausnahme. Zumal wenn es um einen Weltrekord geht und der Wahlkampf langsam Fahrt aufnimmt. Also war Wowereit am Brandenburger Tor, um einen Weltrekord zu bestaunen. Ein umgebauter Audi A2, angetrieben von einem Elektromotor, sonst aber konventionell ausgestattet, parkte am Dienstag um 12 Uhr vor dem Wahrzeichen. 605 Kilometer am Stück hatte der Wagen hinter sich, ohne Tankstopp an der Steckdose. Das ist die weiteste jemals gemessene Strecke mit einem Elektroauto, einem alltagstauglichen dazu. „Und, stolz?“, fragt Wowereit den Fahrer.

Ist er. Mirko Hannemann heißt der Fahrer, von Beruf Entwickler des Berliner Technologieunternehmens DBM Energy. Hannemanns neu entwickelte Akkus haben es ermöglicht, dass erstmals ein Elektroauto im Alltagsbetrieb eine solche Strecke bewältigt. Von München nach Berlin, 605 Kilometer. Mit Licht, Heizung, im Schnitt Tempo 80 bis 90. Das Auto ist mit vier Sitzen ausgestattet, der Kofferraum vollständig nutzbar. Bei anderen E-Autos war der Kofferraum oft schon mit den Batterien voll. „Vergessen Sie alles, was Sie bisher über Elektromobilität gehört haben“, sagt ein Sprecher von DBM Energy.

Bahnbrechende Entwicklung?

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) spricht von einem Durchbruch und Wowereit von einer „bahnbrechenden Entwicklung made in Berlin“. Die neue Batterie auf Lithium-Metall-Polymer-Basis kann demnach 500.000 Kilometer Laufleistung schaffen. Sollte alles so stimmen, wie DBM Energy und der Stromanbieter Lekker Energie (früher Nuon) es darstellen, dann war am Dienstag ein technischer Quantensprung bei der Elektromobilität zu besichtigen.

Die Ingenieurleistung nährt in der Tat Hoffnungen, dass Elektroautos binnen weniger Jahre in wahrnehmbarer Zahl auf deutschen Straßen unterwegs sein könnten. Bislang sehen Experten und Autohersteller Hindernisse in der Alltagstauglichkeit: Der Zwang zum häufigen Aufladen macht elektrisch betriebene Fahrzeuge bestenfalls in Städten mit dichtem Versorgungsnetz interessant.

Woran Entwickler namhafter Autokonzerne und Zulieferer seit Jahren vergeblich arbeiten, soll nun einem kleinen Berliner Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern gelungen sein? Es gibt Skepsis. Die Experten vom Institut für Automobilwirtschaft (IFA) mögen das nicht recht glauben: Der Markt für rein batteriebetriebene Elektroautos in Deutschland werde nur langsam wachsen.

Nach Einschätzung des IFA werden auch 2030 noch mehr als 90 Prozent aller Fahrzeuge über einen Verbrennungsmotor verfügen. „Das rein batteriebetriebene Elektroauto ist ein Nischenfahrzeug und wird es zumindest bis zum Jahr 2020 auch weiterhin bleiben“, sagt IFA-Direktor Willi Diez.

2020 ist insofern eine entscheidende Marke, als die Bundesregierung bis dahin rund eine Million Elektroautos auf die Straßen bringen will. Ein Ziel, das viele Experten für zu ehrgeizig halten. „Ich habe da meine Zweifel, ob wir es wirklich schaffen, in Deutschland bis 2020 eine Million Elektroautos auf den Straßen zu haben, so wie Bundeskanzlerin Angela Merkel das als Ziel formuliert hat“, bezweifelt Rita Forst, Entwicklungschefin bei Opel.

Die Ausgangslage ist bescheiden: Anfang 2011 werden in Deutschland weniger als 1750 reine Elektroautos auf den Straßen sein. Bis 2020, schätzt Ferdinand Dudenhöffer, Direkter des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen, wird der Bestand an rein batteriebetriebenen Elektroautos unter der Marke von 290.000 Fahrzeugen liegen. Mehrere Gründe sprechen derzeit gegen das Massenphänomen Elektromobilität: neben mangelnder Reichweite sind das lange Ladezeiten, fehlende Infrastruktur und der hohe Preis für die Batterie.

Daran ändert der Berliner Weltrekord kurzfristig nichts: Zu kaufen ist die Batterie noch nicht. Aber die Entwickler haben sich das Ziel der Serienreife gesetzt. Und grundsätzlich spricht nichts dagegen, dass eine kleine Firma etablierte Konzerne bei Neuentwicklungen aussticht.

Fabrik in Berlin oder Brandenburg

Das Elektrozeitalter eröffnet neuen Unternehmen Chancen. „Die Forschung ist abgeschlossen, jetzt geht das Verkaufen los“, sagte Thomas Mecke, Geschäftsführer von Lekker Energie. Entwickler Hannemann sagt, man sei mit Autokonzernen im Gespräch. Sobald ein Partner gefunden sei, solle die Serienproduktion in Berlin oder Brandenburg starten. „Mit 250 bis 400 Leuten.“