Finanzkrise

Die Banker funken SOS – und schämen sich

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Der Staat rettet die Banken buchstäblich in letzter Minute. Einst mächtige Manager flüchten sich in die Arme der Politiker. Daran hätten die Banker vor einem Jahr nicht im Traum gedacht. Allein das Wort "Verstaatlichung" nehmen die Vorstände nicht in den Mund. Dabei ist klar, dass sich die Staaten in großem Stil an Finanzinstituten beteiligen werden.

In der Finanzbranche herrscht eine Stimmung wie auf der "Titanic“ – nach der Kollision mit dem Eisberg. Auf dem traditionellen Herbst-Treffen in Washington mussten die in Seenot geratenen Top-Banker zugeben, dass sie das Schiff alleine nicht mehr vor dem Untergang bewahren können. Sie funkten in letzter Sekunde SOS an ihre Regierungen, die in kürzester Zeit Dutzende Rettungsboote losschickten.

Ob diese noch rechtzeitig ankommen und damit eine Katastrophe verhindern können, wird sich erst in den nächsten Tagen und Wochen zeigen. Erfahrene Banker waren sich am Wochenende in der US-Hauptstadt einig, dass die Stimmung selten so schlecht war. Kein Wunder, muss doch ausgerechnet die jahrelang Deregulierung fordernde Finanzbranche nach dem Staat rufen. „Daran hätten wir vor einem Jahr nicht im Traum gedacht“, räumt ein Vorstand einer deutschen Großbank ein.

Wie sehr die Banker um Schadensbegrenzung bemüht sind, zeigt sich an den Begrifflichkeiten. Statt von Staatsbeteiligungen ist von "Hilfe zur Selbsthilfe“ oder "Rekapitalisierungen“ die Rede. Bankenverbands-Präsident Klaus-Peter Müller nennt es gar "intellektuell nicht redlich“, von Teil-Verstaatlichungen zu sprechen. Dabei ist mittlerweile klar, dass sich die Staaten - wenn auch nur vorübergehend – in großem Stil an Finanzinstituten beteiligen werden.

Die bittere Pille wird geschluckt, weil den Banken nach milliardenschweren Abschreibungen und wegen der vertrockneten Quellen an den Geldmärkten die Handlungsoptionen ausgehen. "Die Alternative, nicht zu handeln, ist für uns derzeit keine Alternative mehr“, bringt es Bundesbankpräsident Axel Weber auf den Punkt. Die dramatischen Kursverluste der vergangenen Woche zeigen, wie tief der Vertrauensverlust an den Märkten ist. Nach dem Motto "Rette sich, wer kann“ flohen die Anleger massenhaft aus Finanzwerten.

Angesichts der ernsten Lage blieben viele Banker in diesem Jahr gleich zu Hause oder reisten frühzeitig ab – zahlreiche längst ausgebuchte Hotels in Washington hatten plötzlich wieder massenhaft Zimmer frei. "Wenn in der Heimat die Hütte brennt, kann ich nicht in den USA auf die Feuerwehr warten“, sagt ein Bankvorstand kurz vor seinem Rückflug nach Europa – einen Tag früher als geplant.

Für andere Bankmanager gewinnt das Treffen in diesem Jahr wegen der drohenden Entlassungswelle in der Branche eine völlig neue Bedeutung: Job-Börse. „So viele informelle Bewerbungsgespräche gab es an diesen Tagen noch nie“, sagt ein Investmentbanker. Viele suchten einen sicheren Hafen in stürmischer See. „Die Angst vor dem Untergehen steht dabei jedem auf der Stirn geschrieben.“

( Reuters/ras )