Erkrankt ein Kind an Krebs, so ist das schlimm – glücklicherweise aber meistens kein Todesurteil mehr. Der Krebs kann oft geheilt werden, doch ein glückliches Leben führen diese Patienten dennoch nicht: Beinahe jeder vierte Erwachsene, der als Kind oder Jugendlicher an Krebs erkrankt war, leidet auch in späteren Jahren noch unter dem sogenannten Posttraumatischen Belastungssyndrom (PTBS), unter Depressionen oder Ängsten. Das ist das Ergebnis einer bislang einmaligen Studie, die Wissenschaftler der Universität Ulm bei einem Kongress für Kinder- und Jugendpsychiatrie jetzt in Hamburg vorgestellt haben.
Jahr für Jahr erkranken in Deutschland etwa 1800 Mädchen und Jungen an Krebs. 75 bis 90 Prozent von ihnen überstehen ihre Erkrankung und werden – zumindest organisch – wieder vollkommen gesund. Doch die Krankheit hinterlässt Spuren.
„Besonders für Jugendliche in der Pubertät bedeutet diese Zeit der Krankheit eine schwierige Doppelbelastung. Zum einen die Bewältigung der persönlichen Entwicklung: Statt zu Gleichaltrigen haben die Patienten fast nur Kontakt zu Eltern und Ärzten. Zum anderen die Auseinandersetzung mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung“, sagt Diana Seitz von der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinik Ulm.
820 Erwachsene, die zwischen dem 15. und 18.Lebensjahr an Krebs erkrankten und heute im Durchschnitt 30 Jahre alt sind, befragten die Ulmer Experten in den vergangenen Monaten und verglichen die Ergebnisse mit einer gesunden Kontrollgruppe. Auffällig, aber angesichts der im Durchschnitt 20-monatigen, häufig intensiven medizinischen Behandlung zu erwarten: Die ehemaligen Krebspatienten waren seltener verheiratet, hatten seltener und weniger eigene Kinder, einen niedrigeren Schulabschluss und ein geringeres Einkommen als die Kontrollgruppe.
Obwohl die Erkrankung schon über 13 Jahre zurücklag, waren die früheren Krebspatienten seelisch stark beeinträchtigt. „Bei 22,4 Prozent der Befragten haben wir behandlungsbedürftige psychische Probleme festgestellt“, sagt Diana Seitz. Gefragt wurde nach Posttraumatischen Belastungsstörungen (komplexes Krankheitsbild, dazu zählen Schlafstörungen, Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit, Konzentrationsstörungen), Depressionen und Ängste. 13,9 Prozent der Befragten litten unter einer, 5,8 Prozent unter zwei und 2,7 Prozent sogar unter allen drei Erkrankungen. Im Vergleich zur Normalbevölkerung war das Erkrankungsrisiko für ein derartiges seelisches Leiden um das 1,5- bis dreifache erhöht.
Die Ergebnisse der von der Deutschen Krebshilfe geförderten Studie untermauern die Forderung einer langfristig ausgerichteten psychosozialen Nachsorge, die auf die Bedürfnisse von jugendlichen Krebspatienten zugeschnitten sei. Ein solches Angebot existiere in Deutschland bislang nur unzureichend, bemängelt Seitz.
Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen unterscheiden sich deutlich von denen Erwachsener: Etwa die Hälfte der jungen Patienten erkrankt an Leukämien und Lymphomen, deren Ursachen häufig unklar sind. Mediziner vermuten gerade bei ganz jungen Patienten, dass die genetischen Veränderungen, die aus einer gesunden eine entartete Zelle machen, vor der Geburt bereits eingesetzt haben. Erwachsene dagegen sind meist von Erkrankungen einzelner Organe betroffen. Das liegt häufig am Alter, an der Lebensweise und an Umweltfaktoren.
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