Medizin

Warum der Krebs immer mächtiger wird

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Der Kampf gegen Krebs beschäftigt die Medizin seit Jahrzehnten: Schon oft glaubte man, auf der Spur eines Heilmittels zu sein. Doch Krebs wird voraussichtlich bald die Todesursache Nummer eins sein. Erst jüngst haben Forscher eine ganz besondere Eigenart der Krankheit entdeckt, die der Grund für ihre Hartnäckigkeit sein könnte.

Die Diagnose Krebs ist für jeden zweiten eine tödliche Diagnose - trotz Bestrahlung, Chemotherapie, Operationen und neuer Medikamente. Die großen medizinischen Fortschritte können nicht verhindern, dass Krebs immer mächtiger wird: In etwa 15 Jahren wird die unheimliche Krankheit in den Industrieländern voraussichtlich die Todesursache Nummer eins sein. Daran ändern auch die enormen Erfolge der Medizin wenig - immerhin hat sich die Heilungsrate in den vergangenen 25 Jahren verdoppelt.


Was macht den Kampf gegen Krebs so schwer? Viele Forscher wähnten sich nur einen Hauch vom endgültigen Sieg entfernt. Immer wieder meldeten Medien den „Durchbruch im Kampf gegen Krebs“.


Doch Generationen von Forschern unterschätzten die Komplexität der Erkrankung. Es gibt nicht nur eine Form - die Medizin unterscheidet heute rund 1000 Tumorarten. Die können auch noch von Mensch zu Mensch variieren. Der menschliche Körper beherbergt 100 Billionen Zellen - eine einzige davon kann beginnen, schrankenlos zu wuchern. Äußere Einflüsse wie Chemikalien, radioaktive Strahlung oder Virusinfektionen bilden vielfach die Initialzündung für die verhängnisvolle Entwicklung. Menschen sollten sich vor Ruß, Zigarettenqualm, Fast Food oder Sonnenstrahlen in Acht nehmen.


Dennoch lässt sich mit einer gesunden Lebensweise, mit viel Bewegung und vernünftiger Ernährung, dem Krebs nicht immer entgegenwirken. Nobelpreisträger zur Hausen, langjähriger Leiter des Deutschen Krebsforschungszentrums, weist daraufhin, dass eine „ideale Ernährung“ zehn bis 15 Prozent der Dickdarmtumore verhindern kann. „Die restlichen 85 bis 90 Prozent bekommen den Krebs trotzdem“.

Man braucht nur ein Gen zu verändern

„Der Feind sitzt in uns“, lautet die Sichtweise der Genetiker. Rund 50 sogenannte Krebsgene haben sie bislang entdeckt. Bei einigen von ihnen genügt die Veränderung eines einzigen unter mehreren tausend Bausteinen, um sie in einen Killer umzuwandeln. Ein Beispiel ist das ras-Gen. Es funktioniert wie ein Schalter, der im Normalfall gelegentlich angeknipst wird, um neue Zellen wachsen zu lassen, zum Beispiel nach Verletzungen. Die mutierte Form indes wirkt wie ein dauerhaft umgelegter Schalter und lässt die Zellen ständig wuchern.

Doch der Körper wehrt sich gegen die Krebszellen, das Immunsystem vermag entgleiste Zellen zu eliminieren. Damit ein Tumor wachsen kann und Metastasen bildet, muss ein ganzes Bündel an Sicherheitsbarrieren versagen. Man schätzt, dass bis zu 20 Gene fehlerhaft sein müssen, damit Krebs entsteht.

Die Vielschichtigkeit der Erkrankung dämpft auch die Erfolge neuer Krebsmedikamente wie Glivec, Avastin und Herceptin, deren Entwicklung als Durchbruch gepriesen wird. Doch mit der Zeit treten Resistenzen auf: Die Krebszellen scheinen immun gegen das Gift zu werden

Jüngst verkündeten in Heidelberg Forscher, warum Tumore so zäh sein können: Sie bestehen nicht aus gleichartigen Zellen. Nur eine kleine Zahl unsterblicher Tumor-Stammzellen liefert ständig den Nachschub an Krebszellen. Dieser kleine „Guerillatrupp“ scheint für Metastasen verantwortlich zu sein - und dafür, dass Tumore nach vermeintlich erfolgreicher Therapie wieder neu auftreten. Die Krebs-Stammzellen verharren meist in einer Art Schlafzustand. Das macht sie resistent gegen die meisten Chemotherapien, denn diese zerstören hauptsächlich schnell wachsende Zellen.

Andreas Trumpp, Professor am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, ist derzeit einem Medikament auf der Spur, das die Krebs-Stammzellen aus ihrem Schlummer wecken soll. Offenbar lässt nur der massive Einsatz mehrerer Medikamente gleichzeitig den Krebszellen keine Zeit, eine Gegenstrategie zu entwickeln. Denn die Menschen in Deutschland werden immer älter - und damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Zellen entgleisen.

( ap/jd )