Richard Leyland fliegt nicht. Aus Prinzip: Niemand bei Worksnug, so heißt die Firma des Briten, macht Geschäftsflüge. Es gehe darum zu demonstrieren, sagt Leyland, dass ein weltweit aktives Unternehmen auf das Fliegen zu Geschäftszwecken und die damit verbundene Umweltbelastung verzichten kann. Zwar ist Worksnug ein kleines Unternehmen (fünf feste Mitarbeiter), aber in Europa und in den USA aktiv. Das macht die Sache mit dem Flugverzicht nicht leicht – zumal Worksnug auf Expansionskurs ist, der jetzt nach Berlin führte. Bei der re:publica stellt Leyland seine Idee vor. Dafür ist er mit dem Nachtzug von Paris nach Berlin gekommen.
Worksnug ist ein Programm („App“) für das Mobiltelefon iPhone von Apple, gedacht für den Wanderarbeiter von heute: Menschen, die ihr Büro in ihrem Laptop bei sich haben und wissen wollen, wo sie arbeiten können – welches Café, zum Beispiel, freien Internetzugang bietet, Stromversorgung hat und dazu erträglichen Kaffee. „Das ist eigentlich eine romantische Idee: die Stadt ist Dein Büro“, sagt Richard Leyland. Und dass es weltweit eine Milliarde Arbeitsnomaden auf Suche nach Internet-Anschluss gebe: Menschen, die mindestens ein Mal pro Woche nicht in ihrem Büro arbeiten, sondern irgendwo anders, wo es wenigstens Zugang zum Web geben sollte. Für die ist die App, die seit neuestem auch in Berlin funktioniert.
Hier erfährt man auch, ob der Kaffee schmeckt
Wärmestuben für Personen mit Netzanschlussbedürfnis gibt es in Berlin in großen Mengen, etwa Cafés, bei dem im Preis der angebotenen Waren und Dienstleistungen auch der W-Lan-Zugang enthalten ist. Das allerdings baut immer auch einen gewissen Konsumdruck auf. Zugleich ist man notgedrungen bereit, auch unterdurchschnittliche Gastronomieleistungen durchgehen zu lassen. Bitter für alle, die regel- und berufsmäßig mit dem Laptop durch die Stadt vagabundieren. Solche Menschen haben mitunter schlechte Erfahrungen beim bürolosen Broterwerb gemacht (lascher Latte Macchiato, muffige Muffins).
Nun weist Richard Leyland auch in Berlin den Weg zu zeitweise nutzbaren Netzarbeitsplätzen. Zwar existieren zig Anwendungen, mit denen man sich zu Berlins W-Lan-Hotspots und Internet-Cafés bugsieren lassen kann. Worksnug aber gibt, über Rückmeldungen seiner Nutzer, auch Auskunft über die Qualität des Kaffees am jeweiligen Ort. Und sagt etwas zur Güte der Stromversorgung. Vermerkt wird außerdem, ob’s dort, wo man theoretisch arbeiten könnte, nicht zum Arbeiten zu laut ist. Das ist neu.
Dezibel-Meter zeigt, wie laut es ist
Wo sich Menschen mit klappbarem Büro niederlassen könnten, zeigt Worksnug in bislang fünf Städten weltweit: London, New York, San Francisco, Barcelona und seit Wochenanfang auch Berlin. 250 Hauptstadt-Plätze, an denen es sich arbeiten lässt, hat die App nun intus. Das Programm zeigt an, ob es am jeweiligen Ort Internetzugang gibt, ob ausreichend Steckdosen zum Aufladen des mobilen Computers da sind, welches Angebot und welches Niveau die Gastronomie hat. Und ob man in Ruhe arbeiten kann.
Zur Ermittlung der Lautstärke hat die neue Version der App („Worksnug Pro“) einen „Dezibel-Meter“ eingebaut: Mit dem iPhone wird eine Fünf-Sekunden-Sequenz der Umgebungsgeräusche aufgenommen und dann an Worksnug gesendet. Dort wird aus allen eingesendeten Geräuschen der Gesamt-Pegel des betreffenden Arbeitsplatzes ermittelt. Den Dezibel-Meter hat der Handy-Zubehörherstellr Plantronics beigesteuert, mit dem Worksnug zusammenarbeitet.
Die potenziellen Arbeitsplätze macht Worksnug mit „Augmented Reality“ sichtbar, zu Deutsch: erweiterte Realität. Die Kamera des iPhone (funktioniert nur mit dem Modell 3GS) wird zum Sucher; über das Live-Bild der Umgebung legt das Programm Markierungen in Richtung der geeigneten temporären Abeitsstellen. Mit dem Apple-Handy als Kompass bewegt man sich so zum Arbveiten durch die Stadt, und damit der Weg nicht zu weit wird, lässt sich auch einstellen,'wie weit das Ziel maximal entfernt sein darf.
Berliner Modebloggerin machte die Tests
Für Berlin 250 vernetzte Arbeitsplätze zusammen zu bekommen war halbwegs langwierig: Pro Tag, sagt Leyland, schafft man zwischen sechs und zwölf, wenn es gut läuft, sind 15 möglich. Knapp einen Monat hat es in Berlin gedauert – die ganze Arbeit hat eine Person geleistet, die Berliner Modebloggerin Mary Scherpe ( www.stil-in-berlin.de ). Nachdem das nun erledigt ist, sollen die Berliner weiter machen: Die digitalen Arbeiter können sich bei Worksnug anmelden und die Arbeitsplatzbeschreibungen erweitern, ergänzen, bewerten, empfehlen. Was Nutzer bei Worksnug eintragen, soll künftig in Echtzeit auch in der iPhone-App erscheinen.
Die neue Worksnug-Version, die auch mit dem älteren iPhone 3G und dem iPod Touch funktioniert, soll es in einigen Wochen geben. Sie durchläuft derzeit noch den Freigabeprozess bei Apple: Der US-Konzern kontrolliert jede einzelne für das iPhone hergestellte App akribisch – und untersagt mitunter den Vertrieb über den konzerneigenen App-Store. Die Worksnug-App soll kostenlos bleiben. Geld wird mit Werbung auf der Internetseite verdient und mit Sponsoren: Für jede Stadt sucht Worksnug einen Sponsor. Berlin hat bislang noch keinen.
Leylands hat indes noch ein Ziel: Er will ein Wort werden. So wie Google („Das habe ich gegoogelt“). Leyland wünscht sich: Irgendwann möge einmal die Rede davon sein, dass jemand einen Arbeitsplatz „geworksnuggt“ hat.
Der Link zur iPhone-App (nach dem Klick wird – wenn installiert – iTunes automatisch geöffnet): http://itunes.apple.com/gb/app/worksnug-london/id336597081