Peter Sunde (31), Mitbegründer des schwedischen Filesharing-Börse The Pirate Bay, hat ein neues Projekt vorgestellt. Und das ist zur Verwunderung vieler ein Mikrobezahl-Dienst. Der Service " Flattr " soll Blogger, Podcaster, Fotografen und andere Kreative im Netz dabei helfen, mit ihren Angeboten auch Geld zu verdienen. Der Name Flattr setzt sich dabei aus den Begriffen "Flatrate" (Dauerleitung) und "to flattre" (jemandem schmeicheln, Anm. d. Red.) zusammen.
Jeder, der sich bei Flattr registriert, kann bei dem Dienst eine selbstgewählte Summe einzahlen, die er monatlich für Internet-Inhalte ausgeben möchte. Danach kann der Flattr-Nutzer auf jeder Webseite, in die ein Flattr-„Spendenknopf“ eingebaut ist, entscheiden, ob er für diesen Inhalt bereit ist zu bezahlen. Nach einem Monat wird dann die Anzahl der „Spenden-Klicks“ addiert und gleichmäßig auf alle geklickten Anbieter verteilt.
So erhält jeder Blogger, Musiker etc. zwar nur einen kleinen Betrag. Wenn jedoch viele Flattr-Benutzer auf den Spenden-Knopf eines Anbieters klicken, kann sich daraus wiederum eine größere Summe ergeben. Peter Sunde sagt dazu: „Aus vielen kleinen Bächen wird ein großer Strom.“ Morgenpost Online hat Peter Sunde auf de re:publica in Berlin getroffen, wo er Flattr den Teilnehmern der Medien-Konferenz vorstellte.
Morgenpost Online: Warum gründet ausgerechnet ein ehemaliger „Pirat“ ein Bezahlmodell für Internet-Inhalte?
Peter Sunde: Die bisherigen Bezahlmodelle haben im Internet nicht funktioniert. Man muss sich neue Lösungen überlegen. Auch bei The Pirate Bay ging es nicht darum, dass alles im Internet „umsonst“ sein sollen, sondern darum, dass jegliche Inhalte im Internet frei zugänglich und verfügbar sein müssen, eben um den Austausch. Das ist auch die Philosophie bei Flattr, das Teilen von Inhalten.
Morgenpost Online: Wie sieht die Idee hinter Flattr aus?
Peter Sunde: Bei Flattr zeigt eine Person einer oder mehreren anderen Personen seine Wertschätzung. Dabei geht es weniger darum, dass ein Kunde ein „Produkt“ von einem Anbieter „kauft2. Der soziale Aspekt steht im Vordergrund.
Morgenpost Online: Wie funktioniert das?
Peter Sunde: Durch Wertschätzung – auch finanzieller Art – gewinnt das Produkt an Wert, sei es ein Foto, Song oder Blogbeitrag. Je öfter es über Flattr angeklickt wird, desto höher steigt sein Wert.
Morgenpost Online: Glauben Sie, dass es eine Bereitschaft gibt, im Netz für Inhalte zu zahlen?
Peter Sunde: Ja, das glaube ich schon. Finde ich einen Artikel im Internet gut, dann will ich dem Autor meine Wertschätzung auch zeigen. Schließlich stecken viel Arbeit und auch Kosten dahinter.
Morgenpost Online: Glauben Sie, dass die Hemmschwelle bei Flattr niedriger ist, als bei anderen Bezahlsystemen?
Peter Sunde : Ja, auf jeden Fall. Bei jedem Kauf muss ich anderswo meine Kreditkartennummer oder andere Daten angeben. Bei Flattr tue ich das einmal bei der Anmeldung, Danach werde ich von so etwas nicht mehr behelligt. Und es gibt keine festgelegten Preise für ein „Produkt“.
Morgenpost Online : und das funktioniert auch, wenn der Nutzer im Voraus bezahlen muss?
Peter Sunde: Der Flattr-Nutzer bezahlt einen festen Betrag im Voraus und entscheidet dann, wer daran beteiligt wird. Je öfter ich den Flattr-Knopf auf einer Seite klicke, desto mehr ist mir deren Inhalt wert, desto mehr profitiert davon auch derjenige, der den Inhalt erzeugt hat.
Morgenpost Online: Ich bezahle, sagen wir 100 Euro für einen Monat. Je öfter ich als Flattr-Nutzer klicke, desto kleiner werden die Anteile, die ein Fotograf, ein Musiker, ein Blogger bekommt. Klicke ich hingegen nur einmal, erhält auch nur eine Person den „ganzen Kuchen“. Ist das denn gerecht?
Peter Sunde: Ja, auf jeden Fall, Dann habe ich eben nichts andres gefunden, was mir gefällt. Und der eine Klick war es mir dann auch wert.
Morgenpost Online: Wie verdienen Sie an Flattr?
Peter Sunde: Wir sind noch in der Entwicklungsphase. Aber im Moment ist vorgesehen, dass Flattr zehn Prozent von der eingezahlten Summe erhält. Wir müssen sehen, ob sich das bewährt. Wir wollen den Anteil aber so gering wie möglich halten und ihn – wenn möglich – noch senken. Das Minimum für einen Flattr-Beitrag beträgt monatlich zwei Euro.
Morgenpost Online: Ist Flattr dann nicht so etwas Ähnliches wie ein Bank?
Peter Sunde: Natürlich ist Flattr bei diesem Bezahlmodell die zentrale Instanz, aber wir haben bis jetzt keine bessere Lösung gefunden.
Morgenpost Online : Können Sie sich vorstellen, dass mit Hilfe von Flattr ein Blogger eines Tages von seiner Tätigkeit leben kann?
Peter Sunde: Bei Flattr handelt es sich weniger darum, Waren zu kaufen, sondern, darum, dass die Arbeit anderer im Netz geschätzt wird. Auch finanziell. Vielleicht dauert es noch zehn Jahre, bis sich Flattr etabliert hat. Aber warum soll künftig nicht auch ein Kommentator honoriert werden, wenn er einen „wertvollen“ Beitrag geschrieben hat?
Morgenpost Online: Lösen sich die Rollen von Produzent und Konsument im Internet allmählich auf?
Peter Sunde: Ja, mit Flattr verteilt sich der Gewinn auf immer mehr Personen, je größer das Netzwerk wird. Der soziale Ansatz ist mir dabei sehr wichtig, man kann ihn auch sozialistisch nennen.
Morgenpost Online: Einige große Verlage haben inzwischen Bezahlmodelle für ihre Inhalte eingeführt, so auch Axel Springer. Welchen Rat würden Sie diesen Unternehmen geben?
Peter Sunde: Da gibt es keine Pauschallösung. Wie man im Web Geld verdienen kann, muss man ausprobieren und auf allen Ebenen nach Möglichkeiten suchen und dabei jeden Kanal nutzen.
Morgenpost Online: Es heißt, man darf nur einen Klick vom Produkt entfernt sein, damit das Bezahlmodell erfolgreich ist. Stimmt das und ist das Flattr so?
Peter Sunde: Absolut. Niedrige Hemmschwellen und Zeit sind entscheidende Faktoren. Bei Flattr ist das so.
Morgenpost Online: Für den Erfolg von Flattr ist auch die Größe des Netzwerkes wichtig, dass daran partizipiert. An welche Websites wenden Sie sich?
Peter Sunde: Im Prinzip an jeden, aber vor allem an Blogger rund um den Globus. Wir setzen eher auf den Longtail (Die Summe der Erlöse, die sich aus der Vielzahl addiere, Anm. d. Red.).
Morgenpost Online: Können Sie sich vorstellen, dass auch große Verlage einen Flattr-Knopf einführen?
Peter Sunde: Warum nicht? Die Vernetzung trägt doch dazu bei, dass immer mehr Menschen davon profitieren. Das schließt etablierte Anbieter nicht aus.
Morgenpost Online: Sie hätten also nichts dagegen, wenn Großverdiener, wie sagen wir Madonna, auch an Flattr mitverdienen?
Peter Sunde: Warum nicht. Die Leute, die das Geld wirklich brauchen, wären mir allerdings lieber…
Morgenpost Online: Nach der ganzen Aufregung um The Pirate Bay. War es an der Zeit, in ruhigere Fahrwasser zu kommen?
Peter Sunde: Alles hat seine Zeit. Und auch The Pirate Bay hatte seine Zeit. Das Projekt ist abgeschlossen. Und es ist zum politischen Symbol geworden. Die Idee zu Flattr hatte ich schon vor vier Jahren, die Entwicklung und Umsetzung hat aber seine Zeit gebraucht.
Morgenpost Online: Die juristische Auseinandersetzung um Pirate Bay ist allerdings immer noch nicht beendet. Sie und ihre Mitstreiter sind in Berufung gegen das Urteil* gegangen. Wie geht es da weiter?
Peter Sunde: Ja, das ganze ist – auch nach den Lobby-Vorwürfen gegen einen der beteiligten Richter - inzwischen zu einer Komödie geworden. Wir wollen, dass der Berufungsprozess noch vor den Wahlen in Schweden im Herbst stattfindet. Die zurzeit regierenden Konservativen sind natürlich gegen Filesharing. Wir hoffen, dass das Verfahren auch seine Wirkung auf den Ausgang der Wahl haben könnte. Außerdem wird der Fall sogar beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verhandelt. Inzwischen kann ich über die ganze Angelegenheit nur noch lachen, denn anders als mit Humor kann man damit nicht umgehen.
* Ein schwedisches Gericht hatte im April 2009 die vier Betreiber des Torrent-Trackers, unter ihnen Pter Sunde, wegen der Beihilfe zur schweren Urheberrechtsverletzung zu einjährigen Haftstrafen sowie Schadensersatz in Millionenhöhe verurteilt. Der Schadensersatz in Höhe von 30 Millionen Schwedischen Kronen (2,75 Millionen Euro) soll verschiedenen Film- und Musikunternehmen zu Gute kommen.
Flattr befindet sich noch in der Beta-Phase. Ab Mitte Juni soll die Plattform dann in Betrieb gehen. Dann soll es auch eine mobile Anwendung geben.
Das Gespräch führte Michaela Menschner