Auf den ersten Blick ist im Kreuzberger Klub „Prince Charles“ alles so wie immer: Auf den Holzbänken im Hof sitzen junge Menschen um die 20, unterhalten sich, rauchen, warten. Aus dem Innenraum dringt Musik nach draußen. Doch beim Betreten des Klubs wird schnell klar: Normal ist hier an diesem Tag gar nichts. Dort, wo sich nachts Partygänger um die Bar drängeln, stehen zwischen Wodka- und Schnapsflaschen vier große Scheinwerfer, ausgerichtet auf die in Nebel getauchte Tanzfläche.
Setbesuch am Drehort von „Becks letzter Sommer“, ein Musikfilm von Frieder Wittich. Es geht um einen Lehrer (Christian Ulmen), der durch einen talentierten Schüler (Nahuel Pérez Biscayart) seinen verblichenen Traum von der Musikerkarriere wiederbelebt. Ein Roadmovie mit den Schauplätzen Ungarn, Istanbul, Köln und vor allem Berlin. 36 Drehtage stehen insgesamt auf dem Plan, am 18. Drehtag wurden die Trucks in der Prinzenstraße aufgebaut.
Hier, im „Picknick Club“, wie der Veranstaltungsort im Film heißen soll, werden Konzertszenen gedreht. Die jungen Menschen im Innenhof, 48 Komparsen, brauchen viel Geduld: Bis 5 Uhr morgens geht der Dreh an diesem Tag. Wann wirklich Feierabend ist, kann niemand genau sagen. Die Aufgabe der Kleindarsteller: jubeln. Dazu werden sie ans Set gebeten, wo Hauptdarsteller Nahuel Pérez Biscayart gerade mit einer kleinen Band auf der Bühne steht. „Und jetzt: frenetischer Applaus“, ruft eine weibliche Stimme aus der Dunkelheit. Die Komparsen rasten artig aus.
Bis auf etwas Schlaf fehlt Ulmen an nichts
„Der Komparse vorne mit der roten Weste bitte ein Stück nach links“, sagt Regisseur Frieder Wittich, der die Szenerie mittels Kontrollmonitor überwacht. „Noch mal, bitte!“ Christian Ulmen raucht währenddessen noch eine schnelle Zigarette. Obwohl er schon in der Maske gewesen ist, sieht er ein wenig blass aus. Anstrengend sei das natürlich schon alles, sagt der Schauspieler, aber er lebe seinen Traum.
Während Ulmen im Film einen Lehrer verkörpert, dessen Hoffnung auf eine Musikerkarriere auf der Strecke geblieben ist, hat der 38-Jährige im wahren Leben alles erreicht, was er wollte. „Ich habe nie ein Ziel gehabt, aber ich habe mir mein Leben immer so vorgestellt, wie ich es gerade lebe“, sagt er. Zudem hat er mit der laut „FHM“ Sexiest Woman in the World, Collien Ulmen-Fernandes, ein Kind und ist glücklich verheiratet. Bis auf etwas Schlaf – das Kind schläft unruhig, die Drehs gehen lang – fehlt es ihm also an nichts.
Leichte Startschwierigkeiten mit Kollegen
Auch mit seinem Schauspielpartner Biscayart versteht er sich blendend. Nur am Anfang gab es leichte Startschwierigkeiten, als Ulmen den Kollegen kurzerhand übersah: „Es gab einen Morgen, da wurden wir zusammen abgeholt, er vor mir, er saß hinten im Auto. Dann fuhr der Wagen zu mir und holte mich ab und ich war so müde und setzte mich vorne hin und habe ihn nicht wahrgenommen. Das fiel mir erst auf, als wir am Set angekommen sind. Da dachte er, ich sei irgendwie seltsam.“
Die nächste Szene steht an, es ist die erste mit Ulmen an diesem Tag. Licht wird neu gesetzt, Störendes zwischen Schlagzeug und E-Gitarre versteckt. Hastig klebt ein junger Mann Klebestreifen auf den Boden, die die Positionen der Schauspieler markieren sollen. Dann geht es los: Zusammentreffen von Ulmen mit seinem Kollegen Fabian Hinrichs, einige Sätze, einige Wiederholungen, schließlich ist die Szene im Kasten. 2015 soll der Film in die Kinos kommen. Am nächsten Tag wird Ulmens Fahrer die Kreuzberger Adalbertstraße ansteuern, der nächste Drehort. Doch davon weiß der Schauspieler noch nichts: „Da holt jemand einen ab morgens und dann fährt man irgendwo hin. Immer eine Überraschung.“