Skyfall

Bond-Girl Bérénice Marlohe will lieber Bösewichte spielen

| Lesedauer: 11 Minuten
Rüdiger Sturm

Mit Hartnäckigkeit hat sich Bérénice Marlohe eine der begehrtesten Frauenrollen des Kinos ergattert. Im Interview erklärt sie ihre Taktik.

Staunen - das ist es, was Bérénice Marlohe ausstrahlt. Die 33-jährige Französin ist auf eine charmante Weise schüchtern, äußert sich mit einer leicht exzentrischen Verschwurbeltheit. So als könnte sie es selbst nicht glauben, dass sie eine der begehrtesten Frauenrollen des Kinos bekommen hat. In "Skyfall" ist sie eines der Bond-Girls, und die Art und Weise, wie sie diesen Auftritt ergatterte, zeugt von einer Zielstrebigkeit, die nicht zu dieser Verwunderung passen will. Vielleicht hat sie einfach nicht geahnt, was Journalisten - wie bei diesem Gespräch im Londoner Hotel Claridges - von ihr wissen wollen.

Morgenpost Online: Sie sind vor "Skyfall" nur gelegentlich in französischen Fernsehserien aufgetreten und hatten lediglich eine einzige Nebenrolle im Kino...

Bérénice Marlohe: Ja, ich musste wirklich kämpfen - acht Jahre lang. Ich hatte sogar Schwierigkeiten, einen Agenten zu finden. Ständig fragte man mich: Welche Regisseure und welche Produzenten kennst du? Aber ich hatte keinerlei Beziehungen. Meine Eltern haben überhaupt nichts mit der Showbranche zu tun. Mein Vater ist Allgemeinmediziner, meine Mutter Sozialarbeiterin an einer Schule. Deshalb bekam ich auch kaum Vorsprechtermine; es war schlimm.

Morgenpost Online: Wie bekommt dann eine glücklose Schauspielerin ohne Agent die Hauptrolle in einem James-Bond-Film?

Bérénice Marlohe: Gerade weil ich mich so abstrampeln musste, lernte ich es auch, die Dinge in die eigene Hand zu nehmen. Ich hörte, dass es in Paris Vorsprechtermine für "Skyfall" gab, und ich dachte mir: Diese Chance darfst du nicht verpassen. Ich wollte immer schon bei einem James Bond-Film mitmachen, nicht einmal unbedingt als Bond-Girl. Denn so konnte ich meine Talente einem breiten Publikum zeigen. Und daher recherchierte ich im Internet, bis ich die E-Mail-Adresse der Besetzungsagentin herausfand. Ich schickte ihr mein Promo-Reel, und das verschaffte mir einen Termin mit ihr, bei dem ich zwei Szenen aus dem Film vorspielte. Man holte mich zurück, und ich durfte das Gleiche für Regisseur Sam Mendes tun. Beim dritten Mal sprach ich dann für Sam, Daniel Craig und die Produzenten vor.

Morgenpost Online: Was war das für ein Gefühl, als Sie die endgültige Zusage bekamen?

Bérénice Marlohe: Sam rief mich an. Es war eigentlich ziemlich eigenartig. Denn ich blieb ganz, ganz ruhig, fast wie ein Buddha. Mir war einfach klar, dass ich sehr ernsthaft an dem Projekt arbeiten wollte.

Morgenpost Online: Wie hat sich Ihr Leben seither verändert?

Bérénice Marlohe: Ich habe jetzt einen Agenten in Los Angeles, bekomme interessante Drehbücher angeboten, zu denen ich vorher nie Zugang hatte. Und ich muss auf einmal viele Interviews geben. Es ist okay, solange ich über den Film spreche. Aber von mir zu erzählen - das fühlt sich seltsam an. Ist das wirklich unterhaltend für die Leute? Wollen sie das wirklich hören?

Morgenpost Online: Wir werden es ja im Lauf des Gesprächs sehen. Sagen Sie uns doch einfach einmal, was Sie als Frau von James Bond halten?

Bérénice Marlohe: Den Bond, wie ihn Daniel Craig spielt, finde ich sehr attraktiv. Denn er ist stark, aber gleichzeitig verletzlich und sensibel - mit anderen Worten: ein echter Mann. Für einen Macho gilt so etwas nicht.

Morgenpost Online: Und das erwarten Sie auch persönlich von Männern?

Bérénice Marlohe: Ja, aber sie sollten auch kochen können.

Morgenpost Online: Haben das die Männer in Ihrem Leben für Sie getan?

Bérénice Marlohe: Einer schon, das war sehr angenehm. Ich brauche auch jemand mit Sinn für Humor. Aber das Essen ist sehr wichtig für mich - eine wahre Leidenschaft. Obwohl ich selbst beim Kochen eher ein großes Durcheinander anrichte, weil ich alle möglichen Gerichte gleichzeitig zu machen versuche.

Morgenpost Online: Was kommt denn bei Ihnen auf den Tisch?

Bérénice Marlohe: Wir haben nicht die Zeit, um das alles zu besprechen (lacht). Ich liebe thailändische und italienische Küche, Pommes Frites, Hamburger, verrückt bin ich auch nach Scones (britisches Gebäck, die Red.). Und nach Süßigkeiten generell. Erdbeer-Tartes zählen zu meinen Favoriten.

Morgenpost Online: Nur dass man Ihnen das überhaupt nicht ansieht.

Bérénice Marlohe: Oh, ich kann ziemlich schnell zunehmen, wenn ich nicht aufpasse. Mein einfaches Rezept heißt: Laufen. Vor allem, wenn ich Filme mache; da habe ich keine andere Wahl, auch wenn ich mich dazu zwingen muss.

Morgenpost Online: Weil Sie unter Druck stehen, einem bestimmten Schönheitsideal gerecht zu werden?

Bérénice Marlohe: Nein, so einen Druck kenne ich nicht. Ich sollte eben am Ende der Dreharbeiten nicht viel dicker sein als am Anfang.

Morgenpost Online: Passiert es Ihnen eigentlich oft, dass sich die Männer nach Ihnen umdrehen?

Bérénice Marlohe: Offen gestanden, kann ich das nicht beurteilen. Ich gehe nicht großartig in Clubs oder auf Partys, sondern bleibe zu Hause. Lieber verbringe ich Zeit mit meinen Freunden. Und ich wurde auch so erzogen, dass Äußerlichkeiten unbedeutend sind. Ich habe brav gelernt, habe gemalt, zwischen meinem zehnten und 18. Lebensjahr wurde ich am Konservatorium in Klassischem Klavier unterrichtet. Immer wichtig waren spirituelle Dinge. Das hat auch meine Lebenseinstellung geprägt.

Morgenpost Online: Wie würden Sie die beschreiben?

Bérénice Marlohe: Ich wurde auf westliche Weise erzogen, aber ich spüre eine starke Beziehung zum Buddhismus. Vielleicht ist das auch eine Frage der Gene. Denn zu einem Viertel bin ich kambodschanischer und zu einem Viertel chinesischer Herkunft. Nicht dass ich Buddhismus je studiert hätte, aber als ich davon hörte, dachte ich mir: So stelle ich mir das Leben auch vor. Wir haben alle etwas Göttliches in uns. Und wir können jeden Tag unser Leben neu formen - vorausgesetzt, wir hören auf unser Bauchgefühl. In jedem Fall haben wir die Entscheidungsgewalt darüber. So können wir es gestalten wie ein Gemälde, das wir malen.

Morgenpost Online: Wie kam es dann dazu, dass Sie sich acht Jahre lang abkämpfen mussten?

Bérénice Marlohe: Es ist ja nicht so, dass ich alles sofort begriffen hätte. Ich hatte lange Zeit keinen Durchblick. Wenn ich keine Arbeit bekam, war ich depressiv. Aber inzwischen besitze ich mehr Lebenserfahrung.

Morgenpost Online: Glauben Sie auch ans Schicksal?

Bérénice Marlohe: Alles, was mir in meinem Leben passierte, hat eine Bedeutung. Daher muss ich auch imstande sein, auf Zeichen zu achten und sie zu lesen.

Morgenpost Online: Was ist denn ein Zeichen, das Sie bekommen haben?

Bérénice Marlohe: Zum Beispiel habe ich vor kurzem Paulo Coelhos "Der Alchimist" gelesen. Darin habe ich meine ganze Lebenseinstellung widergespiegelt gefunden. Und ich dachte mir: "Wow, ich habe recht." Das war für mich ein Zeichen, dass ich auf meinem Pfad weitergehen soll.

Morgenpost Online: Sie klingen so harmonisch verklärt, wenn Sie das alles erzählen. Gibt es nie Momente, wo Sie mal vor Wut ausflippen?

Bérénice Marlohe: In der Regel bin ich ein sehr ausgeglichener, friedlicher Mensch. Das habe ich vermutlich von meinem Vater. Wenn ich allerdings mit meiner Mutter zu tun habe, kann ich ganz schön zornig werden.

Morgenpost Online: Ist sie so schlimm?

Bérénice Marlohe: Das hätte ich nicht sagen sollen. Sie wird nicht glücklich sein, falls Sie das liest (lacht). Nein, Sie ist eigentlich eine wundervolle Frau, aber gleichzeitig eine Diktatorin. Sie ist sehr, sehr hart, und ich werde wütend, weil sie mich die ganze Zeit kritisiert.

Morgenpost Online: Kritisiert Sie auch, dass Sie zum Bond-Girl wurden?

Bérénice Marlohe: Nein, das findet sie toll. Aber dann sah sie die ersten Interviews, die ich gegeben hatte. Und sofort meinte sie: "Nein, du hättest was anderes sagen sollen."

Morgenpost Online: Haben Sie in Ihrer Jugend gegen sie aufbegehrt?

Bérénice Marlohe: Nein, ich war ein mustergültiger Teenager. Ich habe alles getan, damit sie zufrieden ist, und war auch immer sehr höflich.

Morgenpost Online: War sie damit einverstanden, als Sie Schauspielerin werden wollten?

Bérénice Marlohe: Doch, auf jeden Fall. Sie hatte da keine falschen Klischeevorstellungen. Wobei mich zugegebenermaßen mein Vater sehr unterstützt hat. Er hat mir die Stärke und das Selbstvertrauen gegeben, damit weiterzumachen.

Morgenpost Online: Nachdem Sie sich Ihren James Bond-Traum erfüllt haben, was ist Ihr nächstes Wunschprojekt?

Bérénice Marlohe: Ich habe immer davon geträumt, einen männlichen Bösewicht zu spielen - wie den Joker in "Batman" oder Gary Oldmans Figur in "Leon - Der Profi".

Morgenpost Online: Das dürfte allerdings etwas schwierig werden...

Bérénice Marlohe: Auf jeden Fall möchte ich Gena Rowlands nacheifern. Sie ist meine Lieblingsschauspielerin. Sie hat Mumm, sie ist eine echte Frau.

Morgenpost Online: Wobei Sie durch die Bond-Girl-Rolle eher zu einem Sexsymbol werden dürften. Haben Sie etwas dagegen?

Bérénice Marlohe: Wenn die Leute mich wegen der Art und Weise, in der ich spiele, für sexy halten, dann ehrt mich das. Ich finde, dass eine echte erotische Ausstrahlung von deiner Persönlichkeit, deiner inneren Substanz kommt. Abgesehen davon laufe ich privat nicht besonders gestylt herum. Ich trage eher Jeans, T-Shirt und Laufschuhe.

Morgenpost Online: Haben Sie nicht gesagt, dass Sie lieber als 'Bond-Frau' denn als 'Bond-Girl' bezeichnet werden wollen?

Bérénice Marlohe: Das hat jemand geschrieben, aber es stimmt nicht. Sam hat mich während einer Pressekonferenz als 'Bond-Lady' bezeichnet, aber gegen die Titulierung als 'Bond-Girl' habe ich absolut nichts einzuwenden.

Morgenpost Online: Gibt es denn Vorgängerinnen, die Sie bewundern?

Bérénice Marlohe: Ich finde Barbara Carrera in "Sag niemals nie" und Famke Janssen in "Goldeneye" ziemlich gut.

Morgenpost Online: Das sind aber sehr extreme Charaktere - die Bond umbringen wollen.

Bérénice Marlohe: Ja, aber ich finde Schauspielerinnen gut, die Risiken eingehen und keine Angst haben, mal über ihre Grenzen hinauszugehen. Die beiden haben Psychopathinnen gespielt, und Famke hat ihre Gegner beim Orgasmus mit ihren Schenkeln getötet. Das war sehr amüsant und ungewöhnlich. Und genau das möchte ich sehen, wenn ich selbst ins Kino gehe.

Morgenpost Online: Und würden Sie das selbst tun wollen?

Bérénice Marlohe: Warum nicht? Vorausgesetzt, ich drehe noch einen Bond-Film. Und ich bin mir nicht so sicher, ob das noch einmal passiert (lacht). Ich möchte in meiner Karriere auf jeden Fall alles Mögliche austesten.

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