Berlin. Mit brüchiger Stimme erklärt Union-Klubchef Dirk Zingler die Trennung von Trainer Fischer. Und er stellt eine klare Forderung.
Dirk Zingler, der Präsident von Union Berlin, hatte ein wenig „Angst vor dem Tag. Nun ist er früher da, als wir es uns gewünscht haben“. Wenige Stunden, nachdem der Tabellenletzte der Fußball-Bundesliga die Trennung von Trainer Urs Fischer verkündet hatte, bat der Klubchef zu einer Medienrunde.
Und die Stimme, mit der Zingler sprach, war brüchig. Dem 59-Jährigen war anzusehen, dass die Entscheidung, die am Montagabend getroffen und am Mittwochmorgen veröffentlicht wurde, „die schwierigste Situation“ seiner 19-jährigen Amtszeit gewesen ist. Nach fünfeinhalb Jahren haben Fischer und Zingler gemeinsam entschieden, dass es Zeit sei, sich zu trennen. „Er ist nicht zurückgetreten oder entlassen worden, wir haben die Entscheidung getroffen“, erklärte Zingler.
Beide hätten sich „nach jedem Spiel in den vergangenen Wochen ausgetauscht und eine Sprache gefunden, die sehr nah und persönlich ist. Fischer ist kein Mensch, der zurücktritt und sich vor einer Herausforderung drückt“, sagte Zingler. Doch am Montag „wussten wir, als das Gespräch begann, nach zwei Minuten wie es endet. Uns hat es sehr geholfen.“ Fischer „geht als Freund“.
Mit Fischer geht auch Co-Trainer Hoffmann
Dennoch endet die Ära Fischer – und auch die von Co-Trainer Markus Hoffmann – bei Union Berlin mit einem Paukenschlag. Weil ungeachtet der 13 Niederlagen in 14 Spielen (darunter zwölf in Folge) die fast schon wie Nibelungentreue wirkende Rückendeckung für den Trainer gerade in den vergangenen Tagen mit solcher Wucht kundgetan wurde, dass die Trennung nun „wie ein Schlag mit dem Vorschlaghammer wirkt“, so der Union-Boss. Auch für die Mannschaft, die vor der Trainingseinheit um 10 Uhr von Zingler informiert worden war.
Ein Schlag, der unausweichlich gewesen ist, aus den verschiedensten Gründen, wie Fischer selbst in den Sozialen Netzwerken wissen ließ. „Die letzten Wochen haben uns alle sehr viel Kraft gekostet. Wir haben alles versucht, die Mannschaft hat viel aufgewendet, hat sich mit eisernem Willen gegen diese Negativspirale gewehrt, leider hat es sich nicht ausbezahlt!
Manchmal hilft einer Mannschaft ein anderes Gesicht, eine andere Ansprache von der Trainerbank, um eine Entwicklung auszulösen, und darum wird meine Reise mit euch hier enden.“ Diese inzwischen offenbar fehlende Kraft hat den Zeitpunkt maßgeblich beeinflusst.
Mit Marie-Louise-Eta trainiert erstmals eine Frau einen Männer-Erstligisten
Das bisherige U19-Trainerteam der Köpenicker, Marco Grote (51) und Marie-Louise Eta (32), rücken für Fischer als Interimslösung in den Profibereich hoch. Erstmals wird damit eine Frau in verantwortlicher Trainerposition bei einem Männerteam in der Bundesliga arbeiten.
Ein Novum, für das es laut Zingler keine Alternative gegeben habe. Es habe sich „verboten, sich parallel mit anderen Szenarien zu beschäftigen“ als mit dem Glauben daran, Fischer könnte das Ruder doch wieder herumreißen. Auch die Entscheidung für Marie-Louise Eta sei keine bewusste „Entscheidung für eine Frau“ gewesen, „sondern für eine Fußballlehrerin, die in einem Team arbeitet.“
Was die Suche nach einer neuen festen Lösung angeht, will sich Union Zeit lassen. Über das Anforderungsprofil des Fischer-Nachfolgers wollte Zingler noch nichts sagen, gleichwohl wies er auf die Schwierigkeiten hin, die Union durchaus schon bei der Trainersuche gehabt hatte. Nach der Trennung von Uwe Neuhaus im Sommer 2014 „wurde es ein bisschen holprig“, wie Zingler zugab. Trainer wie Nobert Düwel, André Hofschneider, Sascha Lewandowski oder Jens Keller kamen und gingen, mehr oder weniger erfolgslos.
Zingler ist vom Klassenerhalt von Union Berlin überzeugt
Erst unter Fischer, der 2018 übernahm, ging es in die Bundesliga (2019) sowie dreimal in Folge ins internationale Geschäft (Conference League 2021, Europa League 2022, Champions League 2023). Folglich werde der Prozess der Trainersuche „ein sehr sorgfältiger sein, er begann heute Mittag“, so Zingler am Mittwoch.
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Ab Montag soll es dann mit voller Konzentration in den Kampf um den Klassenerhsalt gehen. Nach der Länderspielpause ist der FC Augsburg zu Gast in der Alten Försterei (25. November, 15.30 Uhr, Sky). Und Zingler wählte klare Worte, wie die Mannschaft, ja der ganze Klub zu handeln habe nach der Trennung vom Erfolgstrainer.
„Ich habe es der Mannschaft am Morgen gesagt: Wenn wir das nicht in Kraft ummünzen und die Punkte holen für den Klassenerhalt, dann erweist man Fischer einen Bärendienst.“ Das, was in den vergangenen fünf Jahren erarbeitet wurde, solle nun nicht wieder eingerissen werden. Zinglers Vertrauen in die Mannschaft sei jedenfalls intakt, verdeutlichte der Union-Präsident: „Wir sind akut vom Abstieg bedroht, aber was unser Kapitän sagt, sind keine Floskeln.“
Zingler: Die Mannschaft von Union Berlin ist intakt
Spielführer Christopher Trimmel hatte zuletzt immer wieder betont, dass die Mannschaft intakt sei. Zingler besätigt: „Es ist nach wie vor eine tolle Kabine. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Jungs diesen Abstiegskampf annehmen und die notwendigen Punkte holen.“ Wohl wissend: „Alle Spieler haben ausnahmslos auch Verträge für die Zweite Liga, wenn auch zu stark reduzierten Bezügen.“
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Am Donnerstag wird es mit Fischer, Hoffmann, Zingler und der Führungsebene ein letztes gemeinsames Frühstück geben, dann ist das erfolgreichste Kapitel der Klubgeschichte beendet. „Ich bin überzeugt davon, dass wir mit dieser Mannschaft die Klasse halten. Alles wird einfacher, wenn wir gegen Augsburg erfolgreich sind“, sagte Zingler. Und ließ dennoch ein wenig Sorge mitschwingen: „Ich weiß nicht, ob wir so etwas wie die vergangenen fünf Jahre noch einmal hinbekommen.“