Berlin. Georg „Katsche“ Schwarzenbeck war wohl der erste, der nach diesem Leitspruch agierte. Sein von purer Verzweiflung getriebener Treffer im Europapokalfinale 1974 gegen Atletico Madrid, der ein Wiederholungsspiel und damit den ersten Landesmeister-Triumph des FC Bayern erzwang, folgte nur einem Motto: Wenn du nicht weißt, wohin mit dem Ball, schieße ihn einfach ins Tor. Gut 44 Jahre später möchte man dies den Profis des 1. FC Union zurufen, verbunden mit der Hoffnung, dass am Sonntag gegen die SpVgg Greuther Fürth (13.30 Uhr, Alte Försterei) nach vier Unentschieden in Folge endlich wieder ein Sieg gelingt.
Die Situation des Berliner Fußball-Zweitligisten im Herbst 2018 lässt sich wie folgt erklären. Die Köpenicker stehen in Schlagdistanz zu den Aufstiegsplätzen, weil sie die beste Defensive der Liga besitzen. Nur acht Gegentore nach zwölf Spielen sind ein echtes Pfund, mit dem sich wuchern lässt. Dass Union dennoch nicht von einem Aufstiegsplatz grüßt, liegt an zu wenig Offensivkraft in den entscheidenden Situationen – und ein wenig auch an der besten Defensive der Liga. Dies mag zunächst komisch klingen, lässt sich jedoch erklären.
Im Sommer wurde mit Urs Fischer ein Trainer geholt, dessen allererste Aufgabe es nach einer mauen Spielzeit gewesen ist, dem Abwehrverhalten der Köpenicker wieder Stabilität zu verleihen. Dies gelang zweifellos, siehe Statistik. Doch dieser defensive Grundgedanke scheint einem Angriffsspiel immer noch zu sehr im Weg zu stehen. Es gilt, den durchaus solide und durchdacht vorgetragen Aktionen ein wenig mehr Verrücktheit zu verleihen, ohne die komplette Statik im eigenen Spiel ins Wanken zu bringen. Überraschende Aktionen, die den Defensivverbund, auf den auch die Fürther großen Wert legen werden, auszuhebeln. Union muss mehr riskieren.
„Keine defensive Grundhaltung“
„Das Verteidigen beginnt vorn, ebenso wie das Angreifen hinten beginnt“, sagte Trainer Fischer und verwies darauf, dass seine Mannschaft „keine defensive Grundhaltung“ habe. Natürlich gebe der Schweizer seiner Elf auch stets Vorgaben für eigene Angriffe mit auf den Weg. Doch auch Fischer musste eingestehen: „Es fehlen uns drei, vier Punkte. Am Ende stehst du in der Tabelle da, wo du hingehörst.“
So vergeht kaum eine Woche, in der an der Alten Försterei nicht darüber geredet wird, dass Union im Offensivspiel noch Luft nach oben hat. Torwart Rafal Gikiewicz platzte nach dem 1:1 vor einer Woche in Regensburg der Kragen („Normalerweise müssten wir Erster sein und fünf, sechs Punkte mehr als die anderen Mannschaften haben“). Auch Innenverteidiger Florian Hübner ließ wissen, Union müsse „mehr ins Risiko gehen“, um endlich wieder drei Punkte einzufahren.
Die Unzufriedenheit innerhalb der Mannschaft ob der zu geringen Punkteausbeute ist spürbar. „Ich hoffe, dass die Spieler unzufrieden sind“, sagte Fischer. Ausgerechnet jetzt muss der Coach seine Startelf jedoch umbauen. Grischa Prömel ist wegen seiner Gelb-Roten Karte in Regensburg gesperrt. Und der Ausfall des Mittelfeldspielers muss erst einmal aufgefangen werden, nachdem sich Prömel immer besser in die Rolle des Bindeglieds zwischen Verteidigung und Angriff hineingespielt hat. Der Kader sei groß genug, um das auffangen zu können, sagte Fischer. Wohl wissend, das dies vielleicht nicht so einfach wird. „Prömel ist ein zentraler Spieler, der auch schon drei Tore erzielt hat“, sagte Fischer, „doch nun ist es Zeit für andere, sich zu zeigen.“ Michael Parensen ist eine Option, sein Einsatz würde vor allem die Defensive stärken. Entschließt sich Fischer jedoch für mehr Offensive und damit für mehr Risiko, stünde Felix Kroos bereit. Unions ehemaliger Kapitän konnte nach seiner Sprunggelenksverletzung wieder voll mittrainieren.
Köln feiert Schützenfest gegen Dresden, HSV siegt in Aue
Wie wichtig ein Sieg am 13. Spieltag für Union ist, lässt sich an den Ergebnissen der Konkurrenten im Kampf um den Bundesliga-Aufstieg ablesen. Spitzenreiter Hamburger SV hielt sich mit 3:1 (1:1) in Aue schadlos, und der 1. FC Köln feierte mit dem 8:1 (2:0) gegen Dynamo Dresden einen Tag vor Karnevalsbeginn ein Schützenfest. Für Dresden war es die höchste Niederlage der Klubgeschichte.
„Wir müssen besser ins Spiel starten, uns wieder mehr zutrauen und mehr Mut haben, nach vorn zu spielen“, forderte auch Mittelfeldspieler Robert Zulj mehr Risiko gegen seinen Ex-Klub. Zumindest Fischer will sich trotz der Sieglos-Serie noch nicht verrückt machen lassen. In den Partien zuvor „waren genügend Möglichkeiten dabei, wir müssen nur kaltschnäuziger werden“, sagte der Union-Fischer. Oder verzweifelter, so wie einst Schwarzenbeck.