Zweite Liga

Er ist Unions neues Gehirn

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Michael Färber
Oliver Ruhnert ist als neuer Geschäftsführer Profifußball der neue starke Mann im sportlichen Bereich beim 1. FC Union

Oliver Ruhnert ist als neuer Geschäftsführer Profifußball der neue starke Mann im sportlichen Bereich beim 1. FC Union

Foto: imago sport / imago/Matthias Koch

Oliver Ruhnert soll den 1. FC Union als neuer Geschäftsführer Profifußball wieder zum Erfolg führen – am liebsten in die Bundesliga.

Berlin.  Es ist sicher keine große Lösung, die der 1. FC Union bei der Besetzung des neu geschaffenen Postens Geschäftsführer Profifußball gefunden hat. Oliver Ruhnert als kleine Lösung zu bezeichnen, würde ihm jedoch nicht gerecht werden. Der 46-Jährige ist der neue starke Mann beim Berliner Fußball-Zweitligisten, was den sportlichen Bereich angeht. „Wir haben feststellen können, dass es menschlich passt und er über ein großes Netzwerk verfügt“, begründete Union-Präsident Dirk Zingler die Personalentscheidung: „Er kann Kader zusammenstellen. Deshalb war es für uns eine logische Schlussfolgerung, bekannte Kompetenzen in die neuen Strukturen einzubauen.“

Ruhnert war seit 1. August 2017 als Chefscout bei Union tätig, davor arbeitete er zehn Jahre lang in diversen Funktionen im Nachwuchs bei Schalke 04. Zuletzt war er dort Direktor der Knappenschmiede, Schalkes Nachwuchsakademie, die inzwischen eine Top-Adresse in Europa ist. Nun verantwortet er bei den Köpenickern alle Belange der Lizenzspielerabteilung.

„Der Hauptgrund, dass ich damals zu Union gekommen bin, war, dass ich als Chefscout wieder Spiele anschauen und Kader zusammenstellen konnte. Nach meiner Direktoren-Tätigkeit in der Knappenschmiede war das genau die Herausforderung, die ich wieder brauchte“, erklärte Ruhnert.

Erste Aufgabe: einen neuen Trainer finden

Für Union habe seinerzeit den Ausschlag „die Stimmung und die Atmosphäre in der Alten Försterei gegeben, beides hat mich angefixt. Das ist für mich ein Riesenkriterium“, erklärte Ruhnert: „Ich mag Traditionsvereine und Menschen, die mit ihren Vereinen mitfiebern und mitleiden.“ Er selbst soll nun dafür sorgen, dass bei Union nach einer verkorksten Saison 2017/18 wieder weniger gelitten wird.

Seinen Vertrag als Chefscout zum 1. August 2017 hatte er mit Helmut Schulte ausgehandelt, dem am Montag entlassenen Leiter der Lizenzspielerabteilung, dessen Posten Ruhnert übernimmt. Sein neuer Kontrakt als Geschäftsführer ist bis 30. Juni 2020 datiert. Durch die erfolgreiche Arbeit auf Schalke, vor allem aber durch seine Vernetzung im Profifußball hat sich Union mehr Kompetenz in die sportliche Leitung geholt. Diese nun verstärkt zu nutzen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn Ruhnert das Präsidium um Zingler als „Herz des Vereins“ betrachtet, ist er quasi das neue Gehirn des Klubs. „Diesen Anspruch muss ich haben und mich ihm auch stellen.“

Seine vorrangigste Aufgabe ist die Einstellung eines Nachfolgers für André Hofschneider. „Erster Schritt ist, einen Trainer zu finden, dann schauen wir auf die Marschrichtung. Ich will für offensiven Fußball stehen, der die Leute mitnimmt. Union besitzt ein unglaubliches Publikum“, verdeutlichte Ruhnert. Der Sportwissenschaftler will dabei der Maxime Zinglers („Wir haben Zeit, Sorgfalt geht vor“) folgen. Ruhnert: „Wir werden bald eine Entscheidung treffen, aber vorher steht die Genauigkeit bei der Auswahl. Einen Zeitplan gibt es nicht.“

Neue Mannschaft unabhängig von Polter planen

Ruhnert wirkt abgeklärt, antwortet oft im Duktus eines Politikers, in vielen Antworten umschifft er geschickt den Kern der Frage. Was nicht wirklich verwundert: Der 46-Jährige arbeitet ehrenamtlich im Fraktionsvorstand für die Partei Die Linke im Rat seiner Heimatstadt Iserlohn. Dass sich dadurch mit seinem neuen Job beim Berliner Fußball-Zweitligisten Probleme ergeben könnten, glaubt er nicht. „Die politische Einstellung ist nicht von der Branche abhängig, für die man arbeitet“, sagte Ruhnert.

Wo er die größten Baustellen in der Mannschaft sieht? „Wir werden den Kader eingehend beleuchten, aber unser Problem in der vergangenen Saison speziell zum Ende hin war es, Tore zu erzielen.“ Gleichwohl müsse die Mannschaft unabhängig vom verletzten Stürmer Sebastian Polter (Achillessehnenriss) geplant werden.

Inwiefern hält er den Aufstieg in die Bundesliga in den kommenden zwei Jahren seiner Vertragslaufzeit für realisierbar? Ruhnert: „Die Zielsetzung zielt ja nicht darauf ab, sie in einem oder zwei Jahren schaffen zu müssen. Gerade in der nächsten Saison mit dem Hamburger SV und dem 1. FC Köln geht es ja auch um wirtschaftliche Voraussetzungen. Grundsätzlich die Richtung zu haben, ist richtig und wichtig.“

Spagat zwischen Authentizität und Millionenspiel

Klubchef Zingler schätzt an seinem neuen Geschäftsführer, dass er „in jedem Gespräch schnell eine eigene Meinung hat, die er auch kundtut. Das brauchen wir hier.“ Daraus lässt sich schlussfolgern, dass bei Union bislang zu wenige Führungspersonen ihre Meinung äußern.

Man darf gespannt sein, wie der Iserlohner den Spagat zwischen Bewahrung der „Authentizität“ und dem Mitwirken im Millionenspiel bewerkstelligen wird. Angesichts der immer rasanter steigenden Ablösesummen im Profifußball ist dies die größte Herausforderung, die auf Ruhnert wartet.

Er selbst gibt sich optimistisch: „Die Marktgegebenheiten sind uns ja bekannt. Wir bewegen uns innerhalb eines Rahmens und müssen uns diesem auch unterwerfen. Aber Union ist eine sehr starke Eigenmarke, die man in Fußball-Deutschland wahrnimmt. Es gibt diese Vereine wie Union oder auch den FC St. Pauli, die etwas anders sind. Das gefällt vielen.“