Berlin. Diesen Augenblick wollte sich Sebastian Polter nicht nehmen lassen. Als einer der ersten war der verletzte Stürmer des 1. FC Union auf dem Platz, war mit operierter Achillessehne zu Steven Skrzybski gehumpelt und hatte seinen Sturmkollegen in die Arme genommen. Eine Geste, aus der tiefe Dankbarkeit sprach, während die Atmosphäre um die beiden Fußballprofis schon ekstatische Züge annahm. Dankbarkeit dafür, dass der Berliner nicht aufgegeben hatte, sich immer wieder dem Duell mit Torwart Manuel Riemann gestellt hatte – und am Ende das bessere Ende für sich behielt. Mit seinem 14. Saisontreffer hatte Skrzybski auch die allerletzten Zweifel ausgeräumt: Union wird auch kommende Saison in Liga zwei spielen, dank eines 3:1 (1:0) gegen den VfL Bochum.
„Die Erleichterung ist riesengroß“, sagte Skrzybski, einfach nur froh, „dass es nicht auf ein Endspiel in Dresden am Sonntag ankommt.“ Erleichterung – es war wohl der Begriff, der nicht oft genug genannt werden konnte. „Das ist pure Erleichterung“, sagte Kenny Prince Redondo, „als ob eine große Last abgefallen ist.“ Und Linksverteidiger Peter Kurzweg bemühte „viele Steine“, die von Herzen abgefallen seien, „der Druck war schon hoch.“ Druck, den sich die Köpenicker mit der Talfahrt in den vergangenen Wochen allerdings auch selbst gemacht hatten.
Nürnberg steigt auf, Kiel in der Relegation
Folglich mutierte die Partie gegen den VfL im Vorfeld zu einem besonderen Spiel für Union. Und besondere Spiele bedürfen auch eines Rahmens, der nicht weniger besonders ist. So bekamen die Transparente, die vor dem Anpfiff die Spieler jener Union-Mannschaft zeigten, die 1968 mit dem FDGB-Pokalgewinn für den größten Kluberfolg gesorgt hatten, gleich doppelte Bedeutung. Zum einen galt es, das 50-jährige Jubiläum jener Sensation gegen Jena zu würdigen. Zugleich wurde diese Ehrerbietung zum Appell an den aktuellen Union-Jahrgang: Man kann alles erreichen, wenn man will.
Und Union wollte am Sonntagnachmittag. Mit Leidenschaft, mit großem Kampfgeist und nimmermüder Laufbereitschaft lieferte die Mannschaft von Trainer André Hofschneider eine Partie ab, die ebenfalls eines Finales – nichts anderes war die Partie gegen Bochum – würdig gewesen ist. Auch wenn es gegen ein Bochumer Team ging, das „das schlechteste Auswärtsspiel der Saison“, so VfL-Angreifer Lukas Hinterseer, abgeliefert hatte. Sei es drum.
„Das war eine bravouröse Leistung, unter so einem Druck so ein Spiel abzuliefern, Chapeau“, lobte Trainer André Hofschneider seine Mannen: „Bochum ist nie nervös geworden, um so bewundernswerter ist es, wie unsere Mannschaft immer wieder attackiert hat.“ Mit einem 4-2-3-1 ging es in das letzte Heimspiel der Saison, an deren Ende eigentlich der Aufstieg in die Bundesliga stehen sollte, den nach Düsseldorf nun auch Nürnberg (2:0 in Sandhausen) feiern durfte. Kiel erreichte mit dem 1:1 in Düsseldorf die Relegation.
Union agierte mit Michael Parensen und Grischa Prömel im defensiven Mittelfeld sowie Dennis Daube davor. Und auf der linken Außenbahn mit Redondo, der nach fünf Minuten die erste Chance vergab. Skrzybski verdaddelte anschließend einen schlampigen Bochumer Rückpass (18.), Simon Hedlund konnte den nächsten Bochumer Abwehrfehler nicht nutzen (19.). Schließlich fand Skrzybski erstmals in Riemann seinen Meister (30.).
Es bedurfte der Mithilfe von Schiedsrichter Robert Schröder, um die verdiente Führung bejubeln zu dürfen. Danilo Soares war in der Union-Hälfte gefoult worden, der Unparteiische erkannte jedoch auf Vorteil für den VfL. „Dann verlieren wir den Ball, und ausgerechnet über Danilos Seite entsteht das Gegentor“, erklärte VfL-Trainer Robin Dutt. Weil Prömel mit einem Einsteigen hart an der Foulgrenze den Ball eroberte, Parensen am schnellsten schaltete und Hedlund steil schickte. In der Mitte verfehlte Daube, doch Redondo stand goldrichtig, 1:0 (45.).
Ein Treffer zum richtigen Zeitpunkt, lag die Konkurrenz aus Fürth (am Ende 2:2 gegen Duisburg), St. Pauli (1:0 gegen Bielefeld) und Darmstadt (3:0 in Regensburg) auch bereits in Führung. Kurzweg: „Wir haben uns aber nur auf unser Spiel konzentriert, nicht auf die anderen Plätze geschaut.“
Als ganze 13 Sekunden nach Wiederbeginn Hedlund die Riesenchance zum 2:0 vergab, war erneut Bochums Soares Vorbereiter für den Union-Jubel. Per Kopf wollte er eine lange Flanke auf seinen Torwart zurückköpfen, doch dieser stand schon neben ihm. Als Bogenlampe fiel der Ball ins Tor, unter frenetischem Jubel der Union-Fans (47.). Das Ziel Klassenerhalt war zum Greifen nah. Selbst Hinterseers Anschlusstreffer in der 86. Minute erschütterte Union nicht mehr, stattdessen nutzte Skrzybski in der Nachspielzeit seine dritte hundertprozentige Chance zur Entscheidung.
Wie sehr sich die Berliner verausgabt hatten, erläuterte Hofschneider: „Einzelne Spieler gehen auf dem Zahnfleisch, umso höher ist der Sieg einzuschätzen. Skrzybski hat sich wohl in der letzten Aktion einen Muskelfaserriss im linken Oberschenkel zugezogen und wird in Dresden ausfallen.“ Auch deshalb wird Polters Umarmung nach Abpfiff Balsam für Skrzybskis Seele gewesen sein.