Berlin. So völlig scheint sich der 1. FC Union dann wohl doch noch nicht von Jens Keller trennen zu können. Im Vorfeld der Pressekonferenz zum Zweitliga-Spiel gegen Dynamo Dresden am Sonnabend (13 Uhr, Alte Försterei) hatte die Medienabteilung des Köpenicker Klubs alle Mühe, die richtige Darstellung für die sechs Monitore zu finden, die hinter den Rednerpulten hängen. Immer wieder leuchtete der Name des am Montag entlassenen Coaches auf. André Hofschneider, Kellers Nachfolger, nahm dies gelassen zur Kenntnis. „Andere Dinge würden schwerer wiegen“, sagte der 47-Jährige nur.
Mit einem kurzen „Mahlzeit“ hatte Hofschneider kurz zuvor den Raum betreten. Natürlich in kurzen Hosen, seinem Markenzeichen. Und mit Plänen für Veränderungen in der Mannschaft oder bei Abläufen, einem neuen Kapitän oder gar einer neuen Spielidee? „Nein“, kam Hofschneiders Antwort ebenso kurz wie schnell: „In zwei Tagen eine Generalanalyse über irgendwelche Dinge zu machen, steht mir nicht zu und ist auch gar nicht möglich.“
Zweimal hat er die Profis bislang trainiert, da sei es auch illusorisch, schon irgendeine Handschrift zu sehen. „Ich glaube auch nicht, dass es Ansatzpunkte gibt für total negative Stimmung“, verdeutlichte Hofschneider.
Dem Team attestiert er einen „Top-Charakter“
Stattdessen spricht er von Impulsen, die es zu setzen gilt. Nicht von einer Mentalität, die dem Team laut Lutz Munack, Unions Geschäftsführer Sport und verantwortlich für den Trainerwechsel, doch angeblich fehle. „Mentalität ist ein viel strapaziertes Wort in der heutigen Zeit“, sagte Hofschneider nur.
Der ehemalige Abwehrspieler, den bei Union alle nur „Hofi“ rufen, ist nach dem großen Knall vom Montag der Knalldämpfer. Keine Platidüden aus der Abteilung Attacke, kein „Die Spieler müssen Gras fressen“. Stattdessen redet er seine Profis stark, attestiert ihnen einen „Top-Charakter“, auch weil sie am Montag nach Bekanntgabe der Trennung von Keller sich für ihren geschassten Trainer ausgesprochen hatten: „Das werte ich nicht als Kritik an mir. Und es zeigt, dass die Spieler ein sehr gutes Verantwortungsgefühl haben.“
Doch was ist mit all den Fehlern aus den Vorwochen? Den Flanken des Gegners, die es unter allen Umständen zu unterbinden gilt, dem Defensivverhalten der Mannschaft, der spielerischen Flexibilität? Hofschneider bescheinigte seinen Spielern „gewisse individuelle Qualitäten“, um diese Probleme schnell lösen zu können. Und nimmt sie zugleich in die Pflicht: „Qualität ist es erst dann, wenn sie sich auf dem Platz bemerkbar macht. Jeder muss seinem Anspruch – das, was er glaubt zu können – gerecht werden.“
Sieg gegen Dresden ist jetzt das oberste Ziel
Solche fast schon philosophischen Ansätze wollen so gar nicht zu jenem Hofschneider passen, den die Öffentlichkeit bislang wahrgenommen hat. Sein Blick auf „die Mehrzahl an gewonnen Zweikämpfen in entscheidenden Momenten“, für ihn ein Schlüssel zum Erfolg, passt da schon eher zu jener Arbeitermentalität, die ihm gern nachgesagt wird.
Einer Mentalität, die dem gebürtigen Ost-Berliner als Assistent diverser Union-Trainer seit 2007 sehr gut zu Gesicht stand, auch als Interimschef in den letzten zwölf Spielen der Saison 2015/16. Von Hofschneider, mit einem Vertrag bis Sommer 2019 ausgestattet, wird nun jedoch nicht weniger verlangt als der Bundesliga-Aufstieg.
„Ein Sieg gegen Dresden ist jetzt das viel, viel wichtigere Ziel als irgendwelche Dinge, die im Sommer stattfinden“, konterte Hofschneider jedem Druck, der nun auf ihm lastet. Dresden, dann Ingolstadt (15.12.), Kiel (23.1.), Nürnberg (26.1.), Bielefeld (5.2.) und Düsseldorf (10.2.) – Mitte Februar wird Hofschneider wissen, ob die Entscheidungen, die getroffen wurden, richtig gewesen sind und Union wieder dick im Aufstiegsrennen dabei ist.
Als Profitrainer auf sich aufmerksam machen
Für ihn selbst ergibt sich die Chance, erstmals in der Profitrainer-Gilde auf sich aufmerksam zu machen. Was er typisch stoisch hinnimmt: „Das tangiert mich nicht und wird mich auch nicht verändern, nur weil ich vielleicht mal in fünf Jahren etwas erreichen will. Ich bin ehrgeizig, weil ich lieber gewinne als verliere.“
Hat ihn die Ausbildung zum Fußballlehrer verändert? „Man muss sich nicht immer dem verschreiben, was gerade ‘in’ ist. Jeder Trainer sollte sich Individualität bewahren.“ Als sogenannten Laptop-Trainer wird man ihn in Köpenick sicher nicht erleben.
Lange überlegen, ob er den Posten bei Union annimmt, musste er nicht: „Gewisse Angebote sollte man nicht ablehnen. Ich bin seit 27, 28 Jahren hier, kenne den Verein und viele Menschen gut genug. Man hält es an einem Ort ja nicht so lange aus, wenn man nicht irgendwo eine Verbindung zum Ganzen hat.“