Fußball

Bobby Wood wollte schon nach zwei Wochen aufgeben

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Michael Färber
Bobby Wood vom 1. FC Union

Bobby Wood vom 1. FC Union

Foto: City-Press / picture alliance / City-Press Gb

Union-Stürmer Bobby Wood spricht über seinen schweren Start beim Fußball, Angst und sein ausgeprägtes Körperbewusstsein.

Oliva Nova.  Dynamik. Es ist die Dynamik in seinen Bewegungen, die einem sofort auffällt. In Zweikämpfen, Sprints oder beim Lauf am Strand zeigt er, in welch guter Verfassung er ist. Man kann mehr als nur erahnen, was sein Trainer Sascha Lewandowski meint, wenn er sagt, Bobby Wood wüsste noch gar nicht, wie viel Kraft in ihm steckt.

Berliner Morgenpost: Sind Sie sehr körperbewusst?

Bobby Wood: „Ich mache schon etwas für meinen Körper. Ich habe aber auch gute Gene, bin von Natur aus etwas athletischer. Man muss aber auch entsprechend auf seine Ernährung achten.“

Gibt es etwas Spezielles, das Sie über das normale Training hinaus machen?

„Ich habe ein paar Übungen, die ich von den Fitnesstrainern der Nationalmannschaft bekommen habe. Die ziehe ich Woche für Woche durch.“

Im Profifußball hat man ja auch gar keine andere Wahl, als sich um sich um sein Kapital – sprich: den Körper – zu kümmern, oder?

„Jeder Spieler ist anders, aber meine Spielweise hat auch viel mit Athletik zu tun. Deswegen ist es für mich wichtig, dass ich meine Übungen immer durchziehe.“

Der Stürmer des 1. FC Union achtet akribisch auf seinen Körper. Das war nicht immer so. Damals, als er im April 2011 unbedingt mithelfen wollte, die U20-Auswahl seines Heimatlandes USA zur WM zu schießen. Als er sich trotz Knieproblemen einwechseln ließ und dafür mit einer mehrmonatigen Zwangspause bestraft wurde. Er wollte eine Operation unbedingt vermeiden. Nicht die schlaueste Idee, wie er heute, mit 23 Jahren zugibt. Der Ehrgeiz war einfach größer als die Vernunft.

Sind Sie sehr ehrgeizig?

„Ja, kann man sagen. Ich will immer das Beste geben, was ich kann. Und wenn man der Beste werden will, muss man mehr tun. Mein Ziel ist es, auch mal in der Bundesliga zu spielen. Wenn das mit Union gelingt, wäre das super. Doch dafür muss man halt ehrgeizig sein.“

Führt das auf dem Platz auch mal zu Eigensinn? Oder muss man als Stürmer sogar eigensinnig sein?

„Klar muss man das auch sein. Es gibt aber sicherlich auch Momente, in denen ich abspielen muss (grinst). Gegen Paderborn (0:2, d.Red.) zum Beispiel, da muss ich zu Sören (Brandy) rüberspielen. Aber aus solchen Situationen lernt man auch, dass man nicht immer alles allein machen muss. Trotzdem braucht man als Stürmer natürlich Durchsetzungsvermögen.“

Möchten Sie sich in solchen Momenten vielleicht auch selbst oder anderen etwas beweisen?

„Ich denke nicht so: Ich muss jetzt allen zeigen, dass ich dribbeln kann. Während des Spiels passiert vieles sehr schnell. Und manchmal ist es mein Instinkt: Gehe allein statt zu passen. Manchmal treffe ich noch die falsche Entscheidung, wie gegen Paderborn, aber manchmal klappt es auch.

Jedes erfolgreiche Dribbling dürfte ihn dennoch mit Genugtuung erfüllen. Vielleicht auch deshalb, weil er in seiner ersten Zeit in Deutschland kaum anerkannt wurde, schon gar nicht von seinen Teamkollegen. Mit 14 Jahren kam Wood nach München zu 1860. Die Löwen-Jugend betrachtete ihn als den Neuen, abschätzig und ablehnend. Ein Junge aus den USA, was will der denn schon von Fußball wissen. Obwohl er kaum ein Wort Deutsch verstand, verstand er schnell, dass schlecht über ihn geredet wurde. So etwas kannte er nicht, in seiner Heimat ist Teamspirit ein fast schon heiliges Gut ist. Sein erster Eindruck von Deutschland war deshalb alles andere als gut.

„Ich habe viel gesehen, weil ich auch allein war. Deshalb halte ich lieber ein wenig Abstand. Wenn meine Freunde kommen, ist das etwas anderes. Ich muss keinem zeigen, ich bin so oder so. Das kommt von allein.“

Hatten Sie damals ein wenig Angst zu scheitern?

„Am Anfang war es ohnehin nicht mein Ziel, dass ich in den Profibereich gehe. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt, sondern dass alle wie in den USA zunächst auch aufs College gehen. Nach ein paar Jahren wollte ich es aber schon schaffen. Doch wegen einiger Verletzungen war es schwer. Ich habe schon daran gedacht, wieder in die USA zurückzugehen.“

Haben Sie heute noch Angst vor engen Räumen? Als Kind sind Sie in einem Aufzug stecken geblieben.

„Es ist schon viel besser geworden. Ich muss immer schauen: Wenn der Aufzug ein wenig größer ist und ich auch rausschauen kann, dann ist es okay für mich.“

Was haben Sie getan, um diese Angst zu überwinden?

„Das ist viel von allein passiert. Man muss ja viel Aufzug fahren, das war dann auch der erste Schritt, um die Platzangst zu besiegen. So dramatisch ist das nicht.“

Als Wood die Worte wählt, wirkt er selbstbewusst, fernab jeglicher Überheblichkeit. Die Mischung aus Sympathie und Unnahbarkeit wirkt wie ein Schutzwall, der nur selten durchbrochen wird. Zum Beispiel wenn er beim Passspiel Sechs-gegen-zwei die Spieler in der Mitte zu Liegestützen zwingt, weil sie nach zwölf Kontakten den Ball nicht erobern konnten. Der Sohn eines Afroamerikaners und einer Japanerin wirkt dann gelöst wie der einfache Junge, der in Honolulu auf Hawaii geboren wurde und im Alter von zwölf Jahren mit seiner Mutter und der Schwester nach Südkalifornien übersiedelte.

Sind Sie sehr traditionell erzogen worden?

„Früher, bei meiner Mutter, habe ich schon einige traditionelle Dinge gemacht. Zum Beispiel einen Kimono tragen oder auch das japanische Neujahrsfest feiern.“

Über Ihre Mutter sind Sie auch zum Fußball gekommen?

„Genau. Sie wollte, dass ich etwas zu tun habe nach der Schule und meine Energie ein wenig loswerde. Da habe ich mit Fußball angefangen. Dabei wusste ich gar nicht, was Fußball überhaupt ist.“

Wieso sind Sie dann zum Fußball gegangen, anstatt eine amerikanische Sportart auszuprobieren, wie American Football oder Baseball?

„Mein Freund in dieser Zeit hat Fußball gespielt. Und es war die einzige Möglichkeit, dass ich zum Training komme, weil seine Mutter uns immer gefahren hat.“

Und es war gleich Liebe auf den ersten Blick?

„Nein, ich wollte nach zwei Wochen aufhören. Aber es gab keine andere Möglichkeit, Sport zu machen. Also habe ich einfach weitergespielt.“

Mit Erfolg. Bei Union stand Wood in allen 19 Saisonspielen in der Startelf und ist mit sieben Treffern bester Torschütze. Nach der schweren Zeit in München und dem Abstecher in der vergangenen Rückrunde nach Aue sind die Köpenicker ein Glücksfall für ihn. Und umgekehrt. Zeitgleich hinterlässt er im US-Team von Jürgen Klinsmann immer größere Spuren. Seine beiden Treffer im vergangenen Sommer gegen die Niederlande (4:3) und Weltmeister Deutschland (2:1) sollen da nur ein Vorgeschmack dessen sein, was noch kommen kann.

Lief es schon einmal besser in Ihrer Karriere?

„Ich habe nie so oft gespielt in einer Mannschaft wie bei Union. Ich habe dabei viel gelernt, zum Beispiel sich selbst zu motivieren, wenn es einmal nicht so läuft, um wieder in die Mannschaft zu kommen.“

Union baut auf Sie und Ihre Tore. Wie wertvoll ist dieses Vertrauen?

„Es hilft jedem Spieler. Das ist der Grund, warum man noch ein paar Prozent mehr Leistung herausholen kann. Ich hatte viel Glück, mit Norbert Düwel und Sascha Lewandowski zwei Trainer zu haben, die mich immer unterstützt haben.“

Wie stark unterstützt Klinsmann Sie?

„Sehr viel. Ich hatte viel Glück, dass er mich so gepusht in der Zeit, in der es nicht so gut lief. Deswegen probiere ich immer, wenn ich zu einem Länderspiel eingeladen werde, alles zu geben.“

Was bedeutet es für Sie, für Ihr Land zu spielen?

„Als ich angefangen habe, dachte ich nicht, dass es so weit gehen würde. Es macht immer Spaß, wenn ich zum Nationalteam gehe und mit den Amis zusammen bin. Für den Kopf ist das sehr wichtig. Besser geht es nicht.“

Was nicht heißt, dass er nicht noch Träume hat. Eine WM mit den USA spielen, zum Beispiel. Wood selbst spricht von kleinen Schritten, die er auf dem Weg dahin bislang gemacht hat. Der Schritt bei Union ist ohne Zweifel ein wenig dynamischer.