Berlin. Union verspielt gegen Nürnberg einen möglichen Aufschwung. Weil gegen die Franken gleich ein Zwei-Tore-Vorsprung vergeben wird.
Noch einmal segelte eine Flanke in Richtung Nürnberger Strafraum, noch einmal stieg Toni Leistner hoch zum Kopfball, noch einmal konnten die Gäste klären. Dann pfiff Schiedsrichter Robert Kampka (Mainz) die Partie des 1. FC Union gegen die Franken ab. Was folgte, war – Stille. Bedrückende, atemlose Stille. Nicht einmal aus den Lautsprechern dröhnte irgendeine Musik. War es die Leere nach einem erneuten Spektakel in der Alten Försterei, das eigentlich keines werden sollte? Oder schon die gar nicht mehr so schleichende Erkenntnis, dass der aktuelle Union-Jahrgang offenbar nicht für mehr geschaffen ist, als um den Klassenerhalt zu kämpfen?
Keine Frage, das 3:3 (1:1) gegen Nürnberg war eine Partie, in der Union vieles richtig machte. Aber auch wieder genug falsch, um sich um den verdienten Lohn zu bringen. Statt des sehnlichst erhofften zweiten Sieges in Folge, des Befreiungsschlages, tritt Union weiter auf der Stelle. „Wir haben wieder einen Vorsprung dahergeschenkt, das zieht sich wie ein roter Faden durch die Saison“, sagte Maximilian Thiel, der den Gelb-gesperrten Benjamin Kessel als Kapitän vertrat.
Wie konnte es vor 21.552 Zuschauern dazu kommen? „Indem wir nach dem 3:1 zu passiv waren und das Spiel abgeschenkt haben“, sagte Thiel. Sascha Lewandowski, Unions Trainer, sah in den 20 Minuten nach der Führung ebenfalls den Knackpunkt. „Nürnberg hat uns in dieser Phase rein- und rausgespielt. Wir haben überhaupt keinen Zugriff mehr auf die Partie bekommen.“ Schließlich nannte der Coach den Hauptpunkt, warum die Seinen eine Partie, die sie komplett kontrolliert haben, doch wieder aus der Hand gaben: „Irgendwann muss ich auch mal Zweikämpfe gewinnen, das haben wir in dieser Phase nicht gut gemacht.“
Abwehrfehler bringen Union um den Lohn
Nicht gut? Alessandro Schöpf durfte ungehindert durch die Union-Hälfte spazieren, die Abwehrversuche von Michael Parensen, Leistner und Roberto Puncec sind maximal als halbherzig zu bewerten. Schöpfs Abschluss, den Ball einfach in die kurze Ecke zu löffeln, hingegen als schlitzohrig (66.). Unions Thiel sprach von einem „dusseligen Gegentor“, er hätte aber auch den Ausgleich gemeint haben können. Danny Blum schoss einen Freistoß an die Latte, und beim Abpraller reagierte Patrick Erras schneller als Parensen und Christopher Trimmel, 3:3 (75.). „Das ist bitter und tut weh, so in die Länderspielpause zu gehen“, sagte Thiel.
Wer dachte zu diesem Zeitpunkt noch an die Anfangsphase, in der Union wieder ein schnelles Gegentor kassierte, weil Leistner den Ball nach Schuss von Tim Leibold und Verlängerung von Hanno Behrens unglücklich ins eigene Tor abgefälscht hatte? Torwart Daniel Haas war nach nicht einmal fünf Minuten machtlos.
„Doch anders als gegen Paderborn sind wir diesmal nach dem Rückstand nicht wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen rumgelaufen“, erklärte Thiel. Tatsächlich konnte der zweite Gegentreffer verhindert werden. Union fand zurück ins Spiel – und wie. Immer wieder wurde versucht, die beiden Sturmspitzen Bobby Wood und Steven Skrzybski in Szene zu setzen. Vor allem der US-Nationalspieler sammelte durch seinen Einsatz nicht nur fleißig Pluspunkte, sondern war auch zur Stelle, als ein Stürmer gebraucht wurde.
Doppelschlag bringt trügerische Sicherheit
Thiel hatte einen Freistoß quer auf Trimmel gelegt, dessen Schuss aus knapp 30 Metern von Nürnbergs Torwart Thorsten Kirschbaum nicht festgehalten wurde. Wood staubte ab, sein fünfter Saisontreffer (21.). „Wie wir den Schock des frühen Gegentores verdaut haben, war gut“, lobte Lewandowski. Zumindest im Ansatz jener zweite Schritt nach dem 2:0 in Heidenheim.
Und da war noch mehr. Parensens klasse Ballgewinn, der eine Kombination einleitete über Damir Kreilach und Wood, der Skrzybski nach einer gekonten Drehung bediente. Unions Eigengewächs bedankte sich dafür mit einem feinen Heber zum 2:1 (54.). Doch damit nicht genug: Puncec köpfte eine Trimmel-Ecke aus fünf Metern zum 3:1 ins Netz, nur vier Minuten später. Dann kam der Bruch. „Nach dem 3:1 hat doch das ganze Stadion gedacht, dass wir sie in der Tasche haben“, sagte Thiel. Den Spielern ging es offenbar ebenso – ein fataler Fehler.
Noch vor dem Ausgleich der Nürnberger brachte Lewandowski mit Sören Brandy und Kenny Prince Redondo zwei frische Stürmer für Wood und Skrzybski. Ein Wechsel, der seine Wirkung verfehlte, da sich beide zunächst viel zu defensiv verhielten. Dies nutzten die Franken zum dritten Treffer. Dass Kreilachs Kopfball (83.) und Brandys Versuche (84., 88.) nicht ins Ziel fanden, passte ins Bild. Und zur Stille nach dem Spiel.