Bundesliga

Herthas Aufbruch zu neuen Höhen

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Jörn Lange
Hertha feiert Vedad Ibosevic (r.), den Siegtorschützen von Köln

Hertha feiert Vedad Ibosevic (r.), den Siegtorschützen von Köln

Foto: Dennis Grombkowski / Bongarts/Getty Images

Hertha-Stürmer Ibisevic beendet seine Durststrecke und gibt den Berlinern neuen Mut im Kampf um einen Platz im Europapokal.

Berlin.  Etwas dreist wirkte sie ja schon, die erste Journalisten-Frage an Vedad Ibisevic, nämlich die nach seinem fehlenden zweiten Tor. Dass sie kommen würde, war allerdings erwartbar, und so reagierte der Bosnier dann auch gelassen. Ja, natürlich habe er sich auch diesmal einen zweiten Treffer zum Ziel gesetzt, aber nein, es habe nun mal nicht klappen wollen. Kein Lächeln, kein Augenzwinkern – die Bundesliga hat schon euphorischere Siegtorschützen geboren.

Bislang war es bei Ibisevic ja so: Traf er einmal für Hertha, legte er prompt ein Tor nach, so hatte er es dreimal in der Bundesliga gemacht und einmal auch im DFB-Pokal. Ibisevic, ein menschgewordenes „Doppelt-hält-besser“. Beim 1. FC Köln musste sich der Stürmer am Freitagabend nun erstmals wieder mit nur einem Treffer begnügen. Von der Bedeutung aber ließ sich sein Tor zum 1:0 (1:0) in der 43. Minute guten Gewissens doppelt werten. Er bescherte den Berlinern den so sehnlich erwarteten ersten Liga-Sieg im Jahr 2016, und das zu einem denkbar günstigen Zeitpunkt. „Das Timing ist gut“, sagte Mittelfeldarbeiter Per Skjelbred, „jetzt sind wir mit einem Erfolgserlebnis in die englische Woche gestartet. Das ist wichtig.“

Der Druck, sagte Ibisevic, sei langsam aber sicher gestiegen. Vier Unentschieden und eine Niederlage wies die Rückrundenstatistik bis Freitagabend aus. Dass die Berliner ihren dritten Tabellenplatz trotz dieser durchwachsenen Bilanz behauptet hatten, war auch der (Nicht-)Verdienst ihrer Verfolger. Der Blick auf die Tabelle allein aber macht nicht glücklich, Sportler brauchen Siege auch für das eigene Seelenheil, für die Stimmung. „Es tut wirklich gut, mal wieder zu gewinnen“, gab Mitchell Weiser zu. Ibisevic formulierte es etwas anders: „Wir brauchten wieder Selbstvertrauen.“

Höhere Ziele werden ab 46 Punkten ein Thema

Die drei Punkte aus Köln, es sind Zähler, von denen sich Hertha einen Schub erhofft. Am Mittwochabend empfangen sie im Olympiastadion Eintracht Frankfurt, am Sonntag geht es zum Hamburger SV. Zwei Spiele, in denen die Berliner viel gewinnen können. Mit zwei weiteren Siegen und dann 45 Punkten würden sie ihren Trainer sogar etwas unter Zugzwang setzen. Ab 46 Zählern, sagte Pal Dardai, könne man über neue, höhere Ziele sprechen. Stichwort Europapokal, ein Thema, das der Ungar bislang entschieden von sich wegschiebt.

Dass ausgerechnet Ibisevic zum insgesamt elften Saisonsieg traf, passte ins Bild. Ein wenig hatte der 31 Jahre alte Angreifer ja für Herthas Dilemma im Jahr 2016 Pate gestanden. Von enttäuschenden Leistungen konnte bei ihm genauso wenig die Rede sein wie bei seinem Team.

Doch so wie Hertha die Siege fehlten, fehlten ihm die Tore. Fünf Spiele lang. 599 Spielminuten. Sechs Wochen. Statt über weitere Doppelpacks wurde über seine Gelben Karten diskutiert, darüber, ob Ibisevic nun eher Rüpel, Rowdy oder doch ein ganz normaler Fußballer sei. Nun also wieder ein Treffer, zwei Minuten vor der Halbzeit. An Stammtischen sprechen sie in solchen Momenten gerne vom „strategisch günstigen Zeitpunkt“. Ibisevic und das Timing.

„Wir drehen ganz sicher nicht durch“

Durch sein Tor wird Hertha nun also auch den 23. Spieltag auf Platz drei beenden. Auch dieses Thema arbeitete Ibisevic nüchtern ab. „Wir drehen ganz sicher nicht durch“, sagte er. Ein Satz, so typisch wie sonst seine zwei Tore in einem Spiel. Schon im Wintertrainingslager in Belek gab er den Mahner, warnte vor Zufriedenheit.

Ibisevic weiß aus eigener Erfahrung, wie schnell es wieder abwärts gehen kann in der Bundesliga. In der Saison 2008/09 feierte er als Aufsteiger mit der TSG Hoffenheim die Herbstmeisterschaft, erzielte allein in der Hinrunde 18 Treffer, mischte die Liga auf. Dann aber zog er sich einen Kreuzbandriss zu – Saisonaus. Hoffenheim beendete die Spielzeit später auf Platz sieben. Spricht er heute über Hertha, geht es daher meist um zwei zentrale Punkte: niemals nachlassen, und sich weiterentwickeln.

Das mit dem nicht nachlassen gelang Hertha gegen die Kölner nur bedingt. Nach einer dominanten ersten Halbzeit verloren die Berliner in Durchgang zwei die Kontrolle über das Spiel. Köln griff vor allen mit langen Bällen an, Hertha hielt dagegen. Eine zweite Hälfte, die Dardai an „englischen Zweitligafußball“ erinnerte, aber nicht „dem Fußball entsprach, den ich spielen lassen möchte“.

Nicht den Schneid abkaufen lassen

Mit dem kämpferischen Einsatz seiner Mannschaft war er allerdings zufrieden. In Bremen, erklärte der Coach, habe sich Hertha nach einer Zwei-Tore-Führung noch den Schneid abkaufen lassen. Am Ende stand ein ernüchterndes 3:3. Diesmal lief es anders. Auch deshalb blickte Dardai optimistisch in die englische Woche. „Jetzt“, sagte der Trainer, „beginnt die Rückrunde erst richtig.“