Hertha gegen Union: Das Derby spaltet die Stadt. Auch Berlins Regierender Bürgeremeister Klaus Wowereit (SPD) lässt sich das Spiel nicht entgehen. Im Interview mit Morgenpost Online resümiert er seine Erlebnisse mit Hertha und spricht von der “Religion“ Union.
Morgenpost Online: Bekümmert es Sie als Regierender Bürgermeister, wenn das zweite zugleich das vorerst letzte Derby zwischen Hertha und Union bliebe?
Klaus Wowereit: Derbys haben natürlich ihren eigenen Reiz. Aber ich finde, dass mindestens ein Hauptstadtverein in die erste Liga gehört. Am Besten sogar beide. Warum sollte, was in andern europäischen Metropolen geht, in Berlin nicht möglich sein?
Morgenpost Online: Wenn Sie frei wählen dürften, wo Sie das Spiel sehen wollen: im Stadion, in der Kneipe oder zu Hause auf dem Sofa?
Wowereit: Im Stadion. Man bekommt einen ganz anderen Eindruck von der Schnelligkeit und der Raumaufteilung des Spiels, wenn man das ganze Spielfeld überblickt.
Morgenpost Online: Schaut Klaus Wowereit denn privat auch Fußball? Und wie stellen wir uns das vor: In Schlabberhose und mit einem Bier?
Wowereit: Ich sehe natürlich die großen Spiele, WM, EM und Pokal. Für mehr reicht oft leider die Zeit nicht. Und zur Kleidung: bequem in Jeans und Shirt.
Morgenpost Online: Fußball in Berlin – das sind derzeit Raffael und Lasogga, das sind Mattuschka und Benyamina. Wen sehen Sie national und international gern spielen?
Wowereit: Ich fand Arne Friedrich bei der WM in Südafrika richtig klasse. Ich hoffe, dass er nach seiner Verletzung jetzt schnell wieder Tritt fasst. International steht natürlich Messi ganz oben, aber auch die spanischen Mittelfeldspieler.
Morgenpost Online: Berlin ist vereint – aber im Fußball immer noch gespalten. Gut, weil es Profil schafft? Oder bedauerlich, weil sich neue Gräben auftun?
Wowereit: Von „gespalten“ würde ich nicht sprechen, eher von gesunder Rivalität. Wenn es beide Mannschaften zu Höchstleistungen antreibt, umso besser. Und was die Fans anbetrifft, die Hinrunden-Begegnung ist doch in toller Atmosphäre und zugleich sehr friedlich verlaufen. Großes Kompliment.
Morgenpost Online: Für Dissonanzen zwischen den Klubs Hertha BSC und 1. FC Union sorgte beim Derby-Hinspiel das Thema Stadionmiete: Wie weit darf, wie weit muss ein verschuldeter Senat Fußballunternehmen %helfen?
Wowereit: Der Berliner Senat hat im Rahmen seiner Möglichkeiten beide Vereine unterstützt, auch finanziell. Aber natürlich muss es das Ziel der Vereine sein, sich wirtschaftlich selbst zu tragen.
Morgenpost Online: Junge Berliner wie der Halb-Iraner Radjabali-Fardi oder der Deutsch-Kosovare Perdedaj – sie scheinen sozialisierter, integrierter als die Generation vor ihnen um die Ghetto-Kids Boateng und Dejagah. Sagt das etwas über einen generellen Wandel in Berlin?
Wowereit: Ich warne da vor schnellen Deutungen. Es gibt auch deutsche Spieler, die mal über die Stränge schlagen, und die Breitners und Netzers waren früher auch keine Musterknaben. Richtig ist, für einen Zwanzigjährigen, der einen Millionenvertrag bekommt, ist es schwierig, die Bodenhaftung zu behalten. Da tragen die Vereine eine große erzieherische Verantwortung.x
Morgenpost Online: Bei Hertha spielen fast ein Dutzend Eigengewächse aus Wedding und Spandau, aus Kreuzberg und Reinickendorf, aus Lichtenberg und Hohenschönhausen. Der Förderer dieser Talente heißt Markus Babbel. Ist Babbel der Mann, der Berlin gut tut – jung, weltoffen, dynamisch?
Wowereit: Die Mannschaft liegt gut im Aufstiegsrennen, sie spielt mit Leidenschaft, kann auch Rückschläge wegstecken, die Handschrift des Trainers ist erkennbar. Der Mann arbeitet sehr gut. Wichtig ist aber, ihm auch dann zu vertrauen, wenn es mal nicht so gut läuft.
Morgenpost Online: Fußball in Berlin – das ist für die Menschen nicht so sehr Religion wie etwa in Dortmund oder Schalke. Wie bewerten Sie die gesellschaftliche Bedeutung von Hertha und Union?
Wowereit: Bei Union ist schon ein wenig Religion dabei. Das hat mit der Verankerung des Vereins in seinem Kiez zu tun, da ist bei St..Pauli nicht anders. Insgesamt muss man sagen, dass in Berlin der Fußball mehr Konkurrenz hat als in anderen Städten. Trotzdem verzeichnet Hertha auch in der Zweiten Liga hervorragende Zuschauerzahlen. Beide Vereine leisten einen großen Beitrag zum positiven Image der Sportstadt Berlin.
Morgenpost Online: Seit 2001 sind Sie Bürgermeister, in dieser Zeit haben Sie mit Hertha viel erlebt: Europapokal, Titelträume und den Abstieg. Jetzt lockt der Aufstieg. Welches Potenzial hat Hertha, und was braucht es, um dieses auch abzurufen?
Wowereit: Ich denke, ein wenig Geduld täte uns ganz gut. Die Saison ist noch lang, und sollte der Aufstieg geschafft werden, was ich mir wünsche, wird es zunächst darauf ankommen, die Klasse zu halten. Aber ich werde den Traum, irgendwann auf dem Balkon des Roten Rathauses den Deutschen Meister Hertha BSC begrüßen zu können, natürlich nicht aufgegeben.
Morgenpost Online: Zur Sportstadt Berlin: Alba, Eisbären und Füchse sind in ihren Sportarten, in ihren Ligen gut platziert. Fußball aber steht über allem. Belebt die Konkurrenz zwischen den Klubs das Stadtleben?
Wowereit: Fußball ist nun mal der Deutschen liebstes Kind. Aber wer in der O2 World die Begeisterung erlebt, wenn die Eisbären oder Alba spielen, wer den Aufstieg der Füchse zur Spitzenmannschaft verfolgt, kann sich eigentlich über die sportliche Vielfalt in unserer Stadt nur freuen. Wir haben großartige Mannschaften, und wir haben ein fachkundiges, sportbegeistertes Publikum, was will man mehr?
Morgenpost Online: Wo wir schon bei Zukunftsvisionen sind: Im Sportstädte-Ranking des Weltwirtschafts-Instituts HWWI belegt Berlin Platz zwei hinter Hamburg. Sollte sich Berlin denn nochmals für Olympia bewerben?
Wowereit: Olympiabewerbungen sind eine nationale Angelegenheit. Der DOSB hat jetzt für die Winterspiele 2018 auf München gesetzt. Wir unterstützen das, wissen aber, dass damit eine Berliner Bewerbung für die Sommerspiele nicht einfacher wird. Aber ich sage auch klar: Berlin hat alle Voraussetzungen für Olympia und wäre mit seinen Sportstätten, seiner Infrastruktur und seiner Gastfreundschaft ein großartiger Botschafter unseres Landes.
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