Als einzige Berlinerin wurde Christine Beier für die Handball-Weltmeisterschaft nominiert. Da die 29-Jährige zur WM fährt, lässt ihr Berliner Zweitligaklub vier Spiele verlegen.
Für die opulente Weihnachtsbeleuchtung auf dem Tauentzien hatte Christine Beier kein Auge. Windig war es und regnerisch obendrein. Doch die letzten Besorgungen vor dem Abflug nach Belgrad zur Handball-WM erlaubten keinen Aufschub, also kämpfte sich die Handballspielerin durch die Menschenmassen am Wittenbergplatz. Am Freitag fliegt die 29-jährige Berlinerin mit der deutschen Auswahl nach Belgrad, mit dem Vorrundenspiel gegen Australien (17 Uhr, Sport 1) startet die Mannschaft von Bundestrainer Heine Jensen dann am Sonnabend in die Titelkämpfe.
In Novi Sad tragen die deutschen Handballerinnen ihre fünf Gruppenspiele aus, und Christine Beier hat positive Erinnerungen an die zweitgrößte Stadt Serbiens. Schon bei der EM 2012 war die deutsche Auswahl dort zu Gast, „und am Ende sind wir Siebter geworden“, erinnert sich die Rückraumspielerin von den Spreefüxxen, „diesen positiven Trend wollen wir jetzt bei der WM bestätigen.“ Zunächst gelte es, in der Gruppe Spiel für Spiel zu gewinnen, um das Achtelfinale zu erreichen. „Und dann gucken wir weiter“, sagt Beier. „Die Vergangenheit hat uns gelehrt, dass wir uns nicht allzu große Ziele setzen sollten.“
Alle Gruppenspiele live im Fernsehen
Vor zwei Jahren belegte die DHB-Auswahl bei der WM in Brasilien eine katastrophalen 17. Platz. Jetzt will das Nationalteam raus aus dem Mittelmaß. Trotz vieler Verletzungen im Vorfeld des Turniers ist das Vertrauen in die eigene Stärke intakt. „Wenn wir unsere Top-Leistung bringen, dann haben wir gegen viele Mannschaften eine gute Chance“, sagt Bundestrainer Jensen. Alle Vorrundenspiele werden bei Sport 1 übertragen. „Ich hoffe, dass wir weit kommen, weil das für das Renommee des deutschen Handballs unheimlich wichtig wäre“, sagt Handball-Legende Stefan Kretzschmar.
In 45 Länderspielen hat Christine Beier bislang 59 Tore erzielt, bei der WM sollen nun ein paar Treffer hinzukommen. Während sie im Verein sowohl im Angriff als auch in der Abwehr spielt und oft 60 Minuten am Stück auf dem Feld steht, agiert sie in der Nationalmannschaft vorzugsweise in der Defensive. „Somit entlaste ich vorne die Hauptwerferin“, erklärt Beier, die bei der Polizei ein Studium zur Polizeikommissaranwärterin absolviert. Und mit ihren 29 Jahren gehört die Berlinerin zu den erfahrenen Spielerinnen im deutschen Team. „Ich scheue mich nicht davor, Verantwortung zu übernehmen.“
Wettbewerbsverzerrung befürchtet
Erfahrung, von der auch ihr Heimatverein profitiert. Im Sommer war die 1,78 Meter große Studentin vom Frankfurter HC zu den Spreefüxxen nach Berlin gewechselt. Allerdings nicht ganz freiwillig, der FHC hatte nach großen finanziellen Problemen Insolvenz anmelden müssen. Beier lagen Angebote aus dem In- und Ausland vor, kurzzeitig erwog sie sogar das Karriereende, verwarf diesen Gedanken aber rasch wieder. „Für mich stand damals relativ schnell fest, dass es Berlin wird“, erinnert sie sich. Die Spreefüxxe haben mit Christine Beier enorm an Qualität gewonnen, nach acht Spielen liegen die Berliner in der Zweiten Liga mit 14:2 Punkten auf Rang drei und damit klar auf Aufstiegskurs.
Den größten Unterschied zwischen der Bundesliga und der Zweiten Liga sieht Beier im Tempo und in der Athletik. „In der Bundesliga wird mehr Krafttraining gemacht, da kommt einem mehr Power entgegen“, sagt die geborene Kyritzerin, die von 2004 bis 2007 beim SV Berliner VB Handball spielte. Außerdem sei die Frequenz eine andere. „In der Bundesliga hast du durch den internationalen Wettbewerb alle drei Tage ein Spiel.“ Seit sie in Berlin spielt, legt Beier deshalb viele Extraschichten ein. Im Kraftraum und auf der Joggingrunde, „damit ich mit den Nationalspielerinnen auf Augenhöhe bin“, sagt sie.
Verein ist stolz auf seine WM-Fahrerin
Viel war vor ihrem Wechsel zu den Spreefüxxen diskutiert worden, ob für Beier die Zweite Liga überhaupt vereinbar sei mit dem Anspruch und Willen, in der Nationalmannschaft zu spielen, immerhin trainieren die Berlinerinnen nur abends nach der Arbeit oder dem Studium. „Aber der Bundestrainer hat mir von Anfang an das Gefühl gegeben, dass ich mit dazu gehöre und mir das Vertrauen geschenkt“, sagt Beier. Die Nominierung für die WM hat sie daher auch sehr gefreut: „Das war die Bestätigung, dass ich mich richtig entschieden habe.“
Die Spreefüxxe sind stolz, eine Nationalspielerin bei der WM zu wissen. Allerdings stellte die Berufung Beiers den Verein vor ein Problem. Während die Bundesliga während der Titelkämpfe pausiert, läuft der Spielbetrieb im Handball-Unterhaus weiter. Die Berliner aber erwirkten, dass insgesamt vier Spiele verlegt werden. „Hätten wir weiter gespielt, wäre das eine starke Wettbewerbsverzerrung gewesen“, sagt Managerin Britta Lorenz.