Berlin. Die Nacht zum Mittwoch dürfte sehr unruhig ausgefallen sein bei Serge Aubin. Das räumte der Trainer der Eisbären Berlin selbst ein. Aber nicht etwa, weil am Freitag die gerade in Topform auftretenden Adler Mannheim in die Hauptstadt kommen (19.30 Uhr, Mercedes-Benz Arena). Sondern wegen der „Art, wie wir gespielt haben“, so der Kanadier. Mit bemitleidenswertem Blick fügte er hinzu: „Es braucht ein bisschen Zeit, das zu verdauen.“
So geht es nicht nur dem 44-Jährigen. Es gibt immer einige ehemalige Spieler, die bei den Partien des EHC dabei sind, sich anschauen, was dort so geliefert wird. Entsetzt registrierten sie das 1:5 der Berliner gegen die Krefeld Pinguine, den Drittletzten der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Die Fans pfiffen von den Tribünen. Es war schwer zu glauben, wie sich die Mannschaft als Vierter der Tabelle präsentierte. „Das war ein Tag ohne Emotionen“, musste Aubin eingestehen. Zwei Tage zuvor hatte er noch von der Moral seiner Truppe geschwärmt, als in Wolfsburg eine große Aufholjagd erfolgreich endete.
Die Eisbären haben ihre Linie etwas verloren
Offenbar hallte dieses Ereignis noch nach gegen Krefeld. „Wir hatten das Gefühl, dass wir das drehen können“, sagt Verteidiger Frank Hördler. Letztlich endete das in einer kleinen Katastrophe. Was den Eindruck erweckt, dass die Eisbären sich momentan zwischen zwei Extremen bewegen. Von charakterstark bis leidenschaftslos binnen zweier Drittel ist alles dabei. Eine gefährliche Mischung, die den Trainer herausfordert.
Ganz genau weiß er wohl nicht, was da gerade abläuft in seiner Mannschaft. „Ich wünschte, ich könnte das besser erklären“, sagt Aubin: „Ich weiß, dass wir viel Charakter im Team haben.“ Vor allem aber haben die Berliner ihre Linie verloren. Als der Kanadier im Sommer kam, verpasste er der Mannschaft eine klare Struktur, ein offensives System mit hartem Forechecking, welches auf einem gewissenhaften Positionsspiel aller fünf Feldspieler basiert. Davon sind derzeit höchstens noch Ansätze zu sehen. Die Profis agieren zu selten nach den Vorgaben und als Einheit.
Der Blick nach hinten ist wichtiger als der nach vorn
Das schlägt sich vor allem in der Defensive nieder. In fünf der vergangenen sechs Spiele kassierten die Berliner jeweils mindestens fünf Gegentore. „Unser Defensivspiel ist nicht mehr da, wo es sein sollte. Damit beleben wir die Gegner“, sagt Aubin. Dass sein Team sicher in der Abwehr arbeiten kann, hat es zu Saisonbeginn gezeigt. Aber da agierten die Profis im System, und zwar gewissenhaft. Jetzt erweist sich die Einstellung immer öfter als Handicap, denn Emotionen auf dem Eis zu zeigen, ist keine Frage des Systems, sondern eine der Haltung.
Noch ist nicht viel passiert, die Mannschaft zeigte schließlich schon viele gute Partien. Höchstens die Aussicht, noch unter die ersten Drei zu kommen, hat sich nun fast erledigt. Falls nicht gegen Mannheim ein kleines Wunder geschieht. Wichtiger ist aber der Blick nach hinten. Die Verfolger sind noch näher zusammengerückt, nur fünf Punkte sind es bis Platz neun. Lange können sich die Eisbären solche Spiele wie in den vergangenen Wochen nicht mehr leisten, wollen sie Vierter bleiben. „Kein Zweifel, wir sind in einer schwierigen Phase“, sagt Aubin. Diese zu meistern, ist die bisher wohl größte Bewährungsprobe in seiner noch kurzen Zeit als Trainer der Eisbären.
Die Eisbären-Mannschaft muss eine Reaktion zeigen
Ein paar Dinge hat er schon probiert. Aubin änderte die Formationen, er äußerte sogar deutliche Kritik an seiner Mannschaft. Jetzt muss es in der Kabine eine Reaktion geben, es muss sich zeigen, wie das Team ihm folgt. Nur mit mehr Aufmerksamkeit gegenüber den Systemdetails kann die defensive Sicherheit zurückgewonnen werden. Das setzt Hingabe voraus. Und das Ausblenden der schlechten Angewohnheiten, die sich gerade verselbstständigt haben. „Wir müssen es abschalten, darüber nachzudenken, einen Fehler zu machen. Dann passieren auch keine Fehler“, sagt Verteidiger Hördler.
Spiele wie gegen Krefeld mussten die Fans in den vergangenen Jahren oft genug erleben. Aubin ist angetreten mit dem Vorsatz, dass seine Mannschaft immer hart arbeitet und nicht kapriziös auftritt. Diesem Versprechen werden die Eisbären kurz vor Weihnachten nicht gerecht. „Die Fans haben mehr verdient“, sagt der Trainer und will die Probleme beseitigen: „Wir werden das wie große Jungs anpacken.“ Der eigentliche Test für den Charakter des Teams findet jetzt erst statt. Wenn es diesen besteht, kann der Coach auch wieder besser schlafen. Im Training am Donnerstag schien der erste Schock des Krefeld-Spiels auf jeden Fall weggesteckt zu sein.
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