Mit Morgenpost Online spricht Sami Khedira über Sticheleien bei seinem Klub Real Madrid, die deutschen EM-Chancen und die vom Bundestrainer angekündigten Härtefälle.
Seit Sommer 2010 spielt Sami Khedira für Real Madrid. Auf seiner Position vor der Viererkette ist der 24 Jahre alte Mittelfeldspieler verantwortlich für eine gute Balance zwischen der Defensive und Offensive. Seit der Weltmeisterschaft 2010, bei der er das Erbe von Michael Ballack angetreten hat, zählt Khedira zu den festen Größen im Team von Bundestrainer Joachim Löw.
Morgenpost Online: Bis zur EM ist noch Zeit. Aber ist das Turnier in den Gesprächen mit Ihren spanischen Kollegen bei Real schon präsent.
Sami Khedira: Oh ja. Ich sitze bei Real im Bus hinten neben Sergio Ramos (Verteidiger, d. Red.), da reden wir schon darüber. Sergio erzählt dann gern vom Sieg der Spanier über uns im WM-Halbfinale 2010. Ich habe letztens zu ihm gesagt: „Na ja, jetzt kommt die EM. Da sind wir endlich an der Reihe.“ Da gibt es schon die eine oder andere Stichelei. Aber das ist alles Spaß. Wir freuen uns alle auf das Turnier. Und wenn es dann wirklich zum Duell mit Spanien, werden wir ja sehen, wer es gewinnt. Wir wissen die Spanier einzuschätzen und sie uns auch. Der Respekt vor uns ist groß.
Morgenpost Online: Die Spanier gelten als das Nonplusultra. Ist es ein Fehler, sich immer nur an Ihnen zu messen?
Khedira: Ja, wir dürfen uns nicht nur auf sie fokussieren. Die Niederlande, Frankreich, England, Italien und auch Portugal muss man immer auf dem Zettel haben. Aber Spanien ist gefährlich und zelebriert den Fußball nahezu perfekt. Die Mannschaft ist eingespielt. Wir sind, was das betrifft, aber auf einem guten Weg. Wir verstehen uns auf dem Platz immer besser. Das dokumentieren unsere Ballpassagen. Wenn bei uns mittlerweile mal ein, zwei Spieler ausfallen, können wir das kompensieren, ohne dass das groß auffällt.
Morgenpost Online: Bundestrainer Löw hat vor Größenwahn gewarnt.
Khedira: Zu Recht. Wir dürfen nicht den Fehler machen und uns auf der guten EM-Qualifikation ausruhen. Wir müssen weiter hart arbeiten und das System verfeinern. Mein Trainer bei Real Madrid (Jose Mourinho, d. Red.) hat neulich erst wieder zu uns gesagt, dass man oft vergisst, warum man gewinnt, wenn man viele Spiele in Folge gewonnen hat. Es besteht halt immer die Gefahr, dass man nachlässig wird und anfängt zu spinnen. Wir müssen jedes Training nutzen und uns immer wieder fragen, wie wir gewinnen wollen. Das muss uns allen klar sein.
Morgenpost Online: Der Bundestrainer hat bezüglich des EM-Kaders von Härtefällen gesprochen, die es geben wird. Spüren die Spieler bereits den Druck?
Khedira: Klar ist es hart, wenn man am Ende vielleicht nicht dabei sein sollte. Aber besser es gibt Härtefälle als eine Situation, in der ein Trainer nicht weiß, was er machen soll, weil er nicht genügend qualitativ gute Spieler hat. Wir dürfen uns über eine Situation, wie wir sie jetzt in Deutschland haben, nicht beschweren. Konkurrenz sorgt doch für eine Leistungssteigerung bei jedem einzelnen Spieler. Alle wissen bei uns, dass sich niemand seiner Sache sicher sein kann. Ich finde das gut. So etwas spornt mich mehr an, als dass es mich beunruhigt.
Morgenpost Online: Der Dortmunder Mario Götze ist derzeit in aller Munde und bestimmt viele Schlagzeilen.
Khedira: Das hat er sich erarbeitet. Mario ist ein hervorragender Fußballer. Wichtig ist, dass er klar bleibt im Kopf und ein gutes Umfeld hat. Aber das ist ja der Fall. Wenn er sich weiter so entwickelt, wird er eine Tages vielleicht mal bei einem ganz großen Verein im Ausland spielen. Man sieht ja, wie gefragt deutsche Spieler derzeit im Ausland sind.
Morgenpost Online: Was würden Sie ihm denn sagen, wenn er Sie um einen Ratschlag bitten würde?
Khedira: (lacht) Gute Frage, ich würde natürlich sagen: „Komm’ zu uns“. Mal im Ernst: Ich bin der falsche Ansprechpartner. Ich würde ihm lediglich sagen, dass es wichtig ist, die Dinge richtig einzuschätzen. Jetzt läuft alles positiv. Aber es werden auch für ihn mal Zeiten kommen, wo es vielleicht nicht so läuft. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Doch ich mache mir bei ihm keine Gedanken. Er ist zweifelsohne eines der größten Talente, die wir in den letzten Jahren in Deutschland hatten.
Morgenpost Online: Sind auf Ihn schon bei Real angesprochen?
Khedira: Klar. Die Kollegen nehmen verstärkt wahr, was in Deutschland passiert. Das beeindruckt sie.
Morgenpost Online: Sind Sie immer noch begeistert von Trainer Jose Mourinho?
Khedira: Ja. Er ist für mich ein Trainer, der komplett ist. Er ist nicht nur beruflich perfekt, sondern auch menschlich. Das merke ich vor allem in Phasen, wenn ich mal nicht so gut drauf bin. Er lässt einen nicht links liegen. Er ist mich nach wie vor der beste Trainer und kann mir keinen besseren vorstellen. Wir sind bei Real alle fokussiert auf den Fußball.
Morgenpost Online: Hat Real die Chance, dem FC Barcelona den Titel abzujagen.
Khedira: Wie soll ich es sagen? Wir haben uns bei Real Madrid alle darauf geeinigt, nicht über Fußball und Titel zu reden. Wir wollen nicht mit Worten glänzen und dadurch Aufmerksamkeit erlangen. Wir wollen gut spielen, um – wenn es geht – alle drei Titel zu gewinnen. Ich denke, dass unsere aktuellen Leistungen den eingeschlagenen Weg bestätigen. Wir brauchen Ruhe, um erfolgreich zu sein.
Morgenpost Online: Im Frühjahr sagten Sie uns, dass die Einstandslage von Mesut Özil und Ihnen immer noch fällig sei. Haben Sie die endlich gegeben?
Khedira: (lacht) Nein, wir haben uns immer noch drücken können. Jetzt sind ja schon wieder neue Spieler gekommen. Und da werde ich darauf pochen, dass die erst einmal ihren Einstand geben. Da bin ich ganz Schwabe. Nein, wenn es sich ergeben wird, holen wir das nach.