Robbie Williams, Depeche Mode, Peter Fox und Sido – die “Echo“-Verleihung in Berlin bot eine Show mit echten Schwergewichten der Musikbranche. Doch kein “Echo“ ohne böse Seitenhiebe, den dieses Mal Skandal-Rapper Sido verteilte. Dafür zeigte sich Oliver Kahn erstmals öffentlich mit seiner neuen Freundin.
Olli ehrte Robbie. Eine gewisse Uschi Blum trat auf. Und dann sprach ausgerechnet ein Ex-Nationaltorwart über Musik. Es hat in den vergangenen Jahren definitiv schon viel schlechtere Echo-Galas gegeben als die in Berlin. Gemessen an der Ankündigung von Moderatorin Sabine Heinrich, ”wir sind heute Abend auf allen Ebenen perfekt aufgestellt“, war sie aber nicht gut genug. Das lag auch an Heinrich selbst, die die Kunst des kurzweiligen Smalltalks leider nicht beherrscht.
Co-Moderator Matthias Opdenhövel, der mit Heinrich ja auch durch die deutsche Qualifikation zum Eurovision Song Contest, „Unser Star für Oslo“, führt, machte seinen Job wesentlich besser und hatte zudem launige Bemerkungen parat. Mit einer Anspielung auf das ehemalige Zentrum der Berliner Fußball-Wettmafia kommentierte er die mittlerweile 13. Trophäe für die Kastelruther Spatzen in der Sparte volkstümliche Musik: ”Nebenan im Café King sind für euch gar keine Wetten mehr angenommen worden.“
Der wichtigste deutsche Musikpreis wird von der Deutschen Phono-Akademie momentan in 23 Kategorien verliehen, in den meisten entscheiden die im Laufe eines Jahres von Media Control ermittelten Verkaufszahlen über die Vergabe. Die Käufer von Tonträgern geben also an der Kasse ihre Stimme ab.
Mit je zwei Echos wurden die Pop-Rock-Band Silbermond und Sänger Jan Delay ausgezeichnet. Das Quartett aus Bautzen erhielt die Preise für den besten nationalen Live-Act und als deutsche Gruppe des Jahres. Der Hamburger Musiker räumte in der Kategorie Hip-Hop/Urban national ab und erhielt den erst zum zweiten Mal vergebenen Kritikerpreis. ”Wenn das so weitergeht, könnt ihr mich bald Peter Fox nennen“, scherzte Delay über seine beiden Trophäen. Eine überreichte ihm nach nasal gelallter Laudatio der letztjährige Echo-Preisträger Udo Lindenberg, der verriet, schon öfter mit Delay ”zusammen einen gezwitschert“ zu haben.
Lokalmatador Peter Fox, 2009 noch Dreifach-Gewinner, musste sich in diesem Jahr mit dem Echo für das Album des Jahres begnügen. ”Du hinterlässt uns mit gebrochenem Herzen und ausgeleierten Hüften“, kommentierte die Schauspielerin Nora Tschirner als Laudatorin das Ende der Solokarriere von Fox, der nur noch mit der Band Seeed arbeiten will.
Wie sehr sich der Musikmarkt im Umbruch befindet, belegen folgende Zahlen: Lag der Anteil physischer Tonträger am Gesamtumsatz der Branche 2008 noch bei 74 Prozent, so wird er bis 2013 schätzungsweise auf 43 Prozent sinken. Der Umsatz mit Musik-Downloads hingegen wird zwischen 2009 und 2013 voraussichtlich um mehr als 14 Prozent pro Jahr zulegen. Diese Entwicklung bildet die Leistungsschau der Musikindustrie nur unzureichend ab. Doch das sollte sie vielleicht auch gar nicht. So stimmten Internet-Nutzer lediglich in der Kategorie bestes nationales Video per Online-Voting ab – und das bekam Sido mit ”Hey du“.
Man weiß nicht, ob es Absicht war, aber diesmal übergab Comedian Oliver Pocher, der die Veranstaltung 2009 mit Barbara Schöneberger moderiert hatte, den Preis. Eine mehr als delikate Angelegenheit: Bei der Vergabe des Musikpreises Comet im Mai 2009 hatte der Rapper Pochers Freundin Sandy Meyer-Wölden als ”olle Crack-Braut“ bezeichnet und wurde daraufhin von ihr verklagt. ”Grüß deine Freundin, grüß Sandy“, bedankte sich Sido nun gewohnt zweideutig. Zur Verabschiedung gab es noch einen Stinkefinger. Der Skandal-Rapper ist also doch nicht ganz so zahm und seriös geworden wie er seit dem Erscheinen seines neuen Albums gerne glauben machen möchte.
Zuvor hatte Hape Kerkeling einen denkwürdigen Auftritt hingelegt. Als Laudatorin Uschi Blum betrat er mit roter Langhaar-Perücke, einem knöchellangen Glitzerkleid, das an einen Octopus erinnerte, und weißem Pelzmantel die Bühne, um Andrea Berg für den besten deutschsprachigen Schlager ihren mittlerweile fünften Echo zu überreichen. Anschließend trällerte er den Dschinghis-Khan-Hit ”Moskau“ aus dem Jahr 1979. Die Wuchtbrumme (Hape Kerkeling) gab danach ganz offen zu: „Ich habe Beruhigungstabletten genommen.“
Weitere Trophäen gab es dann für Cassandra Steen in der Kategorie beste Künstlerin national Rock/Pop und die in die Jahre gekommene New-Wave-Combo Depeche Mode als beste Gruppe international Rock/Pop. Die drei Musiker der Band The Baseballs wurden mit ihren Rock-’n’-Roll-Versionen bekannter Hits als beste nationale Newcomer ausgezeichnet, Peter Maffay erhielt den Musikpreis fürs Lebenswerk.
Nur 14 der insgesamt 23 Echos wechselten während der live übertragenen dreistündigen Veranstaltung in die Hände der Preisträger. Bei einigen Nebenpreisen wie etwa fürs Marketing ist fehlende Live-Übergabe gewiss zu verschmerzen. Doch die Tradition, die Trophäen für nicht anwesende Sieger zu unterschlagen, sollte überdacht werden. Schließlich hätte so mancher Zuschauer sicher gern gewusst, dass Lady Gaga als beste Newcomerin international, beste Künstlerin international Rock/Pop und mit dem Preis für den Hit des Jahres eigentlich die große Gewinnerin der diesjährigen Echo-Verleihung war.
Immerhin kam Robbie Williams diesmal nach Berlin. In der Sparte bester Künstler international ließ Matthias Opdenhövel die Trophäe ”von Weltstar zu Weltstar“ übergeben. So musste sich der bekennende Fußballfan Williams eine staubtrockene Laudatio von Ex-Nationaltorwart Oliver Kahn anhören, ehe er seinen nun schon siebten Echo in Empfang nahm. Seine Dankesworte: ”Ick bin ein Berliner.“ Williams hatte seine Freundin Ayda Field zwar nicht dabei, sagte aber in der Livesendung: „Es wird natürlich eine Hochzeit geben.“ Da könnte sich auch Kahn angesprochen fühlen, der sich überraschend ganz offen mit seiner neuen Freundin zeigte: dem Model Svenja K. aus Karlsruhe. Ganz im Gegensatz zu seiner Ex-Liason – Verena K. – verläuft die Romanze ohne großes Mediengetöse. Doch auffällig ist schon: der Nachname der beiden Damen fängt nicht nur mit demselben Buchstaben an. Auch sonst sind große Ähnlichkeiten zu erkennen.
Robbie sang dann auch noch ”Morning Sun“, und auch die Acts der Pop-Größen Rihanna und Kesha sowie der Disko-Rock-Mix der US-Band Gossip mit ihrer schwergewichtigen Sängerin Beth Ditto waren äußerst sehenswert und versprühten einiges Flair. Nur der Smalltalk der Moderatoren mit Robbie Williams und der inzwischen 51-jährigen Sade bei ihrem Comeback mit dem Song ”Soldier Of Love“ misslangen wegen Sprachbarrieren. Die Simultan-Dolmetscher hatten wohl kurzfristig Urlaub genommen.
mit dpa/kami