Das Casino im Mommsenstadion hat nichts von seinem Flair verloren. Noch immer trägt die Gaststätte in Eichkamp den Charme des alten West-Berlin in sich, jene Mischung aus einfacher Kneipe und gutbürgerlichem Restaurant. Unweit jener Räumlichkeiten ragt der Funkturm mit seinen knapp 150 Metern in den Himmel.
Hier, in Eichkamp, wo man sich noch immer gern an die guten alten Zeiten erinnert, als Hans Rosenthal oder Wolfgang Gruner das Gesicht ihres Vereins geprägt haben, kämpft Tennis Borussia um seine Existenz. Wieder einmal.
Seit zehn Jahren dümpelt TeBe, einst stolzer Zweit-, ja sogar Bundesligist, in den Niederungen des Berliner und nordostdeutschen Fußballs herum. Zehn Jahre, in denen finanzielle Probleme ein stetiger Begleiter gewesen sind. Doch noch nie war die Lage seit dem Zwangsabstieg aus Liga zwei im Jahr 2000 so prekär wie heute. Tennis Borussia hat den Kampf gegen die Insolvenz verloren, stand vorzeitig als erster Absteiger in die Oberliga fest. Die Lizenz für die kommende Regionalliga-Saison, die TeBe vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) ohnehin nur mit Bedingungen erhalten hätte, ist damit hinfällig.
Wird die Klubführung abgewählt?
Mario Weinkauf hatte bis zuletzt an die Rettung geglaubt. "Wir hatten einen Vertrag mit einem Kooperationspartner abgeschlossen. Die Rechnungen waren gestellt", sagte der Vorstandsvorsitzende des Absteigers. Bis heute hatte der Klub vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) Zeit bekommen, einen Zahlungseingang nachzuweisen. Doch schon am 21. Mai, zwei Wochen vor Ablauf dieser Frist, sahen Weinkauf und Co. keine Chance mehr, diesen Forderungen nachzukommen, und stellten den Antrag auf Einleitung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht Charlottenburg. Sollte dem Antrag nicht stattgegeben werden, droht dem Verein sogar das endgültige Aus.
So weit wollen die Verantwortlichen noch nicht denken. TeBe hat fristgerecht für die Oberliga-Saison 2010/11 gemeldet. Doch schon für Liga fünf sind laut Weinkauf rund 150 000 Euro notwendig, um wenigstens die Klasse halten zu können. Kann diese Summe nicht realisiert werden, verschwindet TeBe in der sechstklassigen Berlin-Liga. Am 10. Juni soll zudem eine außerordentliche Mitgliederversammlung entscheiden, wie es mit TeBe weitergeht. Gelingt es der seit Monaten formierten Opposition, den Aufsichtsrat um Willy Kausch abzuwählen, dürfte auch die Amtszeit von Weinkauf beendet sein.
Vorhersehbarer Absturz
Der Absturz hatte sich seit Jahresbeginn abgezeichnet. Allein um die gerade abgelaufene Saison beenden zu können, fehlten 500 000 Euro in der Vereinskasse. Die Gehälter der Spieler konnten schon seit Monaten nicht bezahlt werden. Die letzte Abschlagszahlung gab es Anfang Februar, im April bekamen dann die Spieler, die beim Punktspiel gegen den VfL Wolfsburg II angetreten waren, noch einmal 500 Euro. Leben kann man davon nicht. So drohte die Mannschaft während der Rückrunde mehrmals mit Streik. Und ließ sich immer wieder vertrösten.
"Ich kann die Spieler verstehen", kommentierte Trainer Thomas Herbst. Nicht zuletzt seinem Einfluss auf das Team war es zu verdanken, dass in dieser Spielzeit immer eine TeBe-Elf angetreten ist. Was den einen oder anderen Akteur dennoch nicht davon abgehalten hat, das eine oder andere Spiel zu boykottieren. Die Klubführung begegnete dem Spielergebaren offensiv. Die Spieler seien Amateurspieler in einer Amateurmannschaft, Profiallüren sind da fehl am Platz. Außerdem "haben wir keine Schulden, sondern nur einen Liquiditätsengpass", sagte Weinkauf.
Doch es gelang nicht, neue Geldquellen zu erschließen. Sogar mit der ISP wurde verhandelt. Ausgerechnet jenes Unternehmen, das vom Zweitligisten 1. FC Union nach nur wenigen Wochen der Zusammenarbeit in hohem Bogen gefeuert wurde, weil es den überbordenden Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen konnte, sollte nun TeBe die fehlende halbe Million bringen? Allein dies zeigt, wie verzweifelt die Führungsetage gewesen ist.
Lorant sollte Trainer werden
Über eine Marketing-Agentur wurde schließlich der Kontakt zur System Trade GmbH geknüpft, die nicht nur für die fehlenden 500.000 Euro in 2009/10, sondern auch für 1,5 Millionen Euro in 2010/11 gerade stehen wollte. Als Bedingung sollte Werner Lorant als Trainer installiert werden. Dass der ehemalige Bundesliga-Coach von 1860 München Mitte März als Sportdirektor präsentiert wurde, zeigt, wie holprig der Start zwischen Klub und dem neuen Partner gewesen ist. Als Lorant wenig später wissen ließ, dass die Situation bei TeBe viel schlimmer sei, als man ihm vorher erzählt habe, konterte Weinkauf: "Herr Lorant wusste über jede einzelne Zahl Bescheid." Nun dürfte die Ära des 61-Jährigen beendet sein, bevor sie überhaupt begonnen hat.
Unweigerlich werden Erinnerungen wach an Zeiten, als es bei TeBe vor großen Namen wimmelte, und damit sind nicht Spieler wie Karl-Heinz Schnellinger oder Benny Wendt gemeint. Es war die Zeit der Göttinger Gruppe und von Trainer Winfried Schäfer, die statt Bundesliga und Champions League im Jahr 2000 nur einen Scherbenhaufen hinterließen. 2003 ging es in die Insolvenz, ein Jahr später war das Verfahren abgeschlossen. Doch Geld blieb knapp, die Geldgeber dubios.
Dubiose Geldgeber
Bei allem Kampf ums Geld zog auch die Mannschaft im Kampf um Punkte immer öfter den Kürzeren. "Es ist belastend, wenn man sich permanent mit anderen Dingen beschäftigen muss", sieht Trainer Herbst die Ursache für die sportliche Talfahrt in den von Existenzsorgen geprägten Monaten. Seit einiger Zeit versucht die Faninitiative "We save TeBe", dem Klub zu helfen. Den Internetauftritt ziert eine Galerie mit Unterstützern, mittendrin Werner aus Erding, der sagt: "Mit mir brennt hier nichts an!" Dabei brennt es bei Tennis Borussia bereits lichterloh.