Berlin. Es war eine lange Feier im Club „Dean“ in Mitte. Oder eine kurze Nacht – je nach Laune des Betrachters. Die Basketballprofis von Alba Berlin waren sich jedenfalls einig in ihrem Urteil über die Veranstaltung mit Balkan-Musik und Hip-Hop.
„Die Party war gut“, sagte Jordan Taylor. Die Stimme des Amerikaners ließ noch gegen Mittag einige Müdigkeit durchklingen. Nicht ungewöhnlich nach der kessen Vorstellung, die er und seine Mannschaft schon an den zwei Tagen zuvor aufs Parkett gelegt hatten, aufs Parkett des Audi Dome in München.
Ein Cocktail voller Belohnungen
Als krasser Außenseiter angereist, gewannen die Berliner dort in der Höhle des Löwen den deutschen Pokal durch einen 67:65-Finalsieg gegen den FC Bayern. Da schmeckten die Erfrischungsgetränke besonders gut.
Wie der trainingsfreie Montag, der silberne Cup und natürlich die großen Emotionen nach dem Endspiel gehörten sie zum Cocktail der Belohnungen, die sich das Team verdient hatte.
Einige Spieler hatten sich beim Top Four besonders hervorgetan. Der stabil punktende Elmedin Kikanovic etwa mit seinen insgesamt 36 Punkten. Dragan Milosavljevic, der unter anderem den Ball beim Siegtreffer gegen die Münchner irgendwie in den Korb wurschtelte.
Und dazu einer, von dem man es nach wochenlanger Verletzungspause kaum erwarten konnte: Jordan Taylor, dessen Dreier 1,1 Sekunden vor Schluss gegen Frankfurt die Berliner ins Finale beförderte. Der aber noch viel mehr leistete.
Jordan Taylor mit gutem Tempospiel und hoher Treffsicherheit
Der 26-Jährige war da, als sein Team ihn am meisten brauchte. „Weil er so lange gefehlt hatte, war ich überrascht, wie gut Jordan gespielt hat. Er hat uns das gegeben, was wir über Wochen vermisst haben“, sagte Trainer Sasa Obradovic.
Taylor bot das, was ein guter Spielmacher bieten soll: Bis auf wenige Fehler organisierte er das Alba-Spiel gerade in schwierigen Phasen mit Ruhe und Umsicht, fand die Balance zwischen Tempospiel und langsamem Aufbau. Er zeigte aber auch als Schütze Initiative und Treffsicherheit.
Wie im dritten Viertel gegen die Bayern, als seine acht Punkte bei einem 25:36-Rückstand so etwas wie die Initialzündung einer erfolgreichen Aufholjagd wurden. Erst recht schon im Halbfinale gegen die Frankfurt Skyliners, als er ohne zu zögern den entscheidenden Wurf zum 79:76 aus fast acht Metern verwandelte. Obradovic adelte seinen Spielmacher mit den Worten: „Große Spieler treffen solche Würfe.“
Zwischen Verletzung, Enttäuschung und Glanzleistung
Der Serbe hatte Taylor schon vor Saisonbeginn aus den Zugängen herausgehoben. „Er kann die Überraschung der Saison werden“ und „er hat einen sehr hohen Basketball-IQ“ waren zwei seiner Statements zu dem Mann aus Bloomington/Minnesota.
Doch der Hochgelobte teilte zunächst das Los fast jeden neuen Alba-Spielers. Er musste erst mal ankommen, sich zurechtfinden im sehr fordernden Umfeld mit einem strengen Trainer und immer hohen Erwartungen. Kaum war das gelungen, verletzte er sich am
2. Januar in Ludwigsburg am Daumen der linken Hand und kehrte erst sechs Wochen später mit einer guten Leistung beim Sieg in Bremerhaven zurück ins Team.
Aber drei Tage darauf, bei der Generalprobe für das Pokalturnier, mit einer schwachen Vorstellung bei der Heimniederlage gegen Würzburg. In München folgte dann wieder der Umschwung in die andere Richtung.
„Er hat es noch nicht geschafft, beständig auf Niveau zu spielen“
Beständigkeit ist es nicht, was seine Karriere bisher begleitet. Zum einen schwärmt Alba-Geschäftsführer Marco Baldi von dem freundlichen jungen Mann. „Er kann verteidigen, ist spielintelligent, hat einen guten Wurf, kann ebenso zum Korb ziehen.
Und er hat einen Blick für seine Mitspieler“, sagt der Manager. „Jordan ist sicher vom Spielverständnis her der erste, der die Reife hat, die Spielidee des Trainers durchzusetzen.“ Der Coach moniert jedoch: „Er hat es in seiner Karriere bisher noch nie geschafft, beständig auf einem hohen Level zu spielen.“
Obradovic hat aber auch eine Erklärung dafür. Grund waren oft Verletzungen. An der Wisconsin University verhinderten kleinere Blessuren in seinem vierten College-Jahr den Sprung des großen Talents in die NBA.
Achtelfinal-Hinspiel im Eurocup am Mittwoch
Taylor heuerte in Europa bei Lottmatica Rom an. Eine Hüftoperation stoppte seine anfangs positive Entwicklung. Schließlich wechselte er nach Israel zum Mittelklasseteam Hapoel Holon, wo er eine starke Saison spielte. Von dort lockte ihn Alba in die Bundesliga. Er unterschrieb einen Vertrag über zwei Jahre. Hier gewann er jetzt seinen ersten Titel in Europa.
Ist er damit endlich auf dem richtigen Weg? „Das hoffe ich“, antwortet Jordan Taylor, „der Coach ist sehr intensiv, sehr fordernd. Ich glaube, er holt das Beste aus mir heraus.“ Was sein Bestes ist, davon konnte man in München einen Eindruck bekommen.
Die Münchner sollen das am Mittwoch (19.30 Uhr, Mercedes-Benz Arena, live auf Eurosport) im Achtelfinalhinspiel des Eurocups wieder erleben. Ist dieser Gegner noch einmal zu überraschen? Taylor glaubt, mehr als das: „Wir können auch den Eurocup gewinnen.“ Da ist anscheinend jemand in Party-Laune.