Die Blicke gingen traurig zu Boden. Der eine oder andere Basketballprofi von Alba Berlin wollte am liebsten gar nicht hinschauen. Als der Bamberger Kapitän Casey Jacobsen um 22.49 Uhr den Pokal für die Deutsche Meisterschaft von Bundesliga-Geschäftsführer Jan Pommer entgegennahm, baumelte um den Hals bei den Berlinern die Plakette für Platz zwei. Freuen wollte sich niemand darüber. Nicht wenige der vielen Alba-Fans, die mit in die „Stechert Arena“ nach Bamberg gekommen waren, weinten. Im fünften und entscheidenden Finalspiel hatte Alba Berlin beim Titelverteidiger Brose Baskets Bamberg nach großem Kampf mit 65:72 (30:29) verloren.
Nach einer Saison, die einer Achterbahnfahrt glich, blieb den Berlinern am Ende doch der große Triumph versagt. An der Stätte, an der es auf den Tag genau vor einem halben Jahr noch die höchste Niederlage (52:103) in der Klubgeschichte gesetzt hatte, mussten sie sich knapp geschlagen geben. „Wir wollen den Titel und haben es nicht geschafft, natürlich ist die Enttäuschung grenzenlos“, meinte Alba-Center Yassin Idbihi. Geschäftsführer Marco Baldi gestand: „Wir sind jetzt enttäuscht und müde. Wir hatten es heute in der Hand, Winzigste Kleinigkeiten haben den Ausschlag gegeben.“
Die Entscheidung fiel erst im 337. Bundesligaspiel. Noch nie hatte es so viele Partien in einer Saison gegeben. Auch Alba stellte einen Rekord auf: Die Begegnung gestern war das 68. Pflichtspiel der Berliner national und international, die am 21. September 2010 mit dem Europaliga-Qualifikationsspiel bei Chorale Roanne gestartet waren. Ein Marathon, den in dieser Weise noch kein deutsches Team zuvor absolvieren musste.
Als „Ausweis für die Stärke und Ausgeglichenheit der Liga“ sah Jan Pommer die Tatsache an, dass der Titelkampf erst im allerletzten Spiel entschieden wurde. Dabei hatte es lange so ausgesehen, als könne kein Team mit dem Titelverteidiger aus Bamberg auch nur annähernd mithalten. Es schien klar, dass die Franken am Ende die neue Trophäe (löste nach 53 Jahren den anachronistischen Meisterschild ab) mitnehmen würden.
Bamberg zu Hause 27 Mal unbesiegt
Und am Ende sollten die Experten – wie zum Beispiel Bundestrainer Dirk Bauermann – doch Recht behalten, die bis zuletzt auf Bamberg gesetzt hatten. Wie weit Alba und die Baskets über die ganze Saison gesehen in der Liga eigentlich auseinander lagen, verdeutlichen zwei Zahlen: Bis zum gestrigen Spiel hatte Bamberg gerade einmal sechs Partien verloren, Alba hingegen 16. Nummer 17 war dann doch genau die eine Niederlage zuviel. Für Bamberg war es gestern der 27. Sieg im 27.Heimspiel in dieser Saison
„Wer mehr Energie investiert, wird gewinnen“, hatte Katzurin vorher erklärt. Und Energie hatten beide Teams, das sah man von der ersten Sekunde an. Aber oft war es schwer, die Balance zwischen Aggressivität und Konzentration zu finden. Abwechselnd haderten die Mannschaften mit den Schiedsrichtern, was nicht gerade zur Ruhe im Spiel beitrug. So machten beide Teams recht viele Fehler. Zumindest in der Defense waren aber alle hellwach. Was das punktearme Halbzeitergebnis von 30:29 für Alba zeigt. Jenkins hatte bis dahin allein 16 seiner insgesamt 22 Zähler erzielt.
Bis zu acht Punkte betrug der Berliner Rückstand (20:28/15. Minute), in einer kurzen Phase, in der Alba unaufmerksam war. Was sich aber schnell wieder änderte. Es herrschte eine unglaubliche Atmosphäre in der „Frankenhölle“. Auf dem Feld beharkten sich die Spieler bis zum Letzten, auf den Rängen trommelten, schrien und klatschten die Fans als gäbe es kein Morgen. 700 Berliner Anhänger hatten Alba begleitet, noch nie hat es vorher eine solche Fan-Wanderung beim Berliner Klub gegeben. Sie standen 6100 fränkischen Fans gegenüber, die Bambergs Ruf als „Freak City“ im Guten wie im Schlechten eindrucksvoll bestätigten. Doch sie mussten mit ansehen, wie sich Alba auch in der zweiten Hälfte nicht einschüchtern ließ. Angetrieben von Spielmacher Heiko Schaffartzik schafften es die Berliner immer wieder, sich unter dem Korb durchzusetzen. Mehrere Male betrug im dritten Viertel die Alba-Führung fünf Punkte, zuletzt in der 28. Minute (48:43). Vier Zähler waren es vor den letzten zehn Minuten – 52:48, erstmals sechs nach 31 Minuten (54:48). Eine kurze Unaufmerksamkeit, eine 0:8-Serie und schon war die Führung dahin – 54:56. Bryce Taylor vergab zwei Freiwürfe. Das Spiel schien sich in Richtung Bamberg zu drehen, die Halle bebte, weil Alba minutenlang kein Punkt gelang.
Aber Taylor (13Punkte) traf dann doch endlich zum 56:56 (36.) und es sah so aus, als würden Jenkins zum 59:58 (37.) und 89 Sekunden vor Ende Taylor zum 64:62 die Partie mit Distanzwürfen kippen können. Aber Bamberg konterte ein letztes Mal: John Goldsberry und Brian Robert antworteten ihrerseits mit Dreiern. 39 Sekunden vor Schluss stand es 64:68, Schaffartzik und Tadija Dragicevic scheiterten, die Meisterschaft war entschieden, es blieb nur der Frust. „Dass die Bamberger am Ende die Dreier getroffen haben, gab den Ausschlag“, musste Schaffartzik anerkennen, und er war erstaunt, dass der Gegner „nach den sechs Punkten Rückstand noch einmal so stark zurückgekommen ist“. Die Worte von Bambergs Karsten Tadda dürften ihn kaum getröstet haben. Der sagte: „Es war ein hart umkämpftes Spiel. Berlin hat alles gegeben und voll dagegen gehalten. Wir haben erst 30 Sekunden vor Schluss gewusst, dass wir Meister sind.“ Und Alba Vize-Meister.
In der Nacht fuhr das Team noch mit dem Bus heim nach Berlin. Am Sonntag ab 17 Uhr wird im Postbahnhof der Saisonabschluss gefeiert. Eine rauschende Meisterschafts-Party wird es nicht.