Fatih T.

Deutscher Taliban-Führer soll getötet worden sein

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Florian Flade

Foto: Internet

Fatih T. aus Berlin gründete in Pakistan eine Terrorgruppe. Jetzt soll er tot sein. Stimmen die Gerüchte, wäre das ein Fall für die Staatsanwaltschaft.

Vor wenigen Jahren noch war Fatih T. wohl eher ein Fall für Sittenwächter als für Geheimdienste – der heute 27-jährige Deutsch-Türke aus Berlin-Lankwitz war damals ein begeisterter Partygänger, trank gerne Alkohol, interessierte sich in erster Linie für Frauen und die neueste Discotheken. Nach dem Abitur jobbte Fatih T. zunächst bei einer Fast-Food Kette, schrieb sich dann an einer Technischen Hochschule in Berlin ein. Im Studenten-Umfeld fand Fatih T. neue Freunde – darunter Muslime mit fundamentalistischen Glaubensansichten.

Innerhalb weniger Monate veränderte Fatih T. sein Verhalten erheblich. Der Berliner Student durchlief eine religiöse Radikalisierung. Aus Fatih T., dem Partygänger, wurde ein überzeugter Islamist, der den Großteil seiner Freizeit nur noch im Umfeld einschlägiger Moscheen verbrachte. Die Freunde von damals nahmen die Entwicklung mit großer Sorge zur Kenntnis.

Nun soll Fatih T. tot sein, getötet von der Rakete einer US-Drohne im Nordwesten Pakistans. Dies melden islamistische Kreise unter Berufung auf Quellen aus der Region. Bislang beruht die Meldung allerdings auf reinem Hörensagen. Aus Kreisen deutscher Sicherheitsbehörden und Geheimdienste heißt es, es gäbe keine Bestätigung für den Tod Fatih T.s. Eigene Erkenntnisse lägen nicht vor, die Quellenlage der Islamisten sei als zweifelhaft einzustufen. Auch Fatih T.s Angehörige in Berlin haben seit Monaten kein Lebenszeichen mehr von ihm erhalten, wissen nicht, ob der mutmaßliche Dschihadist noch am Leben ist oder bereits getötet wurde.

Anführer der "Deutschen Taliban Mudschaheddin"

Fatih T. hatte sich im Frühjahr 2009 zusammen mit seinem Freund Yusuf O. – der im Juni in Österreich verhaftet wurde – über die Türkei und den Iran in die afghanisch-pakistanische Grenzregion abgesetzt. Dort schloss er sich einer islamistischen Terrorgruppe an und wurde wenige Monate später selbst Mitbegründer einer Kampftruppe – der "Deutschen Taliban Mudschaheddin" (DTM).

Im pakistanischen Stammesgebiet Waziristan nannte sich Fatih T. fortan "Abdel Fattah al-Almani" und trat als solcher in mehreren Propagandavideos auf. In einem der Videos ist Fatih T. vor einem angeblich abgeschossenen pakistanischen Militärhelikopter zu sehen. "Wie krass diese Abtrünnigen stinken", sagte der deutsche Dschihad-Kämpfer, "sie liegen erst ein paar Tage herum und fangen schon an zu stinken – sie sind kuffar (Ungläubige)."

Inzwischen soll Fatih T. der Anführer der "Deutschen Taliban Mudschaheddin" sein. Dies geht aus einem Schreiben der Terrorgruppe hervor, das im Dezember 2010 im Internet auftauchte und in dem es hieß, er sei zum neuen "Emir" ernannt worden.

Ein Ermittlungsverfahren läuft

Die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe führt nach Morgenpost Online-Informationen seit November 2009 ein Ermittlungsverfahren gegen Fatih T. wegen des "Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung".

Für die deutsche Justiz wäre der Tod von Fatih T. besonders brisant, denn Fatih T. ist deutscher Staatsbürger. Sollte er bei einem amerikanischen Drohnenangriff ums Leben gekommen sein, wäre T. nach dem Wuppertaler Bünyamin E. der zweite deutsche Staatsbürger, der beim umstrittenen Drohneneinsatz der CIA starb. Es müsste ein Ermittlungsverfahren zu den Todesumständen von Fatih T. eingeleitet werden.

Die Terrorgruppe, der Fatih T. angehören soll, schrumpfte in den vergangenen Jahren erheblich. Ein großer Teil der "Deutschen Taliban" – darunter auch weitere Berliner Islamisten – wurden bei Gefechten getötet oder verließ die Region fluchtartig.

Einer der letzten Überlebenden?

Fatih T. blieb und verschickte E-Mails an Freunde und Verwandte in Deutschland, in denen er um Geld bettelte. Die Geschwister in Waziristan bräuchten dringend Geld, hieß es in einer E-Mail, mehrere tausend Euro auch für medizinische Versorgung. Zudem berichtete er, in schwere Kämpfe verwickelt worden zu sein.

Deutsche Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass Fatih T. zu den letzten Überlebenden einer Berliner Islamisten-Kolonie in Waziristan gehört. Er soll eine deutsche "Märtyrer-Witwe" geheiratet haben und seit einiger Zeit nicht mehr aktiv an Kampfhandlungen beteiligt sein.

Die Zahl der Islamisten aus Berlin, die sich noch in den Terrorlagern am Hindukusch tummeln, soll sich insgesamt nur noch im einstelligen Bereich bewegen. Seit 2009 waren in mehreren Ausreisewellen mehr als ein Dutzend mutmaßliche Islamisten aus der Hauptstadt nach Waziristan gereist, darunter auch mehrere Frauen. Dieses Jahr registrierten die Sicherheitsbehörden keine allerdings keine neuen Ausreisen.