„Wir sind der Mob, daher jetzt eine Faust für den Mob“, ruft der Moderator der Kundgebung noch einmal ins Mikrofon. Viele Hände recken sich in die Höhe, dann ist die Veranstaltung „Hasta la vista, Thilo“ am späten Freitagabend beendet. „Wir sind doch alle klatschnass“, fügt er noch hinzu. Fast drei Stunden lang hatten rund 150 meist junge Menschen bei nasskaltem Regenwetter auf dem Heinrichplatz in Berlin-Kreuzberg ausgeharrt und auf den großen Moment gewartet. Etwas später als geplant startete dann das ZDF-Kulturmagazin „Aspekte“ mit einem Bericht über Sarrazin und seinen Besuch in Kreuzberg vor zehn Tagen.
Gelegentliches Gelächter und Buhrufe begleiteten die öffentliche Übertragung. Ansonsten blieb es trotz emotional aufgeladener Diskussionen der vergangenen Tage erstaunlich ruhig. Auch in der Abschlussbilanz der Polizei war von einer durchweg friedlichen Veranstaltung die Rede. Zwei Bündnisse gegen Rechtspopulismus und Rassismus sowie der linke Verein Allmende hatten zum sogenannten Public Buhing aufgerufen, um damit gegen die Thesen des Ex-Finanzsenators zur Integration zu protestieren.
Anlass war der gemeinsame Besuch von Sarrazin und einem ZDF-Kamerateam vor zehn Tagen in Kreuzberg, wo er unter anderem mit einem Restaurantbesitzer und Vertretern einer muslimischen Gemeinde debattieren sollte. Allerdings mussten die Diskussionen abgebrochen werden, nachdem Sarrazin aggressiv angefeindet und mit „Nazi raus“-Rufen angepöbelt wurde. In einer Gaststätte wurde er nicht bedient und musste wieder gehen.
Bevor der TV-Beitrag gegen 23.20 Uhr begann, versuchten die Veranstalter auf der extra aufgebauten Leinwand die Teilnehmer mit Zitaten und Videoclips zu Sarrazin aus den vergangenen Jahren bei Laune zu halten. In mehreren Reden und Ansprachen wurde dem früheren Bundesbank-Vorstand Rassismus und Rechtspopulismus vorgeworfen. Viele Besucher hatten Regenschirme aufgespannt oder drängten sich unter das kleine an den Seiten offene Zelt. Viele wärmten sich aber auch immer wieder in den umliegenden Kneipen und Restaurants auf.
Einige Teilnehmer hatten Transparente mitgebracht, auf denen vor Rechtspopulismus gewarnt wurde. Auf einem anderen stand „Solidarisch kämpfen, statt individuell untergehen“. Die anwesende Polizei hielt sich zurück und beobachtete lediglich.
Nur bei einer Szene in dem „Aspekte“-Beitrag von Güner Balci kochten die Emotionen kurz hoch. Sarrazin, der in seinem 2010 erschienenen Buch die angeblich fehlende Integrationsbereitschaft von Türken und Arabern kritisiert, fragt nach Herkunft eines Mannes, der ihn vor dem Restaurant „Hasir“ laut angeht. Antwort: „Ich bin nicht deutscher Staatsbürger.“ Sarrazin: „Dann benimm dich mal vernünftig, du bist in einem anderen Land.“. Der Ruf „Sarrazin muss weg aus Kreuzberg“ wurde lauter, begleitet von Kopfschütteln und Gelächter. Überzeugen konnte Sarrazin an diesem Abend in Kreuzberg wohl nur wenige.