Während die meisten Deutschen ihre persönliche wirtschaftliche Lage als positiv empfinden, wächst die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung weiter. Bei der „Sonntagsfrage“ legen einzig die Grünen zu – auf einen Rekordwert von nunmehr 23 Prozent. Zwei Sozialdemokraten wiederum führen die Liste der populärsten Politiker an. Dies sind die Ergebnisse des aktuellen Deutschlandtrends im Auftrag von den ARD-"Tagesthemen“ und "Morgenpost Online“. Das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap befragte dazu gut 1000 Bürger.
Die Deutschen betrachten ihre persönliche wirtschaftliche Lage als so gut wie schon lange nicht mehr. Drei von vier Bürgern nennen ihre eigene ökonomische Situation sehr gut oder gut. Noch vor gut zwei Jahren gaben nur 64 Prozent der Befragten eine entsprechende Antwort. Ein knappes Fünftel (19 Prozent) erachtet die persönliche wirtschaftliche Lage als weniger gut, sechs Prozent nennen sie schlecht. Die allgemeine wirtschaftliche Lage in Deutschland wird etwas kritischer betrachtet. Zwei Drittel nennen sie sehr gut oder gut, 22 Prozent weniger gut und zwölf Prozent schlecht.
Würde am Sonntag der Bundestag gewählt, käme die Union auf 33 Prozent, zwei Prozentpunkte weniger als im März. Die SPD liegt bei 27 Prozent (minus eins), die Grünen bei 23 Prozent (plus acht). Auf die Linken entfallen sieben Prozent (minus zwei), die FDP wird bei fünf Prozent taxiert (minus eins). Demnach besäße eine rot-grüne Koalition die Kanzlermehrheit. Im Gegensatz zu anderen Umfragen wären die Grünen aber nach wie vor Juniorpartner der SPD.
Unzufriedenheit mit Regierung wächst weiter
Die Unzufriedenheit mit der schwarz-gelben Bundesregierung wächst weiter. Nicht einmal ein Viertel der Bürger (23 Prozent) äußert sich positiv über die Koalition. Gut drei Viertel (76 Prozent) sind mit der Regierung Merkel/Westerwelle weniger oder gar nicht zufrieden. Während eine knappe Mehrheit (55 Prozent) der Unionsanhänger mit der Regierung zufrieden ist, verhält es sich bei den Sympathisanten der FDP umgekehrt:
57 Prozent ihrer Anhänger sind mit ihr weniger oder gar nicht zufrieden, nur 43 Prozent bezeichnen sich als sehr zufrieden oder zufrieden. Unter den Parteigängern von SPD, Grünen und Linken ist – kaum überraschend – nur etwa jeder Zehnte mit der „bürgerlichen“ Regierung zufrieden. Jeweils rund 90 Prozent vertreten das Gegenteil.
Zu diesem Befund passt, dass Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier zum beliebtesten Politiker aufgestiegen ist. Mit der Arbeit des SPD-Fraktionsvorsitzenden sind 60 Prozent der Bürger zufrieden oder sehr zufrieden; vor einem Monat waren es 53 Prozent. Zuletzt führte ein Sozialdemokrat – ebenfalls Steinmeier – vor zwei Jahren die Beliebtheitsliste an. Als Außenminister (2005 bis 2009) hatte Steinmeier stets eine hohe Popularität verzeichnet. Mit ihm als Konkurrent von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aber fuhr die SPD bei der Bundestagswahl 2009 das schlechteste Ergebnis der Geschichte ein.
Peer Steinbrück hat auf der Liste der populärsten Politiker Rang zwei eingenommen. Der frühere Finanzminister wird von Teilen der SPD als Kanzlerkandidat favorisiert. Erst kürzlich hatte Steinbrück im Bundestag auf eine Regierungserklärung von Kanzlerin Merkel geantwortet. Nun sind 59 Prozent der Bürger mit seiner Arbeit sehr zufrieden oder zufrieden; über mehrere Monate hinweg war Steinbrück auf der Liste der beliebtesten Politiker gar nicht aufgeführt. Noch vor wenigen Wochen waren Merkel und Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die beiden Politiker mit dem höchsten Ansehen.
Kräftiger Sprung nach vorn für Künast
Wolfgang Schäuble und Ursula von der Leyen (beide CDU) sind jetzt die populärsten Regierungspolitiker. Beide haben an Zustimmung gewonnen. Finanzminister Schäuble belegt Rang drei (57 Prozent), hinter dem SPD-Duo, gefolgt von der Arbeitsministerin (54 Prozent). Ein kräftiger Sprung nach vorn ist der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Renate Künast gelungen: Sie rangiert auf dem fünften Platz (50 Prozent, plus zwölf).
Erst auf Platz sechs folgt Kanzlerin Merkel (48 Prozent, minus fünf). Hintere Plätze belegen Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU, 47 Prozent, minus acht) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP, 42 Prozent, wie bisher). Den größten Popularitätsschub verzeichnete Umweltminister Norbert Röttgen (CDU). Er legte um 13 Punkte auf 41 Prozent zu – wohl eine Folge der atomkritischen Haltung, die Röttgen teilweise schon vor der Atomkatastrophe in Japan eingenommen hatte. Röttgen gilt ebenso wie Ursula von der Leyen als möglicher Nachfolger Merkels an der Spitze der CDU, im Amt des Bundeskanzlers – oder auf beiden Posten.
Inhaltliche Klarheit bei den Grünen
Röttgens Vorgänger als Umweltminister, der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, teilen sich mit jeweils 40 Prozent Zustimmung gemeinsam Rang zehn in der Politiker-Top-Ten.
Die sensationellen Erfolge der Grünen bei den jüngsten Wahlen und ihr Hoch in den Umfragen sind in den Augen der Bürger offenbar auch auf inhaltliche Klarheit zurückzuführen. Bei keiner Partei wissen die Befragten so sehr, woran sie sind. Drei von vier Bürgern (73 Prozent) bejahen die Frage, ob sie wissen, für welche Inhalte die Grünen stehen.
Von Sozial- und Christdemokraten sagen dies nur je 52 Prozent. Mehrheitlich unklar ist den Bürgern das programmatische Profil von Linken, CSU und FDP. Über die politischen Inhalte der Liberalen sagen gar 61.Prozent, sie seien ihnen unbekannt. Zwei Drittel (65 Prozent) würden die Grünen als Regierungspartei im Bund begrüßen. 56 Prozent sehen in ihren Erfolgen indes „nur ein vorübergehendes Hoch“. Jeweils 43 Prozent plädieren für einen Atomausstieg um das Jahr 2020 oder früher als 2020. Zwei Drittel fordern, die acht abgeschalteten Atomkraftwerke vom Netz zu lassen.