Wütende Menschen auf der Straße: In mehreren Ländern wird am weltweiten Protesttag gegen das Finanzsystem demonstriert. Ein großes Beben bleibt bisher aus.
Den Auftakt für die globalen Proteste von Kapitalismuskritikern haben Demonstranten in Neuseeland und Australien gemacht. Beide Länder brachten den Ball für die Demonstrationen ins Rollen, die den ganzen Tag in Städten wie London, Frankfurt, Berlin, Washington und New York fortgesetzt werden.
In der größten Stadt Neuseelands, in Auckland, versammelten sich Hunderte auf den Straßen, um gemeinsam zur Hauptkundgebung mit rund 3000 Teilnehmern zu ziehen. Etwa 200 Demonstranten kamen in der Hauptstadt Wellington zusammen.
"Die Menschen wünschen sich eine wirkliche Demokratie"
In Sydney protestierten rund 2000 Menschen – darunter zahlreiche Ureinwohner Australiens – nach dem Vorbild der Anti-Wall-Street-Bewegung in New York vor der Notenbank Australiens. Aktivisten trugen Plakate mit Aufschriften wie „Geld kann man nicht essen“. Ein Sprecher der Aktionen in Melbourne sagte: „Ich denke, die Menschen wünschen sich eine wirkliche Demokratie“.
Sie seien gegen den Einfluss von Unternehmen auf Politiker. Auch in Tokio und der philippinischen Hauptstadt Manila beteiligten sich Menschen an dem weltweiten Aktionstag gegen einen schrankenlosen Kapitalismus.
Mit dem Slogan „Wir sind 99 Prozent!“ wenden sie sich gegen eine von ihnen empfundene Gier der Finanzmärkte, die Millionen Menschen in die Armut treibe. In Manila zogen Demonstranten vor die US-Botschaft.
5000 Demonstranten beim Protestmarsch in Frankfurt
Auch in Europa gibt es zahlreiche Aktionen. Zum Auftakt hatten sich in Frankfurt rund 1000 Finanzmarktkritiker eingefunden. Mit Plakat-Parolen wie „Ihr spekuliert mit unserem Leben“ oder „Ihr verzockt unsere Zukunft“ machten sie ihrem Unmut über Exzesse des Kapitalismus Luft.
Später zogen nach Polizeiangaben rund 5000 Demonstranten in einem Protestmarsch zum Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB). Weitere größere Demonstrationen fanden in Berlin, Köln, München, Hamburg, Hannover und Stuttgart statt.
In Köln zog ein Demonstrationszug mit etwa 1500 Menschen durch die Stadt, in München wurden 1000 Demonstranten geschätzt.
Tausende Menschen schlossen sich zudem im Berliner Regierungsviertel den Demonstrationen an, die vom Roten Rathaus am Alexanderplatz und vom Brandenburger Tor zum Bundeskanzleramt führten. Nach ersten Schätzungen kamen hier bis zu 10.000 Menschen zusammen. Bis zum frühen Abend sind noch Protestmärsche geplant, zu denen unter anderem das Netzwerk attac aufgerufen hatte.
Weltweit sollen am Samstag Proteste in rund 80 Ländern stattfinden. Vorbild sind die Proteste in den USA, wo Kritiker des Finanzsystems seit Wochen auf einem Platz nahe der New Yorker Börse unter dem Motto „Occupy: Wall Street“ gegen die Macht der Banken protestieren. Auch in anderen Städten in den USA hat es bereits Proteste gegeben.
Gewerkschaften solidarisieren sich mit der Bewegung
Unterdessen solidarisierte sich auch die Gewerkschaftsbewegung mit den weltweiten Protesten. Zu Recht brandmarkten vor allem junge Menschen das Auseinanderdriften zwischen Arm und Reich, erklärte der Präsident des Internationalen Gewerkschaftsbunds, DGB-Chef Michael Sommer.
„Jenseits jeglicher demokratischer Legitimation und ohne Verantwortung für die Allgemeinheit sind skrupellose Investmentbanken dabei, unsere Gesellschaften zu spalten und aus den Angeln zu heben“, bilanzierte er.
Es gebe daher nur einen Weg: „Man muss der Spekulation das Handwerk legen und die Finanzmärkte stark regulieren.“
Elitenforscher – Proteste in Deutschland berechtigt
Auch der Elitenforscher Michael Hartmann bezeichnete die Proteste in Deutschland für berechtigt: „Was die Vermögensverteilung angeht, gibt es in Deutschland ebenso viel Grund zu Protest wie in den USA“, sagte Hartmann dem Berliner „Tagesspiegel“.
Er verwies auf eine Studie des Berliner Wirtschaftsforschungsinstituts DIW. Demnach besitzt ein Prozent der Deutschen 35,8 Prozent des gesamten privaten Reichtums im Land; für die USA wird üblicherweise ein Anteil von 40 Prozent angenommen.
Hartmann äußerte allerdings Zweifel, ob der Protest gegen wachsende Ungleichheit wirklich Folgen haben wird: „Beeindrucken lassen wird sich die Elite nur durch sehr massiven politischen Druck, den ich aber zurzeit weder bei uns noch in den USA sehe. Was zu ändern wäre, lag in den letzten drei Jahren nach den vorangegangenen Krisen schließlich klar auf dem Tisch. Getan hat sich aber nur sehr wenig.“
Reuters/AFP/dapd/dpa/epd/mcz