Von New York aus hat sich die “Occupy“-Bewegung in die ganze Welt verbreitet. Doch den Bankern steht ohnehin ein schwieriges Jahr bevor.

Als der erste schwere Herbststurm über Manhattan fegt und die Schlafsäcke der Demonstranten in den Zustand eines feuchten Waschlappens verwandelt, steht Nick K. wenige Hundert Meter entfernt unter dem Vordach eines Gebäudes und zieht an einer Zigarette. Zur New York Stock Exchange, der weltgrößten Börse, sind es nur ein paar Schritte. Ebenso zu Luxusläden wie dem Juwelier Tiffany. Eigentlich verbringt Nick die Raucherpause in seiner vertrauten Umgebung. Dennoch haben ihn die Ereignisse der vergangenen Wochen misstrauisch werden lassen.

Vor fünf Wochen haben Demonstranten im Zuccotti Park an der Südspitze Manhattans ihr Quartier aufgeschlagen. Von dort hat sich die Bewegung „Occupy Wall Street“ auf Amerika ausgeweitet und ist vor Kurzem auch auf Europa übergesprungen . Mit ihrem Schlachtruf „Besetzt die Wall Street“ demonstrieren sie gegen die Finanzwelt und damit gegen die Branche, die Nick seit fast zehn Jahren ein gutes Leben ermöglicht.

Mit 19 Jahren hatte er seinen ersten Job an der Börse. Dort fing er als Assistent an und arbeitete sich zum Händler hoch. „Auf diese Weise habe ich mein Studium finanziert“, sagt Nick. „Vielleicht sollten das die Demonstranten auch mal versuchen.“

Gut ist die Stimmung an der Wall Street ohnehin nicht und die Proteste tragen nicht gerade dazu bei, dass sie sich bessert. Eine neue Entlassungsrunde steht bevor. Bis Ende kommenden Jahres werden in New York Schätzungen zufolge 10.000 Arbeitsplätze in Banken und Fondsgesellschaften abgebaut. Falls die Vorhersage eintritt, wäre die New Yorker Finanzwelt seit Anfang 2008 um insgesamt 32.000 Stellen geschrumpft.

Freuen kann dies auch keinen der Demonstranten, die unweit der Wall Street ausharren. Denn von jedem Finanzjob hängen bis zu drei weitere Stellen im gesamten Bundesstaat ab. Die Auswirkungen bekommen im Endeffekt auch Taxifahrer oder die Angestellten in Restaurants und Reinigungen zu spüren.

Enttäuschung über Obama

Maurizio hat bis vor Kurzem als Anwalt im Finanzbezirk gearbeitet. „Die wissen doch gar nicht, was sie wollen“, sagt er. Die einen seien gegen den Kapitalismus, die anderen dafür. „Dann sind sie gegen die Globalisierung und essen gleichzeitig Burger von McDonald's“, sagt Maurizio. Er ist von US-Präsident Barack Obama enttäuscht, der Banker Ende 2009 als „fat cats“ beschimpfte, die einfach nichts kapierten. „Damit hat er das Niveau für die Diskussion vorgegeben“, sagt Maurizio.

Im Sommer 2010 wurde die Finanzmarktreform verabschiedet. Doch bis heute ist erst etwa ein Viertel der Regeln tatsächlich auch in Form gegossen worden. Sie machen sich allerdings bereits in den Bilanzen der Banken bemerkbar, die in den vergangenen Tagen fast durchwegs mäßige bis schlechte Quartalszahlen vorlegten. Die Bank of America verlor ihren Status als größte Bank der USA. Goldman Sachs musste gar den zweiten Verlust seit dem Börsengang 1999 melden.

Schon jetzt ist so gut wie sicher, dass auch die Boni in diesem Jahr kleiner ausfallen werden. Ein Grund für Mitleid ist das jedoch nicht. Denn immerhin waren es im Vorjahr 21 Milliarden Dollar geworden.