Von Neuseeland bis nach Amerika: Der Protest als globales Ereignis. In Deutschland können Demonstranten auf die Linkspartei ebenso zählen wie auf die CDU.

Tausende Anhänger der Bewegung "Occupy Wall Street" haben ihren Protest gegen die Macht der Banken und die Gier der Großkonzerne auf den New Yorker Times Square getragen. „Die Banken wurden gerettet, wir wurden ausverkauft!“, skandierten die Kundgebungsteilnehmer auf dem belebten Platz im Zentrum Manhattans. Teils berittene Bereitschaftspolizisten versuchten, die Menschenmenge auf die Seitenstraßen zu drängen und so auseinanderzutreiben.

Zuvor waren Anhänger der Occupy-Bewegung mit Trommeln, Trompeten und Transparenten vor die New Yorker Niederlassung des Bankhauses Chase gezogen. Bis zu 1000 Menschen versammelten sich vor dem Gebäude. Einige der Teilnehmer gingen in die Bank, um ihre Konten zu kündigen.

Später wurden nach Polizeiangaben jedoch 24 Menschen in einer Citibank-Niederlassung wegen unbefugten Betretens und ungebührlichen Verhaltens festgenommen. Zwei Personen werfen die Behörden außerdem Widerstand gegen die Festnahme vor. Insgesamt wurden im Laufe des Tages in New York mehr als 70 Demonstranten in Polizeigewahrsam genommen.

Auch im Rest der USA kam es zu kapitalismuskritischen Protesten. In Pittsburgh kamen rund 2000 Demonstranten zusammen, in Orlando nahmen fast 1500 an einem Protestmarsch teil. In Detroit verbrachten rund 200 Demonstranten die Nacht trotz eisiger Temperaturen im Grand Circus Park. Man werde dort solange ausharren, „wie es dauert, um einen Wandel zu erzwingen“, erklärte eine Teilnehmerin, Helen Stockton. „Es ist einfach, uns zu ignorieren“, sagte sie mit Blick auf die Finanzinstitutionen. „Aber wir werden sie nicht ignorieren. Jeder Kälteschauer in unseren Knochen erinnert uns daran, warum wir hier sind.“

Weltweite Proteste

Auch in Madrid demonstrierten sie – natürlich auch dort, denn Spanien ist, angestoßen durch den arabischen Frühling, das Ausgangsland der weltweiten Sozialprotestwelle geworden. Am 15. Mai waren in etlichen spanischen Städten erstmals „Indignierte“ gegen die Reformpolitik des sozialistischen Kabinetts Zapatero auf die Straße gegangen.

Ein halbes Jahr nach der spanischen Erstkundgebung gingen weltweit Tausende auf die Straßen – von Stockholm über Warschau und Sarajewo bis Rom, von London über New York bis nach Seattle, von Hongkong, Tokio und Seoul bis nach Sydney und auch in zahlreichen deutschen Städten .

Die Teilnehmerzahlen schwankten von wenigen hundert in Wellington (Neuseeland) über rund 40.000 in den deutschen Städten bis zu 200.000 in Rom. Dort kam es bis zum späten Nachmittag zu Gewalttätigkeiten, als Vermummte mehrere Autos ansteckten.

In Berlin kam es aber auf dem Weg durch das Regierungsviertel zum Kanzleramt kurz zu Tumulten, als rund 200 Protestler über die Wiese auf den Bundestag zustürmten. Dort bauten die Aktivisten die Absperrungen ab und riefen „Occupy Bundestag“. Die Polizei sicherte das Gelände.

"Die Steuerzahler lassen Dampf ab"

In Frankfurt, dem designierten Zentrum des deutschen Protests, hatte das globalisierungskritische Netzwerk Attac sowie eine Gruppe „Besetzt Frankfurt“ zur Demonstration vor der Europäischen Zentralbank aufgerufen.

Die Empörten wandten sich dort gegen die Banken und gegen eine Krise, die in ihren Augen nur wegen der Fremdbestimmung von 99 Prozent der Bevölkerung durch ein Prozent Banker entstanden ist. Die deutschen Kundgebungsteilnehmer konnten sich auf eine politische Unterstützergruppe von der CDU bis zur Linkspartei berufen.

„Die Steuerzahler lassen Dampf ab, wenn Banken erneut auf ihre Kosten gerettet werden müssen. Das ist nachvollziehbar“, sagte der finanzpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Klaus-Peter Flosbach, dem „Handelsblatt“. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte, die Banken müssten „endlich zur Verantwortung gezogen werden“.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte der Zeitung „Sonntag Aktuell“, die Menschen nähmen mit den Protesten „die wirklich Verantwortlichen in Haftung“. Der Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, sprach in der „Westdeutschen Allgemeinen“ von einem „Aufstand der Anständigen“.

Die Proteste waren der Abschluss einer Woche, in der ein „Hekla Empfangskomitee“ Berlin auf seine Weise die deutsche Politik zur Kursänderung zwingen wollte. Die bislang unbekannte Gruppe legte 17 Brandsätze an Berliner S-Bahn- und Fernbahngleisen und sorgte für ein Pendlerchaos. Das Ziel der Aktion sei es gewesen, auf den Afghanistan-Krieg und ganz allgemein auf ein fremdbestimmtes Leben aufmerksam zu machen, erklärten die Anarchisten.

Diffuse Ziele der Protestbewegung

Die Ziele der weltweiten Sozialproteste sind diffus. In Madrid hatten die Demonstranten sich gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit und gegen die Reformpolitik der Regierung gewandt. Die Reformen waren dazu gedacht, den Druck aus dem Euro-Kessel zu nehmen und Spaniens Kreditwürdigkeit bei den Ratingagenturen zu wahren.

Von Madrid war der Protest am 14. Juli nach Israel übergesprungen, wo Mieter auch unter dem Eindruck der Ereignisse in Tunis und Kairo gegen ihren Hinauswurf aus verteuerten Wohnungen aufbegehrten. Ihr Zeltlager mitten in Tel Aviv, Keimzelle für einen der größten Massenproteste in Israels Geschichte, wurde Vorbild für linke Amerikaner, die am 17. September in New York einen Park in der Nähe der Wall Street besetzten.

Diese Aktion namens „Occupy Wall Street (Besetzt Wall Street)“ bekam rasch internationale Aufmerksamkeit. Unterstützt vom linksliberalen Milliardär George Soros sowie von Größen der amerikanischen Musik- und Showszene wurde sie zum Ausgangspunkt ähnlicher Aktionen in Washington DC und Atlanta.

Die Berichte über die Besetzung der New Yorker Brooklyn Bridge, des Washingtoner Raumfahrtmuseums und andere Aktionen führten schließlich zur Initialzündung für den weltweiten Aktionstag.