Auch an diesem Wochenende demonstrieren in Deutschland die Bankengegner. Die Teilnehmerzahlen sind überschaubar – den Regierenden aber kommt “Occupy“ gelegen.

Der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, hat den Ball dankbar aufgenommen. Seit Wochen wird rund um den Globus gegen die Macht der Banken demonstriert. „Wir haben verstanden“, versicherte der EU-Präsident in dieser Woche den Protestierenden. Er könne die Frustration der Bevölkerung sehr gut verstehen. Die schwere Krise sei ein Resultat der Fehlentwicklungen in den Finanzsystemen, kritisierte der Portugiese. Die Banker hätten vielfach komplett unverantwortlich und mitunter sogar kriminell agiert.

Verständnis für die junge Protestbewegung, die von der New Yorker Wall Street mittlerweile nach Europa geschwappt ist, hat nicht nur der EU-Präsident. Auch in Deutschland sind die Politiker aller Coleur derzeit bemüht, bloß nicht als Freund der Banken dazustehen. Zwar geht Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht so weit wie die Opposition, die nach einer Zerschlagung der Großbanken ruft. Wohlwollen bringt aber auch der Christdemokrat den Bankenkritikern entgegen und versichert, er nehme diese Proteste „sehr ernst“.

Groß sind die Proteste nur in den Krisenländern

Dabei kann von einer globalen Massenbewegung derzeit überhaupt keine Rede sein. Unter dem Slogan „Occupy Wall Street“ (Besetzt Wall Street) campen einige hundert Protestler seit September in dem New Yorker Finanzdistrikt. Auch in Frankfurt, London und Brüssel wird gezeltet. Auch am vergangenen Samstag demonstrierten „Occupy“ und die globalisierungskritische Vereinigung „Attac“ mit mehreren Tausend Menschen in Frankfurt und anderen Städten; „Banken in die Schranken“ forderten sie. Massendemonstrationen waren das nicht gerade – in Berlin zählte man 200 Teilnehmer.

Wirklich groß sind die Protestveranstaltungen nur in den Krisenländern Griechenland, Spanien oder Italien – hier gehen die Menschen aber nicht gegen die Banken, sondern gegen ihre Regierungen und deren Sparpläne auf die Straße.

Banken haben von den Euro-Rettungsaktionen profitiert

Die Anti-Banken-Bewegung kommt den europäischen Politikern sehr gelegen. „Wenn die Politik jetzt mit dem Finger auf Banken zeigen, so ist das der durchsichtige Versuch, vom eigenen Versagen abzulenken“, sagt der Direktor des Centrums für Europäische Politik (CEP) Lüder Gerken. Für die aktuelle Staatsschuldenkrise in Europa seien aber nicht primär die Banken verantwortlich, sondern die jeweiligen Regierungen, betont der CEP-Chef. Auch der Finanzexperte Wolfgang Gerke findet die pauschale Kritik an den Geldhäusern unangebracht. „Schuld an der Misere ist die Politik“, sagt der Ökonom.

Zwar ist unbestritten, dass die Banken von den Euro-Rettungsaktionen der vergangenen eineinhalb Jahre profitiert haben. Die in Griechenland engagierten Institute hatten ein Eigeninteresse daran, dass die Umschuldung Griechenlands durch immer neue Hilfen Brüssels bis heute verschleppt wurde. Wäre das überschuldete Land gleich pleite gegangen, hätten die Banken – vor allem die französischen – enorme Verluste verkraften müssen.

Auch jetzt drängen die Geldinstitute die Regierungen deshalb dazu, ihre glücklose Rettungspolitik weiter fortzusetzen. Denn den Bankern geht es darum, ihre noch verbliebenen Risiken so weit wie möglich auf den Steuerzahler abzuwälzen.

Experten kritisieren Politik

Für Finanzexperte Gerke ist es völlig unverständlich, warum die Politik dem Lobbying der Banken immer wieder folgt, anstatt die Interessen der Steuerzahler zu berücksichtigen. CEP-Direktor Gerken weist zudem darauf hin, dass die staatlich gesetzten Regeln die Banken in der Vergangenheit verleitet haben, sich übermäßig mit Staatsanleihen einzudecken. „Es ist skandalös, dass die Einkapitalvorschriften, also die Pflicht zur Hinterlegung von Sicherheiten, für Staatsanleihen nicht gelten“, kritisiert die Wirtschaftswissenschaftler. „Es ist keineswegs neu, dass auch Staaten insolvent gehen können.“

Doch mit Forderungen nach schärferen Eigenkapitalvorschriften geben sich die demonstrierenden Banken-Gegner nicht ab. Viele von ihnen stellen längst die Systemfrage. Während die Occupy-Bewegung in den USA zunächst politisch sehr gemäßigt auftrat, werden die Forderungen der Protestierenden hierzulande zunehmend radikaler.

Verlangt wird von den deutschen Demonstranten nicht nur die Zerschlagung der Großbanken und eine Verstaatlichung aller Institute, die mit Steuergeldern gerettet werden müssen, sondern auch eine neue Vermögensabgabe. Für falsch halten die Banken-Gegner dagegen die Sparprogramme in den Krisenstaaten. Denn in Ländern wie Griechenland seien keineswegs die Sozialausgaben zu üppig oder die Löhne zu hoch, meint man bei Attac.

Allerdings: Griechenland versinkt nicht deshalb im Schuldensumpf, weil die Geldhäuser den Hellenen in der Vergangenheit Kredite aufgedrängt haben. Es war die Athener Regierung, die seit Einführung des Euro den Sozialstaat ausufern und die staatlichen Ausgaben in die Höhe schnellen ließ. Zulässig ist laut EU-Stabilitätsvertrag eine Staatsverschuldung von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung. Griechenlands Verschuldung liegt mittlerweile aber bei fast 170 Prozent.

Auch in Italien und Portugal ist die Misere hausgemacht. Notwendige Strukturreformen in der Wirtschaft und in den Sozialsystemen hat man vermieden und statt dessen kräftig dem Konsum gefrönt. In Portugal wurde dieser fatale Kurs in den Schuldenstaat auch in der Zeit von 2002 bis 2004 gefahren, als José Manuel Barroso Regierungschef in dem südeuropäischen Land war. Kein Wunder, dass er sich heute als EU-Präsident viel lieber über die Schuld der Banker mokiert.