Berlin. Sinkt der Gasverbrauch nicht, droht ein Versorgungsengpass, warnt die Regierung. Wer dann noch Gas bekommt, ist erst vage geklärt.
Mit der geplanten Gaspreisbremse arbeitet die Bundesregierung daran, Haushalten und Unternehmen einen Grundbedarf zu erträglichen Kosten zu sichern. Offen bleibt aber weiterhin, ob im Winter überhaupt ausreichend Gas zur Verfügung steht.
Die Bundesregierung treibt die Sorge um, dass es in den kommenden Monaten zu einer Gasmangellage kommen könnte. „Wenn die Haushalte den Verbrauch nicht runterbringen, dann droht noch immer, dass wir zu wenig Gas im Winter haben“, warnt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Noch offene Fragen für den Fall einer Gasmangellage
Auch die Bundesnetzagentur ist alarmiert. Denn trotz der aktuellen Energiekrise lag der Gasverbrauch von Haushalten und Unternehmen zuletzt „deutlich“ über dem durchschnittlichen Verbrauch der Vorjahre, wie Behördenchef Klaus Müller vor wenigen Tagen mitteilte. Dies sei „ernüchternd“.
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Zwar sei es zuletzt kälter gewesen als in den Vorjahreswochen. Aber: „Ohne erhebliche Einsparungen auch im privaten Bereich wird es schwer, eine Gasmangellage im Winter zu vermeiden.“ Ein Winter mit einem echten Engpass zählt also zu den möglichen Szenarien.
Für den Fall einer Gasmangellage gibt es noch zahlreiche offene Fragen, wie Informationen aus Habecks Haus zeigen. Aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Linken geht hervor, dass sich im Ernstfall auch sogenannte geschützte Verbraucher wie Privathaushalte und soziale Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Schulen oder Krankenhäuser und Arztpraxen, aber auch Alten- und Pflegeheime oder Feuerwehr und Polizei auf Einschnitte bei der Gasversorgung einstellen müssen. Lesen Sie auch: So funktioniert die Gaspreisbremse

Was passiert bei einer Gasmangellage?
„Geschützte Kunden genießen keinen absoluten Schutz“, heißt es in einem Schreiben von Habecks Staatssekretär Patrick Graichen an die Linken-Bundestagsfraktion, das unserer Redaktion vorliegt. Den „lebenswichtigen Bedarf“ an Gas sollen die geschützten Kunden weiter nutzen können.
„Im Fall einer Gasmangellage sollen auch geschützte Kunden auf den ‚Komfort‘-Anteil ihres Gasbezugs verzichten“, teilt Graichen weiter mit. Bisher wurde von der Bundesnetzagentur als Beispiel für nicht lebenswichtigen Bedarf der Betrieb privater Saunen oder Pools genannt.
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Es herrsche Unklarheit darüber, wie der „Komfort“-Anteil genau definiert werde, kritisiert Linken-Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte. „Es gab bisher keine Positionierung darüber, was bei wem als lebenswichtiger beziehungsweise schutzbedürftiger Bedarf an Gas angesehen wird, geschweige denn eine politische Debatte.“
Stattdessen werde die Entscheidung mit der Bundesnetzagentur einer Behörde überlassen, sagte Korte dieser Redaktion. „Weder die Bürokratie noch irgendeine Wirtschaftsberatungsfirma sollte darüber entscheiden dürfen, wie hoch der ‚Komfort‘-Anteil am Heizenergiebezug einer 80-jährigen Seniorin ist.“
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Im Krisenfall entscheidet die Bundesnetzagentur
Unsicherheit über ihre Gasversorgung im Krisenfall besteht aber auch für Unternehmen, die nicht als geschützte Verbraucher gelten. Denn was für sie ein schutzbedürftiger Bedarf ist, muss von der Bundesnetzagentur erst noch definiert werden, wie das Wirtschaftsministerium mitteilt.
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Klar ist bereits: Wird das Gas knapp, müssen selbst die Hersteller wichtiger Produkte Gas sparen. „Ein Hersteller eines nicht importierbaren, lebenswichtigen Medikaments wird auch Gasbezug haben, der nicht der Herstellung dieses Medikaments dient“, erläutert Wirtschaftsstaatssekretär Graichen. „Diesen Hersteller deshalb komplett von Gasbezugsreduktionen auszunehmen, würde Einsparpotential übersehen.“ Kommt es hart auf hart, ist nach Einschätzung der Bundesregierung also jede gesparte Kilowattstunde von Bedeutung.

Krisenstab entscheidet im Einzelfall
Deswegen soll es auch keine pauschalen Ausnahmen für bedeutende Branchen geben. Stattdessen soll der im Fünf-Schicht-Betrieb arbeitende Krisenstab der Bundesnetzagentur im Einzelfall darüber entscheiden, welche Firmen noch welche Menge Gas nützen dürfen. Sehen Unternehmen ihre Produktion durch die Anweisungen zum Gassparen in Gefahr, sollen sie bei dem Krisenstab Alarm schlagen.
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Wie der Prozess der Einzelfallprüfung dann konkret aussehe, wollte die Linke vom Bundeswirtschaftsministerium wissen. Die Antwort: „Der Prozess befindet sich noch in der Finalisierung.“ Korte wirft der Regierung vor, nicht auf den Ernstfall vorbereitet zu sein. „Die Bundesregierung tut so, als habe sie alles unter Kontrolle, aber ihre vagen Antworten zeugen vom Gegenteil“, sagte der Linken-Politiker. Die Gefahr einer Gasmangellage könne von der Regierung nicht ausgeschlossen werden, „aber nach welchen Kriterien das Gas im Krisenfall konkret verteilt werden soll, sagt sie nicht.“
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