André E. soll das Video gemacht haben, mit dem sich die Zwickauer Neonazi-Terrorzelle zu ihren Morden bekannte. Beamte der Spezialeinheit GSG 9 nahmen den Mann aus Sachsen im Landkreis Potsdam-Mittelmark jetzt fest. Dort wohnt sein Zwillingsbruder.

Am Donnerstagmorgen ist ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der rechtsterroristischen Gruppierung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) festgenommen worden. Es handelt sich um den 32 Jahre alten Andre E. aus Zwickau, der unter anderem das Bekennervideo der Terrorgruppe aus dem 2007 hergestellt haben soll. In der DVD bekennt sich die terroristische Vereinigung zu neun Morden an ausländischen Kleinunternehmern und dem Mordanschlag auf zwei Polizeibeamte in Heilbronn.

Andre E. sollte gegen Mittag in Karlsruhe eingeflogen und dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden. Der Ermittlungsrichter hatte bereits am gestrigen Mittwoch Haftbefehl gegen Andre E. erlassen. Demnach ist der Beschuldigte der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in zwei Fällen dringend verdächtig. Zudem bestehe gegen ihn der dringende Verdacht der Volksverhetzung und der Beihilfe zur Billigung von Straftaten.

GSG-9 nimmt Verdächtigen in Brandenburg fest

Aufgrund dieses Haftbefehls erfolgte dann am Donnerstagmorgen der Zugriff durch GSG-9-Beamte in Grabow. Dort wohnt nach Angaben der sächsischen Linkspartei dessen Zwillingsbruder Mike E. Er soll der rechtsextremen Szene in Brandenburg angehören und Chef der jungen Nationaldemokraten sein. Bei der Vorführung am Donnerstag wird der Ermittlungsrichter dem Beschuldigten Andre E. den Haftbefehl eröffnen und über die Untersuchungshaft entscheiden.

Der stellvertretende Amtsdirektor vom Verwaltungsbereich Niemegk Thomas Griesbach äußerte sich bereits zu der Festnahme mit den Worten: "Wir haben keine Probleme mit Rechten. Deswegen sind auch keine entsprechenden Strukturen bekannt."

Neben der Herstellung des Bekennerfilms soll Andre E. die NSU dadurch unterstützt haben, dass er im Mai 2009 Mitgliedern Bahncards auf seinen Namen und den seiner Frau überließ. Andre E. wird der rechtsextremen Szene in Sachsen um die Gruppe „Brigade Ost“ zugeordnet. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft soll der Festgenommene seit 2003 in engem Kontakt mit den Mitgliedern des NSU gestanden haben.

Weiter sind am Donnerstagmorgen großangelegte Durchsuchungsaktionen angelaufen. Rund 90 Polizeibeamte des Bundeskriminalamts und Polizeikräfte aus Brandenburg, Thüringen und Sachsen durchsuchen vier Wohnungen im Landkreis Potsdam-Mittelmark, in Dresden, Jena und Zwickau. Darunter befindet sich auch die Wohnung des mutmaßlichen Unterstützers Andre E. in Zwickau.

Dem Zwickauer Neonazi-Trio werden mindestens zehn Morde an Migranten und einer Polizistin zur Last gelegt. Der rechtsextremistische Hintergrund der Mordserie zwischen 2000 und 2007 war den Ermittlern nicht aufgefallen und kam erst ans Licht, als Anfang November zwei Mitglieder der Zelle nach einem Banküberfall tot in einem Wohnmobil in Eisenach gefunden wurden. Später wurden in ihrer Zwickauer Wohnung die Tatwaffen entdeckt. Ein mutmaßliches Mitglied und ein mutmaßlicher Komplize sitzen bereits in Untersuchungshaft. Gegen weitere Verdächtige wird ermittelt.

Als Bundeskriminalamt korrigiert Aussage zum Polizistenmordfall

Erneute Wende bei den Ermittlungen zum Heilbronner Polizistenmord: Jetzt ist wieder unklar, ob die Polizistin Michèle Kiesewetter in einer direkten Beziehung zu dem Zwickauer Neonazi-Trio stand. Das Bundeskriminalamt (BKA) korrigierte seine Aussage, die aus Thüringen stammende Beamtin habe gegenüber dem Vereinslokal gewohnt, das von der rechten Szene für Treffen genutzt wurde: „Diese Aussage muss nach heutigem Erkenntnisstand insofern berichtigt werden, als sie gegenüber diesem Vereinslokal nicht gewohnt hat, sondern vielmehr nicht unweit davon zur Schule gegangen ist.“

Anfang der Woche hatte der BKA-Präsident Jörg Ziercke im Innenausschuss des Bundestags noch von der Möglichkeit einer Beziehungstat gesprochen. „Der BKA-Präsident hat zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass die Polizeibeamtin in rechtsextremen Kreisen verkehrt hat oder der rechtsextremen Szene angehörte“, betonte die Behörde am Mittwochabend in Wiesbaden.

Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) hatte bereits am Dienstag betont, die angebliche persönliche Verbindung zwischen der in Heilbronn ermordeten Polizistin und dem Neonazi-Trio sei eine Spekulation: „Unsere Ermittlungsbehörden haben bisher keine gesicherten Erkenntnisse über eine Beziehungstat.“

Angesichts der täglich neuen Enthüllungen sieht der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz den Bundesinnenminister überfordert. „Er ist dieser Herausforderung nicht gewachsen“, sagte Wiefelspütz dem „Kölner Stadtanzeiger“ (Donnerstag). Friedrich mache den Eindruck, als ob er unter Schockstarre stehe. „Der Mann ist an der falschen Stelle.“ Im fehle es „an der Fähigkeit, die richtigen Worte und die richtigen Gesten zu finden“.

Der FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff wies die SPD-Kritik zurück. Die SPD versuche mit Nebelkerzen von der eigenen Verantwortung abzulenken, sagte er am Donnerstag in Berlin. Schließlich seien die Sozialdemokraten zum Zeitpunkt der rechtsextremen Mordserie im Bund Regierungspartei gewesen. Otto Schily war zu dem Zeitpunkt SPD-Bundesinnenminister.

Die Festnahme von Andre E. könnte die Debatte um ein NPD-Verbot weiter befeuern. So soll dessen Zwillingsbruder Mitglied in der umstrittenen Partei sein. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warnte allerdings davor, allein auf ein NPD-Verbot zu setzen. Nötig sei ein umfassendes Paket im Kampf gegen rechten Terror. „Was wir erfahren haben in den letzten 20 Jahren ist, dass die braune Brut dort gedeiht, wo niemand dem Ausländerhass kompromisslos widerspricht“, sagte er in Berlin. „Wir müssen uns vor der Illusion schützen, ein Verbot allein sei die Lösung.“