Grünen-Parteichef Cem Özdemir ruft die Gegner des Castor-Transportes nach Gorleben sowie die Kritiker des Bahnhofsprojekts Stuttgart 21 zum Engagement in Parteien auf. „Der wichtige nächste Schritt wäre, dass Politik sich für neue Partizipationsformen öffnet, die die Mehrheit mitnehmen“, schrieb Özdemir in einem Beitrag für das „Hamburger Abendblatt“.
„Ich würde mir sehr wünschen, dass möglichst viele dieser sehr gut informierten, gebildeten und engagierten Menschen aller Altersgruppen und Herkunft auch den Weg in die organisierten Verbände, Parteien und Parlamente suchen.“ Die protestierenden Menschen im Wendland wie in Stuttgart seien weder „naiv-idealistisch noch materiell-egoistisch, noch radikal“.
Özdemir ergänzte, es sei auch die Verantwortung der Politik und Medien, nicht jede Form der öffentlichen Demonstration als „Dagegen-Bewegung“ abzutun. Stattdessen sollte man Politik und Öffentlichkeit zurufen: „Habt keine Angst!“.
Für die Parteien bestehe darin auch eine Chance zur Wiedergewinnung der Glaubwürdigkeit bei den Bürgern und zu mehr Beteiligung bei Wahlen, ergänzte der Grünen-Chef. „Auch die Kanzlerin müsste eigentlich noch wissen, was es bedeutet, wenn das Volk auf die Straße geht – nicht für dickere Geldbeutel, sondern um Einfluss auf die zukünftige Gestalt unseres Landes zu nehmen“, schrieb Özdemir.
Grünen-Chefin Claudia Roth verteidigt die Proteste gegen den Castor-Transport. „Schwarz-Gelb hat einen gesellschaftlichen Konsens aufgerissen und damit die Bürger provoziert“, sagte Roth der „Passauer Neuen Presse“ mit Blick auf die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Der Widerstand sei deshalb viel breiter als früher.
Roth sagte, zwar bestehe eine Rücknahmepflicht für Atommüll, doch sei die Endlagerfrage völlig ungelöst. „Es handelt sich um ein strahlendes Erbe aus schwarz-gelben Zeiten“, sagte sie. Durch die Laufzeitverlängerung für Atomkratwerke werde Schwarz-Gelb noch weitere 4000 Tonnen verstrahlten Atommüll produzieren.
„Das Zynische ist, dass eine Laufzeitverlängerung durchgedrückt wird, ohne dass ein möglichst sicheres Endlager zur Verfügung steht“, sagte Roth. Die Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg, Horst Seehofer (CSU) und Stefan Mappus (CDU), betrieben eine „heuchlerische Politik“, weil sie die Laufzeiten für Atomkraftwerke verlängern, den Müll aber nach Norddeutschland schicken wollten.
Roth sagte, es sei nicht neu, dass Atomkraftgegner den Schotter aus dem Gleisbett wühlten, um die Eisenbahnwaggons mit den Castorbehältern aufzuhalten. In der Region um Gorleben gebe es einen sehr vielfältigen und bunten Widerstand. „Neu ist, dass sich diesmal so viele Gruppen beteiligen“, sagte sie.
Roth hatte sich selbst an einer Sitzblockade in Gorleben beteiligt. Sie betonte, der Protest müsse friedlich ablaufen. Die Grünen hätten ausdrücklich nicht zum sogenannten Schottern der Bahngleise aufgerufen. Sie wollten aber ihren Protest fortsetzen und für die Perspektive einer neuen Energiepolitik kämpfen.
„Wir hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht die Laufzeitverlängerung stoppt“, sagte sie. „Andernfalls wird die nächste Bundesregierung mit den Grünen dafür sorgen, dass die Energiewende Wirklichkeit wird.“
Zum Vorwurf, die Grünen machten sich zu Trittbrettfahrern einer Protestbewegung in der Bevölkerung, sagte Roth, der Widerstand gegen Atomkraft gehöre seit 30 Jahren zur Identität der Grünen. „Das ist alles andere als Trittbrettfahrerei“, betonte sie.