Sprecher der Atomkraftgegner im niedersächsischen Wendland haben eine positive Bilanz der bisherigen Proteste gegen den Castor-Transport gezogen. „Das war eine Sternstunde des gewaltfreien Widerstands“, sagte der Sprecher der Organisation X-tausendmal quer, Jochen Stay in Splietau bei Dannenberg.
Die bislang größte Sitzblockade überhaupt mit 5000 Teilnehmern auf der Castor-Strecke, die in der Nacht von der Polizei geräumt worden war, zeige, „wie weit sich die Regierung von der Bevölkerung entfernt hat“.
Stay kündigte zugleich weitere Aktionen für den abschließenden Straßentransport der Castorbehälter ins Zwischenlager Gorleben an: „Der Widerstand ist noch nicht beendet.“
Auch der Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke, lobte den fast ausnahmslos gewaltfreien Widerstand der Atomkraftgegner. Das Ausmaß der Proteste führte Ehmke auf die von Union und FDP im Bundestag durchgesetzten Akw-Laufzeitverlängerungen zurück. „Wer Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert, darf sich nicht wundern, wenn sich die Laufzeit des Castors verlängert.“
Kritik übten Ehmke und weitere Atomkraftgegner am Vorgehen der Polizei. So sei die nächtliche Räumung der großen Sitzblockade bei Harlingen, „verantwortungslos“ gewesen. Sie sei gegen den Willen der örtlichen Polizei-Einsatzleitung durch politischen Druck „von ganz oben“ durchgesetzt worden. Der Rechtsanwalt Dieter Magsam kündigte Strafanzeigen wegen Freiheitsberaubung im Amt an, weil etwa tausend Atomkraftgegner nach der Räumung ohne richterliche Anordnung und ohne ausreichende Versorgung bei Minusgraden auf stundenlang auf freiem Feld festgehalten worden seien.
Die Linkspartei wirft der Polizei unverhältnismäßige Gewalt gegen Castor-Gegner vor. „Ich konnte mit eigenen Augen beobachten, wie die Staatsgewalt rücksichtslos zugeschlagen hat“, sagte die Innenexpertin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke. Friedliche Demonstranten seien „mit Schlagstöcken, Wasserwerfern und Reizgas malträtiert und verletzt“ worden. Jelpke hatte nach eigenen Angaben selbst an den Protesten teilgenommen.
Die Linksfraktion werde unverzüglich eine parlamentarische Aufarbeitung des Polizeieinsatzes einleiten, insbesondere zur Rolle der Bundespolizei und der Bundeswehr, kündigte Jelpke an. Dabei werde sich die Linke auch für ein Verbot von Reizgaseinsätzen gegen Demonstranten stark machen.
„Ebenso wie beim Bahnhofsprojekt 'Stuttgart 21' sind die Regierenden offenbar bereit, die körperliche Unversehrtheit protestierender Bürger den Interessen der Wirtschaftslobby zu opfern und die Polizei zum Ausputzer für ihre falsche Politik zu machen“, kritisierte Jelpke. Dies sei ein doppeltes demokratisches Versagen und mit einem demokratischen Rechtsstaat unvereinbar.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat mehr Personal für die Bundespolizei in Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland gefordert. „Großeinsätze wie beispielsweise die Castor- Transporte kann die Polizei personell so nicht mehr stemmen“, sagte der GdP-Regionalvorsitzende Roland Voss laut Mitteilung. Die vor vier Jahren verkündete Neuorganisation der Bundespolizei habe bislang keine Verbesserungen gebracht. Voss verwies auf neue Herausforderungen für die Bundespolizei: „Wer der Bundespolizei zusätzliche Aufgaben wie die Kontrolle der Luftfracht übertragen will, muss zudem die notwendigen Personalmittel bereitstellen und auf Stellenkürzungen verzichten.“