Gorleben

Und wer zahlt für die 16.000 Castor-Polizisten?

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Claudia Ehrenstein

Noch sind die elf Castor-Behälter nicht im Zwischenlager eingetroffen, da ist eine heftige politische Debatte entbrannt. Umstritten ist auch, wer zahlt.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat der schwarz-gelben Bundesregierung vorgeworfen, mit ihrem Beschluss für längere Atomlaufzeiten den Anti-Atom-Widerstand überhaupt erst wieder angeheizt zu haben. Umgekehrt kritisierte Umwelt-Staatssekretärin Katherina Reiche (CDU) die Opposition im Zusammenhang mit den Castor-Protesten für eine unverantwortliche „Stimmungsmache“.

Harsche Kritik kam auch von CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt: „Die Grünen outen sich als politischer Arm von Aufrührern, Brandstiftern und Steinewerfern.“ Was Jürgen Trittin, Claudia Roth und Cem Özdemir im Wendland abzögen, sei „moralische Unterstützung für Landfriedensbruch“.

CDU-Generalsekretär Herrmann Gröhe legt noch nach: Grünen-Fraktionschef Trittin sei besonders doppelzüngig, weil er als Umweltminister im Jahr 2001 mit Blick auf die Castor-Proteste noch zu Besonnenheit aufgerufen habe und nun „an der Spitze“ der Bewegung stehe. „Das ist der Gipfel der Heuchelei“, sagte Gröhe.

Am Wochenende waren mehr Atomkraftgegner als je zuvor ins niedersächsische Wendland gekommen. „Die größten Demonstrationen aller Zeiten gegen die Castoren zeigen: Die Ruhe in der Atompolitik ist vorbei“, sagte Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion. Seine Fraktion beantragte, noch in dieser Woche in einer Aktuelle Stunde über die Castor-Transporte zu debattieren. „Die unverantwortliche Atompolitik von Schwarz-Gelb hat weder Mehrheit noch Akzeptanz in der Bevölkerung“, sagte Beck.

Auch Linksparteichef Klaus Ernst gab Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Schuld an den massiven Protesten in Gorleben: Merkel habe den erreichten Frieden aufgekündigt. „Ich schlage vor, dass der Atomdeal unter ein Moratorium gestellt wird“, sagte Ernst.

Die Entscheidung der Bundesregierung für längere Laufzeiten habe überhaupt erst so viele Menschen mobilisiert, stellte Matthias Miersch, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, fest. Viele der Demonstranten würde das erste Mal an Protesten teilnehmen, sagte Miersch, der sich gestern noch im Wendland aufhielt. „Das geht durch alle Altersgruppen.“

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) forderte er auf, sich endlich in Gorleben sehen zu lassen. Bislang hat Röttgen den Standort für das geplante Endlager noch nicht besucht. Er kündigte aber an, noch in diesem Jahr ins Wendland reisen zu wollen. Die Atommülltransporte aus der nordfranzösischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague nach Gorleben verteidigte Röttgens als notwendige Konsequenz, die sich aus der Nutzung der Kernenergie ergebe.

Heftiger Streit ist über die Frage entbrannt, wer die Kosten für den Einsatz der mehr als 16.000 Polizisten übernimmt. Die Beamten mussten zum Teil mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Demonstranten vorgehen.

Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister und sein Innenminister Uwe Schünemann (beide CDU) forderten nun, dass der Bund die Kosten in Höhe von rund 25 Millionen Euro übernimmt, da die vertraglich vereinbarte Rücknahme des Atommülls aus Frankreich eine Angelegenheit des Bundes sei.

Eine Forderung, die Regierungssprecher Steffen Seibert umgehend zurückwies: „Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Anlass, die Verteilung der Kosten zu ändern.“

Seibert würdigte zugleich den Einsatz der Beamten: „Die Bundesregierung ist sich sehr bewusst, dass die Polizistinnen und Polizisten da einen sehr schwierigen Einsatz leisten, psychisch wie physisch.“

Auch der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Stefan Paris, sagte, das Prinzip der Kostenteilung habe sich bewährt. Ein Land, das Polizisten anfordert, muss für Mehrkosten wie Übernachtung und Verpflegung aufkommen. Er sehe keinen Anlass, die Regelung zu ändern, sagte Paris.

Niedersachsen will bei der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern Mitte November in Hamburg eine Anerkennung der Castor-Kosten als eine Sonderlast beantragen. Doch auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ist nicht bereit, auch noch für die Mehrkosten aufzukommen, die durch den Einsatz bayerischer Beamten in einem anderen Bundesland entstehen.