Nachtaktion

Polizei räumt Schienenblockade der Castorgegner

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Lange wartete die Polizei auf den richtigen Moment zum Eingreifen. Am frühen Morgen begann schließlich die Räumung der blockierten Bahnstrecke.

Auch Stunden nach Beginn der Räumung einer Schienenblockade gegen den Castor-Transport im Wendland sitzen noch Atomkraftgegner auf Gleisen und hindern den Zug an der Weiterfahrt. Nach Polizeiangaben läuft die Räumung friedlich. Atomkraftgegner wurden von den Gleisen weggetragen oder seien selbst gegangen, sagte der Polizeisprecher am Morgen in Lüneburg. Polizisten hatten gegen 1.40 Uhr in der Nacht damit begonnen, die in der Nähe von Harlingen besetzten Gleise zu räumen. Die Demonstranten werden in eine Sammelstelle gebracht. Dort befinden sich nach Angaben der Atomkraftgegner bereits etwa 1500 Menschen.

Die Aktion bei Harlingen gehe schleppend, aber „absolut friedlich“ voran, sagte der Polizeisprecher. Die Bürgerinitiative „X-tausendmal quer„ sprach von einem „verhältnismäßig friedlichen“ Vorgehen der Polizei. Allerdings seien die erschöpften Beamten im Verlauf des Einsatzes rabiater geworden.

Die Polizei begann die Räumung mit einem starken Aufgebot. Zunächst forderte sie die Demonstranten mehrmals auf, die Schienen zu verlassen. Von den Organisatoren kam dagegen der Aufruf „Sitzenbleiben!“. Nur wenige leisteten der Aufforderung Folge. Daraufhin fingen die Beamten an, die Demonstranten von den Schienen zu tragen. Am Rande des Gleisbettes wurden sie dann zu abgesperrten Gebieten begleitet.

Castorzug soll erst nach Räumung weiterfahren

Gegen 4.20 Uhr hatte die Polizei knapp die Hälfte der Castorgegner von den Schienen getragen. Die Polizei machte keine Angeben darüber, wie lange die Räumung dauern werde. Der Castor-Zug stand bei Dahlenburg und sollte erst nach Abschluss der Räumung weiterfahren.

Nach Angaben der Polizei wurde bei der Räumung eine junge Frau verletzt. Sie habe sich beim Wegtragen gewehrt und sei dabei aus dem Haltegriff der Polizisten mit dem Kopf auf die Erde gefallen, sagte der Sprecher der Einsatzleitung. Sie sei von Ärzten versorgt worden. Vonseiten der Castorgegner wurde dies zunächst nicht bestätigt.

Polizei und Castorgegner führten den weitgehend friedlichen Verlauf zurück auf ein sogenanntes Kooperationsgespräch unter Vermittlung von Kirchenvertretern. Nach Angaben von Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg, sollte mit einem solchen Runden Tisch ein „exzessiver Einsatz von Polizeigewalt“ vermieden werden.

Lehren aus Eskalation vom Sonntag gezogen

Im Verlauf des Sonntags war es vor der schwierigsten Etappe des Castor-Transports ins niedersächsische Atommülllager Gorleben zu massiven Ausschreitungen gekommen.

Die Polizei ging teils mit berittenen Beamten sowie Schlagstöcken, Wasserwerfern und Reizgas gegen zeitweise mehrere tausend Demonstranten vor, die immer wieder versuchten, die Bahnstrecke von Lüneburg zum Verladebahnhof in Dannenberg zu besetzen und den Schotter aus dem Gleisbett zu räumen. Einige Demonstranten warfen Feuerwerkskörper, Stöcke und Erdklumpen auf die Polizei und setzten einen Polizei-Räumpanzer in Brand.

Röttgen soll ins Wendland kommen

Unterdessen forderte Sprecher der Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt“, Jochen Stay, Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) auf, noch am Montag ins Wendland zu kommen und gemeinsam nach einem Auswege aus der „buchstäblich festgefahrenen Situation“ zu suchen.

„Der Castor-Transport steckt fest, weil Tausende von Bürgerinnen und Bürgern bei Minusgraden mit gewaltfreien Sitzblockaden die Strecke besetzt halten“, betonte Stay. Die Situation lasse sich mit polizeilichen Mitteln nicht mehr lösen.

Der Castor-Transport war am Freitag im französischen La Hague mit 123 Tonnen hochradioaktivem Atommüll gestartet und sollte am Montag im Atom-Zwischenlager Gorleben ankommen. Am Sonntagnachmittag hatte sich der Zug gegen 18 Uhr auf die letzten 50 Kilometer Bahnstrecke gemacht.

Zwei Stunden später musste er bei Dahlenburg wegen der Sitzblockade auf dem Weg zum Zielort Dannenberg einen Stopp einlegen.

In Dannenberg sollen die elf Castor-Behälter auf Straßentieflader umgeladen werden, auf denen sie die letzten 20 Kilometer bis ins Atom-Zwischenlager Gorleben zurücklegen. In den vergangenen Jahren war es auf dieser Strecke immer wieder zu Protesten und heftigen Auseinandersetzungen gekommen.

( dapd/tma )