Verkehr

Höhere Bußgelder sollen Unfallzahlen senken

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Thorsten Jungholt

Rasen, Drängeln und Fahren unter Alkoholeinfluss werden teurer: Die Bundesregierung plant, den Bußgeldkatalog erheblich zu verschärfen und hofft auf sinkende Unfallzahlen. Die Bundesländer und der ADAC ziehen mit – andere Verkehrsexperten aber halten den Vorstoß für puren Aktionismus.

Seit sechs Wochen wächst die Zahl der Todesanzeigen an deutschen Autobahnen. Auf Plakatwänden am Rand der Schnellstraßen sind große, schwarze Kreuze zu sehen, daneben die bunten Fotos einst glücklicher Familien. Die Motive sind Teil einer neuen Kampagne des Bundesverkehrsministeriums, die den Opfern des Geschwindigkeitsrausches vieler Autofahrer ein Gesicht geben soll und Raser ermahnt: „Runter vom Gas!“

Bei der Mitte März gestarteten Sicherheitskampagne will es Minister Wolfgang Tiefensee (SPD) nicht bewenden lassen. Nach seinem Willen sollen auch die Bußgelder für schwere Verkehrsdelikte ab Januar 2009 drastisch erhöht werden. „Wer verantwortungsbewusst und rücksichtsvoll fährt, muss vor Verkehrsrowdies geschützt werden“, sagte Tiefensee. Mit dem neuen Bußgeldkatalog wolle er die Hauptunfallursachen bekämpfen. Insbesondere „diejenigen, die sich im Verkehr besonders rücksichtslos verhalten und auch andere vorsätzlich gefährden“, müssten nach der geplanten Änderung des Straßenverkehrsgesetzes mit deutlich höheren Bußgeldern rechnen.


So soll laut einem der „Bild“-Zeitung vorliegenden Arbeitspapier des Ministeriums das Autofahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss künftig doppelt so teuer werden. Bereits beim ersten Verstoß würde ein Bußgeld in Höhe von 500 Euro fällig, das zweite und dritte Delikt kosteten dann 1000 beziehungsweise 1500 Euro. Auch Raser sollen stärker zur Kasse gebeten werden – mit bis zu 680 statt bisher 425 Euro, die innerorts beim Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit um mehr als 70 Stundenkilometer fällig werden. Wer auf Autobahnen drängelt, muss demnach künftig bis zu 400 statt 250 Euro zahlen.

Auch illegale Autorennen werden härter bestraft

Weiterhin sollen etwa auch die Bußgelder für permanentes Linksfahren auf 80, für das Missachten von Überholverbot oder Vorfahrt auf 150 beziehungsweise 100 Euro verdoppelt werden, ebenso diejenigen für gefährliche Überholmanöver oder das Fahren mit unangepasster Geschwindigkeit bei Glätte oder Regen auf je 100 Euro. Wer trotz roter Ampel weiterfährt, würde künftig mindestens 90 statt 50 Euro zahlen.

Am stärksten sollen im Verhältnis die Bußgelder für illegale Autorennen erhöht werden: Wer ein solches Rennen veranstaltet, würde künftig mit 500 statt 200 Euro zur Kasse gebeten, Teilnehmer mit 400 statt 150 Euro. In den Bußgeldkatalog soll auch eine Klausel für nachweislich vorsätzlich oder fahrlässig begangene Tatbestände aufgenommen werden, bei denen Verkehrssünder noch einmal einen Aufschlag in Höhe von 50 Prozent des Regelsatzes berappen müssen.


Die kabinettsinterne Abstimmung der Bundesregierung sei abgeschlossen, der Gesetzentwurf solle am 21. Mai verabschiedet werden, sagte Tiefensee. Noch laufe allerdings die Absprache mit anderen Fachressorts auf Bundesebene, den Koalitionsfraktionen sowie den Verkehrsministern der Länder. An dieser Schwelle war vor einem halben Jahr eine erste Initiative Tiefensees gescheitert. Die Mehrheit der Bundesländer, Teile der Union und Automobilklubs wie der ADAC hatten damals moniert, dass auch das Bußgeld für weniger schwere Delikte wie dem Handy-Telefonieren am Steuer erhöht werden sollte. Das sei Abzocke, kritisierte ADAC-Präsident Peter Meyer.

FDP findet Tiefensees Pläne "maßlos"

In der neuen Liste sind solche Delikte nun nicht mehr vorhanden. Der ADAC stimmt den Plänen des Verkehrsministers deshalb zu. „Wer sich im Straßenverkehr so verhält, dass er die Gesundheit und das Leben anderer gefährdet, soll durch höhere Geldbußen zum Umdenken angeregt werden“, sagte ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker. Ähnlich äußerten sich auch der Auto Club Europa (ACE), der Verkehrsclub Deutschland (VCD) und die Grünen. „Es ist erfreulich, wenn Gesetzentwürfe aus dem Hause Tiefensee ausnahmsweise einmal in die richtige Richtung zielen“, sagte der grüne Verkehrsexperte Winfried Hermann Morgenpost Online. Bislang liege Deutschland europaweit am unteren Ende der Bußgeldskala. Deshalb sei es „keine Grausamkeit“ für die Autofahrer, wenn die Sätze nun erhöht würden.

Kritik kam dagegen von der FDP. Tiefensees Konzept sei „schlichter Aktionismus“, sagte der liberale Verkehrsexperte Horst Friedrich Morgenpost Online. „Verkehrsrowdies kriegt man nicht mit höheren Bußgeldern in den Griff, sondern allein mit einer Erhöhung der Polizeipräsenz. Wenn ich 80 Alkoholfahrten machen kann, ohne erwischt zu werden, dann schreckt mich auch ein höheres Bußgeld nicht.“ Tiefensee bürde den Autofahrern gigantische Kosten auf, während die Bundesländer gleichzeitig an Polizeistellen sparten. Der FDP-Abgeordnete Patrick Döring nannte die Bußgeldpläne maßlos: „Die Behauptung, dass das gegenwärtige Bußgeldniveau für viele Autofahrer keine abschreckende Wirkung mehr habe, ist blanker Unsinn.“ Die Liberalen verweisen auch auf die Lage in anderen EU-Ländern. Dort gebe es bereits höhere Bußgelder, und es würden dennoch mehr Unfälle als in Deutschland passieren.

Laut Statistischem Bundesamt liegt die Zahl der Verkehrsopfer auf einem historischen Tiefstand. 2007 sind mit 4970 Unfalltoten so wenig Menschen ums Leben gekommen wie noch nie seit Einführung der Statistik vor 55 Jahren.